Kreis Kleve 17 Mal bohrten Einbrecher Türen auf

Kreis Kleve · Die Geschichte einer Tat vom Einbruch bis zur möglichen Aufklärung, vom Loch in der Tür bis zur Reparatur. Die Aufklärungsrate bei Einbrüchen im Kreis Kleve ist vergleichsweise hoch.

 Hasan Disbudak (rechts) und Georg Hendricks von "Schoofs Holzverarbeitung und Fensterbau" mussten die Tür zur Reparatur ausbauen. In der Zwischenzeit sichert eine Holzplatte die Öffnung.

Hasan Disbudak (rechts) und Georg Hendricks von "Schoofs Holzverarbeitung und Fensterbau" mussten die Tür zur Reparatur ausbauen. In der Zwischenzeit sichert eine Holzplatte die Öffnung.

Foto: eveRS

Das Loch ist klein. Vielleicht einen Zentimeter im Durchmesser; es ist ausgefranst. Das Loch sitzt knapp unterm Griff der Terrassentür. Bohrmehl und Sägespäne liegen auf dem Boden. Es ist ein häßliches Loch, das sich dort auftut, wo nie ein Loch sein sollte. In der Nacht zu Heiligabend hat jemand versucht, einzubrechen. Hat die Tür durchbohrt, den Griff verdreht, um die Tür aufzuschieben, hat den Frieden des Festes zerstört. Weihnachten 2016 ist hin. Auch wenn der Täter nicht ins Haus kam. Erst jetzt, zehn Wochen nach der Tat, ist der Schaden behoben und liegt die Rechnung beim Versicherer.

Kreis Kleve: 17 Mal bohrten Einbrecher Türen auf
Foto: Matthias Grass

Fünfmal haben Täter in dieser Nacht des 24. Dezember 2016 allein in der Kreisstadt Kleve versucht, einzubrechen, indem sie Türen aufbohrten. Einmal sind sie in ein Haus eingedrungen und haben alles durchwühlt. Insgesamt hat die Polizei in Kleve 17 Einbrüche mit Bohrlöchern dieser Art registriert. Die Tatorte liegen konzentriert in der Oberstadt, ebenso wie in der Unterstadt.

 Einbruchdiebstähle mit Bohrlöchern in Kleve.

Einbruchdiebstähle mit Bohrlöchern in Kleve.

Foto: Polizei / RP-Foto: mgr

Nur wenig später nach dem Anruf unter "110" sind die Beamten der Streife da, begutachten den Tatort. Sie beruhigen, es sei ja alles gesichert gewesen, und geben das ausgestellte Aktenzeichen weiter, fahren zum nächsten Einsatz. Dann kommen die Kollegen des Kommissariats 3 (KK 3) von der "Ermittlungskommission Wohnung - überregionale Einbruchdiebstähle". Ihr grauer Kombi parkt in der Einfahrt, wo vorher der Streifenwagen stand.

Die beiden Kommissare wetten schon an der Haustür, wie viele Löcher sie in der Terrassentür finden werden. Sie kommen von einem Einbruch, wo die Täter die Tür beinahe perforiert haben. Die Tür wird begutachtet, aus einem mächtigen Alukoffer ziehen sie Kunstsoffröhrchen, die Wattestifte verwahren. Diese "Q-Tips" werden ins Loch geschoben, die Scheibe wird abgesucht. Fußspuren gibt's keine. Die Arbeit der Beamten ist routiniert. Als Handy-Ton haben sie übrigens Doldingers-Tatort-Motiv. Ihnen wird der nächste Einbruch durchgegeben. Von wegen besinnlicher Heiligabend.

Es war harte Arbeit, das Loch zu bohren. Das zeigt ein Polizeivideo von einem anderen Einbruchsversuch. Die Täter haben keinen Akku-Schrauber, der wäre in der Stille der Nacht viel zu laut, so die Polizei. Es ist eine Bohrstange mit einem dicken Knauf. Vielleicht sogar selbst gebastelt. Klein, unauffällig und mit Kraftaufwand sehr effizient. Die Täter wechseln sich bei der Arbeit ab. Es sind drei auf dem Video zu erkennen. Einer steht Schmiere. Weil in der Umgebung alles ruhig ist, kommt er immer mal wieder gucken, wie weit seine Mittäter so sind. Die drei sind schlank, groß, tragen nicht einmal schwarze Kleidung, sind nicht maskiert. Als das Loch gebohrt ist, schieben sie einen Draht hindurch und versuchen, den Türriegel zu öffnen. Doch diese Tür ist gesichert, sie ziehen wieder ab.

"Diese drei konnten wir festnehmen", sagt Kriminalhauptkommissar Christian Steinke-Schmickler, Leiter des KK 3. Es ist ein Puzzle-Spiel, Täter dingfest zu machen. Einer Streife fiel das Trio Wochen vor der ersten Tatbegehung auf. Auf ihren Bericht fußten weitere Ermittlungen, erklärt Steinke-Schmickler. Das Video sei mit Fotos abgeglichen worden, die bei erkennungsdienstlichen Behandlungen im Vorfeld von den drei Tätern gemacht und in den polizeilichen Datenbeständen vorgehalten wurden. Hinzu kommen die DNA-Spuren, die überprüft werden. "Wir müssen jetzt alle Einbrüche, die nach diesem Prinzip gemacht wurden, abgleichen, um sie den Tätern nachweisen zu können", sagt Kriminalhauptkommissar Erik Janssen.

Es sind grob zwei Tätergruppen zu unterscheiden: ortsansässige Einbrecher, darunter vor allem Beschaffungskriminalität, und mobile Banden, in der Regel Südosteuropäer. Wie zwei Albaner, denen 85 Einbrüche am Niederrhein nachgewiesen werden konnten. "Da ist es wichtig, dass wir regional und überregional denken, dass wir gut vernetzt sind", sagt Steinke-Schmitz.

Die Q-Tips vom Tatort, im Fachjargon "Bakterietten", werden zur Auswertung zum Landeskriminalamt geschickt. Alle Daten werden gesammelt - wie die DNA-Spuren, wie Fotos und Videos. Daten, die abgeglichen und konkreten Personen zugeordnet werden können. Das macht sich bezahlt. "Wir haben inzwischen steigende Aufklärungsquoten beim Wohnungseinbruch", sagt Steinke-Schmickler.

Die Polizei weiß auch: 80 Prozent der Einbrecher kommen nicht von vorne von der Straße ins Haus. Die meisten Einbrecher kommen tagsüber. Täter, die nachts eindringen, haben eine höhere kriminelle Energie, weil sie damit rechnen müssen, die Bewohner anzutreffen. "Man soll sich nie einem Täter in den Weg stellen", mahnen die Polizisten. Die meisten nutzen einen schweren Schraubendreher und versuchen, Türen oder Fenster aufzuhebeln. Viele der Täter haben keinen festen Wohnsitz. Sie suchen leichte Beute, Bargeld, Schmuck, kleine Dinge, die man tragen kann. Die Hehler finden sich oft in den gleichen sozialen Gruppen.

"Wir kontrollieren und dokumentieren verdächtige Gruppen und Personen schon im Vorfeld - wie im Fall des Trios. Wir überprüfen Fahrzeuge, Handys, versuchen Bewegungsprofile zu erstellen", erklären die KK-3-Kommissare. Nach dem Einbruch sollte ein Bezirksdienstbeamter den Ort nochmals aufsuchen - die Einbruchsopfer betreuen, aber vielleicht auch noch den einen oder anderen Zeugen befragen.

Die Aufklärungsquote bei den Wohnungseinbrüchen lag im Kreis Kleve 2015 und 2016 bei rund 25 Prozent. Deutlich über Landesniveau. Von den Tageswohnungseinbrüchen werden sogar 32,4 Prozent aufgeklärt. In NRW gab's 2016 (52.816) so viele Einbrüche, wie 1996 (52.194). Doch gefühlt ist die Zahl der Einbrüche stark gestiegen - vor allem weil sie zwischen 2006 (37.000) und 2015 (62.362) um fast das Doppelte stieg. Aber: jeder zweite Einbruch scheitert, weiß Steinke-Schmickler. 2015 kamen 43,67 Prozent der Einbrecher nicht ins Haus. "Die Wohnungen werden immer besser gesichert", sagt der Polizist.

Das kann auch Jörg Linder, Sprecher der Aachen Münchener-Versicherung bestätigen. Diese Versicherung ist für das "Loch" in der Tür zuständig. Linder rät zur zusätzlichen Sicherung des Hauses, für das es KfW-Förderprogramme der Bundesregierung gibt. "Hier können Privathaushalte einen zehnprozentigen Zuschuss für einbruchhemmende Nachrüstung bei einer Auftragsgröße von 2000 bis 15.000 Euro beantragen", sagt er.

Allerdings verlässt sich die Versicherung nicht allein auf das Angebot des Handwerkers vor Ort und lässt ein eigenes Gutachten anfertigen. "Die beschädigte Tür oder das beschädigte Fenster soll optisch wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht werden", erklärt Linder. Der Kunde sei nicht verpflichtet, diese Firma zu beauftragen. Grundsätzlich hat er eine freie Wahl des Handwerkers. "Allerdings hat er bedingungsgemäß nur Anspruch auf die schadenbedingten Reparaturkosten. So kann er grundsätzlich nicht verlangen, dass er bei Einsatz ,seines' Handwerkers die Kosten für eine Kompletterneuerung der Türe erstattet bekommt, wenn durch ein Gutachten nachgewiesen ist, dass eine Reparaturfähigkeit besteht", sagt Linder. Es sei denn, wie im Fall der durchbohrten Schiebetür, dass noch Kulanz oder Gewährleistungsansprüche bestehen.

Letztlich wurde die Tür ausgebaut und das durchbohrte Holz ausgetauscht. Jetzt sitzt die Tür endlich wieder drin. Die Verunsicherung ist aber immer noch da. Obwohl es "nur" ein Versuch war.

(RP)
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