Kranenburg Als Kranenburg in "Neuseeland" lag

Kranenburg · Februar 1945 nach dem Frontübergang: Hochwasser zur Verteidigung - Deutsche Soldaten sprengten den Querdamm

 Illustrationen aus "Niederrheinisches Land im Krieg": Ein englischer Soldat schaut auf eine Fähre, die sich aus der Niederung nähert.

Illustrationen aus "Niederrheinisches Land im Krieg": Ein englischer Soldat schaut auf eine Fähre, die sich aus der Niederung nähert.

Foto: Buch Niederrheinisches Land im Krieg

Am 8. Februar 1945, heute auf den Tag genau vor 70 Jahren und 10 Monaten, eroberten Engländer und Kanadier Kranenburg, Wyler, Grafwegen und Frasselt. Die nach der alliierten Luftlandung am 17. September 1944 auf den Höhenzügen Groesbeek-Wylerberg erstarrte Front setzte zum Großangriff auf das Reich mit dem Ziel Berlin an. Die britische Operation "Veritable" unter Feldmarschall B. Montgomery brachte dem Klever Land schwere Kämpfe und den Menschen viel Not und Elend.

 Ein Amphibienfahrzeug auf der überspülten Großen Straße in der Grenzfeste Kranenburg.

Ein Amphibienfahrzeug auf der überspülten Großen Straße in der Grenzfeste Kranenburg.

Foto: Buch Niederrheinisches Land im Krieg

Dass das Grenzstädtchen wenige Tage später unter Wasser gestanden hat - an der evangelischen Kirche etwa 50 Zentimeter hoch, dürfte den meisten heutigen Bewohnern ebenso wenig noch bewusst sein. An das Geschehen jener Tage erinnern zwar einige Fotos in "Niederrheinisches Land im Krieg", doch eine erst kürzlich aufgetauchte, 70 Jahre alte Luftaufnahme lässt weitaus besser das ganze Ausmaß der Überschwemmung erkennen. Der Stadtkern der Grenzfeste liegt gleichsam mitten im Meer. Einsam recken sich die Türme der beiden Kirchen zum Himmel. Einzelne Gebäude außerhalb der einstigen Stadtmauer - so der ehemalige Bahnhof und die frühere Molkerei - ragen aus der Flut heraus, die teilweise auch südlich des Bahnstrangs noch Flächen zum Reichswald hin überschwemmt hat. In Westrichtung sieht man die Bäume der Nimweger Straße, die bis Richtersgut von der Kamera erfasst sind. Nach Norden hin nur Wasser, die Pappelreihen in der Ferne muten wie ein Küstenstreifen an. Amphibienfahrzeuge sollen gegenüber dem Rathaus angelegt haben.

Es gibt im Ort wohl niemanden mehr, der diese schlimme Situation selber miterlebt hat, zumal seit Oktober 1944 die Bevölkerung evakuiert war. Die wenigen verbliebenen Männer, durchweg mit niederländischer Staatsangehörigkeit, sind nicht mehr unter uns. Nachteil aller Fotos: Sie dürfen ohne Erlaubnis der Fotografen nicht publiziert werden, selbst noch Jahrzehnte nach ihrem Tod. Dafür beim zuständigen Imperial War Museum in London die nötige und kostenpflichtige Lizenz zu erlangen, ist kompliziert und zeitraubend.

Aber diese historischen Aufnahmen lassen sich privat herunterladen. Googelt man "Pictures of submerged Kranenburg", so erscheint ein Fotoblock, vornan das beschriebene Flutbild. Klickt man auch im weiteren Angebot Bilder mit aufgedruckten roten Titeln an, so findet man dazu kleine neuere Aufnahmen vom gleichen Standort. Diese Mischung besorgt und bearbeitet neben anderen ein Mr. Stolpi, der in den letzten Jahren den Niederrhein aufsuchte und zu den damaligen Schwarz-Weiß-Fotos kontrastvolle Farbaufnahmen gemacht hat. So sind noch im Oktober neue Bilder eingefügt worden. Öffnet man "Veritable: 15. Scottish...", so bringt die Seite 1 Aufnahmen von Wyler bis Moyland, dann wieder Kranenburg. Unter dem Flutbild zeigt ein Foto einen Briten auf der Großen Straße im Wasser. Die große Stiftskirche hat beim Einmarsch kein Dach mehr, man blickt direkt auf das Gewölbe.

Die strategische Karte vom ersten Angriffstag deutet auf die Härte der Kämpfe hin, wenn sie u. a. teils illustriert die Cranenburgse Straat, die Kreuzfurth, den Hövel und Frasselt mit dem Klinkenberg skizziert. Seite 2 führt ab Nütterden ostwärts, in der Mitte der Folge nochmals das Flutbild. Ausgelöst wurde das Hochwasser durch deutsches Militär. Da die Generäle glaubten, die auf den Höhenzügen um Groesbeek und Wyler für den Marsch nach Berlin gerüsteten Engländer und Kanadier an der Grenze aufhalten zu können - am Atlantikwall hatten sie es nicht geschafft, verbündeten sich die Verteidiger mit dem durch Schneeschmelze und Regen gestiegenen Hochwasser. Durch Sprengung der Deiche, vor allem des Querdamms Wyler-Zyfflich, ergossen sich die Wassermassen in die Niederung, so dass in den überfluteten Gebieten der alliierte Nachschub schwer behindert wurde. Doch mussten die Deutschen auch ihre eigenen Stellungen in Bunkern und Kellern aufgeben - wenige Tage nach Offensivbeginn.

(RP)
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