Kleve Arbeiten in den Reichswald-Baumkronen

Kleve · Forst-Mitarbeiter sammeln in 35 Metern Höhe Samen der Douglasie ein. Das Saatgut wird später genutzt, um daraus Pflänzlinge zu züchten. 1,8 Tonnen Zapfen wurden im Klever Forst an einem Tag aus den Nadelbäumen geholt.

 Der aufgeschnittene Zapfen einer Douglasie.

Der aufgeschnittene Zapfen einer Douglasie.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Toni Wilhelm (56) baumelt um 9 Uhr 35 Meter hoch in einer Baumkrone. Drei Stunden später steht der 56-Jährige wieder auf dem Waldboden. Im Gepäck einen Sack, der mit Zapfen gefüllt ist. Wilhelm ist Ausbilder am Forstlichen Bildungszentrum in Arnsberg. Regelmäßig klettert er in Bäumen herum. Für ihn ist es ein Job wie für Buchhalterseelen das Abheften von Unterlagen. 55 Meter ist er bereits hochgestiegen. Mit Ruhepuls 60. "Nach oben gibt's keine Grenze", sagt der Ausbilder.

 Beim Aufstieg in die Krone: Etwa drei Stunden bleiben die Zapfen-Pflücker in der Baumspitze.

Beim Aufstieg in die Krone: Etwa drei Stunden bleiben die Zapfen-Pflücker in der Baumspitze.

Foto: Gottfried Evers

Wilhelm war in diesen Tagen in den Wipfeln des Reichswalds unterwegs. Sein Auftrag dort: Zapfen sammeln. Im Klever Forst ist Erntezeit. Es sind die Samen aus den Zapfen, die begehrt sind. Aus ihnen werden an der Forstbaumschule Douglasien-Pflänzchen gezüchtet, die den Bestand des Nadelbaumes nicht nur sichern, sondern diesen bei Bedarf ausbauen. Die Qualität der Zapfen und ihr Samen sind im Reichswald hervorragend. Ein Pflücker kann täglich 100 Kilo aus den Kronen holen. Dafür muss er auf drei bis vier Bäume steigen, die zwischen 35 und 45 Metern hoch sind.

Neben Toni Wilhelm ist mit Josef Reintjes (45) ein Forstwirt des Kranenburger Forstbetriebsbezirks ebenfalls hochgeklettert. Auch er unterrichtet am Bildungszentrum. Mit einer Seilklettertechnik, die seit 2000 standardmäßig genutzt wird, ist der 45-Jährige hinaufgestiegen. Zunächst wird mit einer großen Schleuder ein Tau über mehrere Äste in die Krone geschossen. Mit diesem zieht man die für den Aufstieg notwendigen Sicherheitsseile hinauf. Die Zeiten, in denen sich die Pflücker allein mit in den Baum geschlagenen Haken zur Ernte aufmachten, sind vorbei. "Das war eine Art Wild-West-Methode", sagt Revierförster Stefan Spinner, der seinen Männern von unten zuschaut. Sobald diese oben angekommen sind, werden einige Zapfen heruntergeworfen. Spinner schneidet diese auf und beurteilt, ob die Anzahl der Samen ausreicht, um das Kiefergewächs weiter abzuernten. "Es geht hier auch um Aufwand und Ertrag. Hier sind mehrere Leute im Einsatz", sagt der Revierförster. 30 Kilo sollten pro Aufstieg mit herunterkommen, sonst lohne es sich kaum. Aus 100 Kilo Zapfen wird ein Kilo Saatgut gewonnen, das 800 bis 1400 Euro wert ist.

Neben den zwei Männern im Wipfel ist Forstwirtschaftsmeister Frank Schlephack (44) am Boden geblieben. Er sichert - soweit dies möglich ist. Denn, so sagt Schlephack: "Da oben kann einem keiner helfen. Jeder entscheidet selbst, ob er sich gut genug fühlt, um hoch zusteigen." Er müsste seine Kollegen aus den Bäumen holen, wenn nicht alles nach Plan läuft. Nicht selten kommt es vor, dass Äste abbrechen und die Pflücker nach unten fallen, bis die nächste Sicherung einen auffängt. Auch Schlephack ist regelmäßig in Kronen unterwegs. So muss Totholz herausgeschnitten werden, wenn es etwa eine Gefahr für für den Straßenverkehr ist. Auch Baumdenkmäler werden so gepflegt.

Nach der Ernte werden Zapfen zur Genbestimmung ins Labor gebracht. "Damit weiß ein Käufer, woher die Saatkörner stammen und welche Eigenschaften sie besitzen", sagt Spinner. Als Toni Wilhelm sein Tagwerk vollbracht hat, sind 1,8 Tonnen Zapfen gesammelt. Die Ernte im Reichswald war eine gute Ernte. Auch wenn Aufstieg und Arbeit im Baum schlauchen, so gibt es für den 56-Jährigen einen Grund, warum er weiter auf Bäume klettern wird: "Hier gibt es etwas, was man sonst nur noch selten hat - eine wunderbare Aussicht über den Wald."

(RP)
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