Bedburg-Hau/Hamminkeln Behinderte warten auf den Berufsstart

Bedburg-Hau/Hamminkeln · Hamminkelner Eltern von Förderschul-Abgängern sind erbost: Statt am 1. September sollen ihre Kinder plötzlich einen Monat später in der Reeser Lebenshilfe-Werkstatt starten. Sie sind überzeugt: Es geht ums Geld.

 Luisa Schubert und Ole Schmitz (beide 19) wären froh, wenn sie endlich in der Lebenshilfe-Werkstatt arbeiten könnten. Schon jetzt langweilen sich die geistig behinderten Jugendlichen, verbringen viel Zeit vor dem Fernseher.

Luisa Schubert und Ole Schmitz (beide 19) wären froh, wenn sie endlich in der Lebenshilfe-Werkstatt arbeiten könnten. Schon jetzt langweilen sich die geistig behinderten Jugendlichen, verbringen viel Zeit vor dem Fernseher.

Foto: bosmann

Wenn Hannelore Schmitz (55) nur das Wort "Inklusion" hört, sträuben sich ihr mittlerweile schon die Nackenhaare. "Da erzählen die Politiker etwas davon, dass es zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen keine Unterschiede mehr geben soll. Aber wehe, es geht ums Geld, dann ist von Inklusion nichts mehr zu spüren." Die Erzieherin aus Hamminkeln ist frustriert. Genau wie Ina Schubert (46) und Marlies Schild (49), die alle das gleiche Problem haben. Ihre geistig und zum Teil auch körperlich behinderten Kinder sind im Juni aus der Förderschule am Ring in Wesel beziehungsweise aus der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Bedburg-Hau entlassen worden. Alle Familien sind bislang davon ausgegangen, dass die Entlassschüler zum 1. September in der Werkstatt der Lebenshilfe in Rees zunächst eine dreimonatige Orientierungsphase (Eingangsverfahren) und dann eine zweijährige Ausbildung absolvieren.

Doch das System funktioniert nicht. Denn nur durch Zufall hatte Ina Schubert während der Abschlussfeier in der Schule am Ring von einem Lehrer erfahren, dass sich in diesem Jahr der Start wohl um einen Monat nach hinten verschiebt. "Ich wollte das gar nicht glauben. Wir Eltern sind alle berufstätig und haben nun ein echtes Betreuungsproblem", sagt sie. Ein Anruf bei der Lebenshilfe in Rees bestätigte ihre Befürchtung.

Auch die Entlassschüler selbst möchten, dass es endlich in der Lebenshilfe-Werkstatt losgeht, wo sie bereits Praktika absolviert haben. "Ich möchte jetzt langsam arbeiten gehen. Mir ist oft so langweilig", sagt Ole Schmidt (20), der deutlich jünger wirkt. Der nette Junge hat schon eine Idee, was man machen könnte: "Demonstrieren." Und wo: "Vor dem Arbeitsamt."

Die Arbeitsagentur haben die maßlos enttäuschten Eltern nämlich als Hauptschuldigen ausgemacht. Denn die Behörde ist Kostenträger. "Denen geht's doch nur ums Geld", sagt Schubert und berichtet, dass man ihr bei der Lebenshilfe erzählt habe, dass vor drei Jahren der Startschuss auch schon mal um einen Monat verlegt werden sollte. "Doch da sind die Eltern auf die Barrikaden gegangen, und am Ende konnten die Kinder doch zum 1. September beginnen." Genau das möchten die Hamminkelner Familien auch erreichen. In einem nächsten Schritt wollen sie sich an die von ihnen gewählten Ratleute beziehungsweise Kreistagsmitglieder wenden.

Die RP fragt bei der Arbeitsagentur in Wesel nach, wie die Sache aus ihrer Sicht aussieht. "Es gab schon immer unterschiedliche Starttermine zwischen September und Oktober", erklärt Markus Brandenbusch, Leiter des Reha-Bereichs. "Wir möchten, dass alle jungen Leute zur gleichen Zeit mit dem Eingangsverfahren beginnen und haben entsprechende Absprachen mit den Werkstätten getroffen", so Brandenbusch. Und es sei auch nicht so, dass generell alle Eltern unglücklich seien mit dem späteren Startschuss.

"Einige Familien sagen, gut, wir nutzen die Zeit jetzt noch für einen gemeinsamen Urlaub." In Fällen, wo es allerdings Probleme gebe, könnten die betroffenen Familien bei der Arbeitsagentur vorsprechen. Denn, so sagt Brandenbusch: "Jeder Fall ist anders." Man wolle sich kümmern.

(RP)
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