Kevelaer Wie Schüler "G 8" bewältigen sollen

Kevelaer · Manches, was sich der "Runde Tisch" zum Thema verkürzte Gymnasialzeit ausgedacht hat, scheint ziemlich praxisfern. Keine Hausaufgaben oder nur wenig Nachmittagsunterricht - das funktioniert nicht, sagt Direktor Karl Hagedorn.

 Die Lerninhalte können nur wenig gestrafft werden, sind sich Praktiker einig. Schüler müssen Methoden lernen, sich viel Wissen und Kompetenzen in vergleichsweise wenig Zeit anzueignen.

Die Lerninhalte können nur wenig gestrafft werden, sind sich Praktiker einig. Schüler müssen Methoden lernen, sich viel Wissen und Kompetenzen in vergleichsweise wenig Zeit anzueignen.

Foto: Settnik

Ob der verkürzte Weg zum Abitur, kurz "G 8" genannt, Sinn macht, ist nicht mehr die Frage. Das achtjährige Gymnasium ist Realität und wird auch nicht mehr zurückgenommen. Am Runden Tisch der Schulministerin haben Bildungspolitiker, Wissenschaftler und Verbände gemeinsam überlegt, wie zu erreichen ist, dass Schüler und Lehrer mit den Belastungen fertig werden und dennoch am Ende studierfähig sind. Auch für den Direktor des Gymnasiums Kevelaer, Karl Hagedorn, ist dies ein zentrales Thema, an dem er mit seinen Kollegen ständig arbeitet. Die wichtigste Erkenntnis: "Alle müssen mitmachen. Die Schüler, weil sie Methoden lernen müssen, um sich einigen Stoff auch selbst anzueignen, und die Lehrer, weil sie dafür didaktische Kompetenzen brauchen."

In seinem Büro hängen an einem Einbauschrank wandhohe Papier-Bahnen, auf denen er oder seine Stellvertreterin Astrid Czubayko-Reiß die Besonderheiten jedes Jahrgangs handschriftlich vermerkt haben: Anforderungen, Test-Verfahren, Termine. Immer wieder kommt ein Stichwort dazu - das Verfahren ist nicht schick, aber hilfreich. Über die Zeitnot zu klagen, die Schülern und Lehrern durch G 8 zugemutet wird, sei müßig. "Wir müssen eben Wege finden, damit zurecht zu kommen." Dabei stellte Hagedorn klar, dass nicht klappt, was sich vor allem Eltern wünschen: kaum Nachmittagsunterricht und wenig Hausaufgaben. "Die Kinder haben schon ordentlich zu tun. Um das Pensum zu bewältigen, ist für viele besondere Förderung nötig. Und Hausaufgaben können wir den Kindern nicht ersparen." Die Empfehlung des Runden Tisches, Kindern bis zur siebten Klasse nur einmal in der Woche Nachmittagsunterricht zuzumuten und Schülern bis Klasse neun maximal zweimal, wird in Kevelaer nicht umgesetzt. Und "weitestgehend" Lernzeiten in der Schule statt Hausaufgaben - ebenfalls ein frommer Wunsch.

Es werde darauf geachtet, dass aus einem langen Schultag keine Hausaufgaben für den kommenden Schultag resultieren, sagt Hagedorn. Eventuell stehen jedoch noch Aufgaben vom Vortag aus - und die müssen erledigt sein. "Um das selbst organisieren zu können, arbeiten die meisten Schüler nach einem Wochenplan", sagt Czubayko-Reiß. Die Jüngeren würden dabei begleitet, die Älteren müssen das Prinzip verinnerlichen. Einen Teil der Hausaufgaben können zumindest die Fünftklässler in der einen Stunde Silentium pro Woche erledigen. "In der Mittelstufe dürfen maximal 1,5 Stunden Hausaufgaben anfallen, die meisten Schüler kommen mit weniger aus", so Hagedorn.

Obwohl Kevelaers Gymnasium offiziell keine Ganztagsschule ist, sind die Tage für die Kinder oft lang: Siebtklässler etwa haben dreimal pro Woche bis 15.20 Uhr Unterricht, in der Oberstufe müssen die angehenden Abiturienten sogar mehrfach bis 16.30 Uhr bleiben. Hagedorn freut sich darüber, dass dennoch eine ganze Reihe von ihnen freiwillig an AGs teilnimmt, Theater spielt oder im Orchester musiziert. Oder mit den Sportlehrern für einen Übungsleiterschein paukt.

Wie das geht, sich auf wesentliche Unterrichtsinhalte zu beschränken? Ein Beispiel fällt dem Mathematiklehrer ein: Die "Strahlensätze" wurden gestrichen. Auch in Physik komme man vielleicht mit ein paar weniger Formeln aus. Dass kürzere Lektüren gelesen oder weniger Vokabeln gelernt wurden, kann sich der Schulleiter aber nicht denken. Seine Kollegin erläutert: "Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Es geht heute weniger um die Wissensvermittlung, vielmehr um Kompetenzen." Vor allem sollen die Kinder fit darin werden, sich selbst Inhalte anzueignen. Und zwar nicht nur durch "Googeln".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort