Kleve 775 Jahre: Revue zum Jubiläum

Kleve · Mit einer Berlin-Revue startete das Jubiläum 775 Jahre Kleve: Der Zeichner Robert Nippoldt verzauberte einen Abend lang das Publikum seiner Heimatstadt mit unsterblicher Musik und Bildern aus einer längst vergangenen Zeit.

 Im kleinen Schwarzen mit Federboa ins Cabaret - Robert Nippoldt zeichnete die längst vergangene Zeit auf die "Wand" in der Klever Stadthalle, das "Trio Größenwahn" brachet die Schlager und Chansons dazu.

Im kleinen Schwarzen mit Federboa ins Cabaret - Robert Nippoldt zeichnete die längst vergangene Zeit auf die "Wand" in der Klever Stadthalle, das "Trio Größenwahn" brachet die Schlager und Chansons dazu.

Foto: Nippoldt

Voller Leichtigkeit huschen Pinsel und Stift über die Vorlage, setzen hier ein paar Punkte, dort wenige Striche, hüllen mit einem wie nebenbei angesetzten Schwung ein raffiniertes "kleines Schwarzes" um die Figur: Die unbekannte Schöne mit dem Bubikopf ist fertig - wie hingezaubert auf die große Leinwand über der Bühne der Klever Stadthalle. Fertig für die große Revue, für das Cabaret, das das Publikum einlädt und in das Berlin der 1920er Jahre entführt. In eine Zeit des Glamour und Swings, in eine Zeit der Depression und großer politischer Katastrophen, der leichten Mädchen und schweren Jungs, die alle auf dem Rand des Vulkans tanzten, der nur wenige Jahre später ausbrechen sollte.

Über 400 Gäste waren gekommen, um das gezeichnete 1920er-Jahre-Berlin des Robert Nippoldt mit der Musik aus der Zeit zu erleben, jenen "Rätselhaften Schimmer" (so der Titel des Programms), der von der Bühne aus bald die ganze Halle einnahm. Annette Wier, Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Kleve, begrüßte die Gäste vor ausverkauften Haus in der in Tischbestuhlung eingerichteten Halle zum Start des Veranstaltungsreigens zur 775-Jahr-Feier der Stadt Kleve.

Über der Bühne hing jene große Leinwand, auf der Bühne standen ein Flügel, die Musik-Instrumente und der spärlich beleuchtete Zeichentisch Nippoldts. Sängerin, Musiker und Zeichner kamen in Schiebermütze. Sie schafften es, dass die 400 Menschen im Saal eineinhalb Stunden konzentriert und voller Staunen den Bildern auf der Leinwand und den Songs von der Bühne folgten: Ein erfreulich stilles, fast poetisches Programm, das an die Fantasie appellierte mit seinen so ungeheuer bunten Schwarz-Weiß-Zeichnungen, mit Spaß an der kindlichen Idee, wenn vom gezeichneten Tablett ein gezeichnetes Gedeck auf die Projektionsfläche geschoben wird. Oder wenn Lokomotiven in geradezu magischen Momenten des Unperfekten in den so perfekten Zeichnungen ruckelig über Brücken geschoben werden. Wie nebenbei wird in nur drei Minuten (die Stoppuhr läuft mit) die politische Geschichte der deutschen Kanzler während der Weimarer Republik erzählt, als alle paar Monate ein neuer Kanzler aufs Tapet trat und ein Brötchen zeitweise 100.000.000 Reichsmark kostete und Männern mit Schilder "Nehme Arbeit jeglicher Art" umherliefen, um ihre Familie ernähren zu können. Es war zugleich eine Zeit der Musik, eine Zeit, in der unvergessliche Schlager und Chansons geschrieben wurden: Von "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" bis zu Brechts "Seeräuber Jenny". Und deren Schiff mit acht Segeln und 50 Kanonen schob als Scherenschnitt sich auf die Bühne. In der Regel ergänzten sich die Songs des Trios, die Musik und die Zeichnungen prächtig, manchmal standen sie auch einfach nur nebeneinander, manche hätten sich vielleicht noch den einen oder anderen schmissigen Gassenhauer gewünscht - doch das tat dem zauberhaften Abend von Zeichnung und Musik keinen Abbruch. Vor allem, wenn dann zwei dicke weiche Pinsel ganz leicht übers Blatt schwangen und im Nu ein swingendes Paar entstand, dem man ansah, wie es ganz im Tanze aufging. So, wie das Publikum ganz dem rätselhaften Schimmer erlag und am Ende des Abends für tosenden Applaus mit einer Zugabe belohnt wurde.

(RP)
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