Premiere in Kevelaer Ungewöhnlicher Einblick ins Priesterhaus

Kevelaer · Für viele Kevelaerer hat das Gebäude noch etwas Mysteriöses. Bei einer Führung wurde Besuchern nun erstmals das Haus gezeigt. Sie bekamen auch das große Bett zu sehen, das für Kardinal von Galen bestimmt war.

Kevelaer: So sieht es im Priesterhaus aus
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Wenn die Mauern im Kevelaerer Priesterhaus erzählen können - die Geschichten würden mehr als ein Buch füllen. Also verwundert es nicht, dass der Zeitrahmen bei der Führung durch Gottfried Mülders durch Flure, Räume und Säle, über verzweigte Treppensysteme gar nicht ausreichte. "Über Generationen verbinden die Kevelaerer mit dem ältesten Steingebäude der Stadt von 1647 etwas Mysteriöses. Das Ganze wollen wir im Jubiläumsjahr transparenter gestalten", berichtet der frühere Verwaltungsleiter.

Das Priesterhaus diene als Wohnhaus des Pastors, für drei weitere Geistliche sowie drei Ordensschwestern der Göttlichen Vorsehung und drei Canisianern. Genauso als Wallfahrtszentrale, Tagungsort und Schlafstätte und Verpflegungsstation für viele Pilger. Bis zu 90 Personen am Tag, bei einer Belegung von etwa 70 bis 80 Prozent. Doch wie finden sich diese Gäste in dem Geflecht namens Pilger-, Bischofs-, Kloster- oder Bauernflur, Süd- und Zwischenflügel zurecht? Es braucht fast einen Kompass, um zu Treffpunkten wie Spreekkamer oder Kapitelsaal zu gelangen. Hauswirtschaftsleiterin Cordula Kroher bestätigt: "Ich habe eine Weile gebraucht, die gewisse 'Unlogik' zu verstehen, dass wir in manche Flure nur über die erste Etage gelangen."

Gottfried Mülders dagegen scheint jeden Winkel zu kennen. An besonderen Punkten lauscht die Gruppe seinen Schilderungen. Das Zimmer Nummer 10 im Bischofsflur, erste Etage, sei ein ganz besonderes. Dort stehe noch das Überlängen-Bett, das speziell für den Seligen Kardinal von Galen angefertigt wurde, ebenso der Schreibtisch und Schrank aus Eiche. Das Zimmer werde ganz normal genutzt. "Schließlich gibt es auch heute Menschen, denen ein Zwei-Meter-Bett zu kurz ist, und nicht nur dem Löwen von Münster", scherzt Mülders. "Und was machten die Pilger früher nach einem langen Marsch? Das wichtigste war ihnen ein Fußwaschbecken. Braucht man heute nicht mehr. Die letzten Exemplare werden im Haus entfernt. Denn der Bauern- und Pilgerflur stehen ab morgen zur Renovierung an. Es werden moderne Zimmer mit Naßzellen eingerichtet", so Mülders. "Stellen Sie sich vor: In jeder Nische stand früher ein Bett. Im Rucksackzimmer gab es früher nur Lager aus Stroh." Schließlich gelangt die Gruppe zum "Herzstück", dem Kleinod des Priesterhauses. "Bitte nichts anfassen!" heißt es im Klimaraum der Bibliothek mit ungezählten handschriftlichen Bänden. "Das war also das Reich von Pater Radbert", erinnert sich eine Kevelaererin fast ehrfürchtig, dass der "Pater vom Kapellenplatz" sich zur Katalogisierung in die Hausbibliothek zurückgezogen hatte.

Im Kardinal-von-Galen-Saal stehen Stühle im Halbkreis. "In der Pilgerzeit finden Sie hier gerne mal 20 Betten, wie etwa zur Tamilen-Wallfahrt", erzählt Cordula Kroher. Das Besondere am heutigen Meditationsraum sei, dass die Ordensleute das Geschehen in der Beichtkapelle verfolgen konnten, ohne das Gemäuer des Priesterhauses verlassen zu müssen, erklärt Mülders ein Stückchen weiter. Nur wenige Schritte später raubt der Duft von Weihrauch fast den Atem. Durch einen Seitengang gelangt die Gruppe zum Fernwerk der Orgel und befindet sich sogleich in luftiger Höhe neben dem Altar der Basilika. Ein Meer von flackernden Kerzen erleuchtet das Halbdunkel des Kirchenraums. "Dann zeige ich Ihnen jetzt noch unsere Hauskapelle. Für die Holztafeln an den Seitenwänden hatte noch Pastor Schulte-Staade gesorgt. Es meinte, wir können in Kevelaer alles gebrauchen und hat damit teils Kostbares geholt", so Mülders. Es gibt zwar acht Kapellen rund um den Kapellenplatz, aber die Zahl reicht mitunter nicht aus. Manche Kirchenräume müssen täglich bis zu fünfmal belegt werden.

"Schließlich: Schauen Sie sich einmal im Kapitelsaal um. Hier ist nicht alles echt, was so scheint. Das ist nicht altes Gebälk. Hier wurde zum Teil mit Hohlkörpern gearbeitet, um den gewünschten baulichen Stil einzuhalten", weiß Mülders, dass rund 150 Fenster im Priesterhaus schon nach energetischen Regeln modernisiert wurden. Ein Projekt, das noch nicht abgeschlossen sei.

Welche Menge Energie aufgebracht werden muss, um die Räume aufzuheizen, wird im großen Esssaal deutlich. Die geschätzten sechs Meter Deckenhöhe müssen beheizt werden, damit dort bis zu 140 Gäste bewirtet werden können.

Eine Verbindungstür führt ins Reich der Hauswirtschaftsleiterin. Die Küche besticht durch einen Mix aus alt und neu. Unweigerlich fällt der Blick auf die fast 200 Jahre alten Fliesen und die Schüttelkästen für Gewürze an der Wand. "Die können immer noch bedenkenlos eingesetzt werden", sagt Mülders. Aus eigenem Haus kam übrigens ebenso das kredenzte "Gesundheitströpfchen", ein Likör aus Kirsch-Apfel-Quitte, geerntet in Pastors Garten.

(mk)
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