Kleve Besuch aus Ghana an Klever Grundschule

Kleve · Drei Wochen hospitiert der ghanaische Lehrer Christopher Ayim Lily an der GGS An den Linden. Von Ausstattung und Lernatmosphäre der Grundschule ist der 53-Jährige begeistert - einige Traditionen aus der Heimat vermisst er aber.

 Christopher Ayim Lily (Bildmitte) begleitet den Trommelunterricht an der GGS An den Linden.

Christopher Ayim Lily (Bildmitte) begleitet den Trommelunterricht an der GGS An den Linden.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Christopher Ayim Lily ist dick angezogen, trotzdem fröstelt es ihn zurzeit gewaltig. Temperaturen unter 20 Grad sind dem ghanaischen Lehrer fremd, der momentan an der Gemeinschaftsgrundschule An den Linden hospitiert. Ein Ausflug ins herbstliche Amsterdam? Nicht mit Christopher Ayim Lily, der sich stattdessen für einen Abstecher ins Einkaufszentrum Centro Oberhausen entschied. "Wenn es kalt ist, will er nicht vor die Tür", sagt Schulleiter Jens Willmeroth und schmunzelt über den Ghanaer, der sich erstmals außerhalb von Afrika aufhält.

Drei Wochen lang vertieft Christopher Ayim Lily im Rahmen eines Hospitationsprogramms des Pädagogischen Austauschdienstes der Kultusminister-Konferenz sein Wissen über die Bundesrepublik und ihr Schulwesen, verschafft sich Einblicke in die Berufswelt seiner deutschen Kollegen, knüpft viele Kontakte - und ist begeistert: "Ich bin toll aufgenommen worden und lerne täglich dazu", sagt der 53-Jährige, der in Accra, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates, an der Wesley Girls Highschool vor allem Biologie, aber auch Chemie und Physik unterrichtet. 1200 Schülerinnen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren lernen dort für ihren Abschluss, 60 Jugendliche unterrichtet Christopher Ayim Lily in einer Klasse. Bildung ist in Ghana teuer. Individuelle Förderung: Fehlanzeige. Nur ein Schichtsystem macht überhaupt einen halbwegs geregelten Unterricht möglich. "Der eine Teil der Schülerinnen wird morgens unterrichtet, der andere am Nachmittag", sagt Christopher Ayim Lily.

Von der Ausstattung der GGS An den Linden ist der Ghanaer fasziniert. "Auf dem Land gibt es bei uns weder Räumlichkeiten noch Tafeln oder Bücher. Die Kinder sitzen auf dem Boden, unterrichtet wird unter dem Dorfbaum", sagt er. In der Wesley Girls Highschool in Accra ist die Situation zwar deutlich besser, aber auch hier fehlt es an allen Ecken und Enden an Unterrichtsmaterial. "Unsere Bibliothek ist nur eine Abstellkammer mit wenigen Buchreihen", erklärt Christopher Ayim Lily. Audiovisuelle Medien stehen ihm gar nicht zur Verfügung. Der Fotokopierer darf nur für Klausuren verwendet werden. In der Millionenstadt Accra gibt es überhaupt nur eine Stadtbibliothek. "Und die macht nachmittags um 17 Uhr zu", sagt der 53-Jährige, der bei einem Rundgang durch die Stadtbücherei Kleve große Augen machte .

Auch die Labore der Hochschule Rhein-Waal, des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums und des Konrad Adenauer-Gymnasiums sah sich Christopher Ayim Lily an - und staunte. Ebenso verdutzt stand der ghanaische Lehrer beim Schwimmunterricht am Beckenrand. "Einen Pool habe ich höchstens mal in einem Hotel gesehen. Schwimmen kann in Ghana kaum ein Kind. Ich übrigens auch nicht", sagt Christopher Ayim Lily. Von dem Landesprogramm "Kultur und Schule" ist er ebenfalls begeistert. "Adesa", eine Künstlergruppe aus Kevelaer, bringt den Grundschülern der GGS An den Linden derzeit mit Trommelrhythmen, Liedern und Geschichten aus Ghana den afrikanischen Kontinent näher.

Christopher Ayim Lily schwärmt von der "tollen Lernatmosphäre in der Grundschule, der guten Unterrichtsplanung und der strikten Einhaltung des Zeitplans", er vermisst aber auch einige Traditionen aus dem ghanaischen Schulwesen, unter anderem die Uniformen. "Bei uns identifizieren sich die Jugendlichen durch den einheitlichen Dress stark mit der Schule", betont er. "Sogar die Haare müssen abrasiert werden, damit alles ordentlich aussieht."

Morgens, wenn sich die Lehrer der GGS zur 15-minütigen Dienstversammlung treffen, findet in der Accra Wesley Girls Highschool eine Vollversammlung aller Schüler und Lehrer auf dem Hof statt. "Dort wird unter anderem zusammen gebetet", sagt Christopher Ayim Lily. Das Treffen sei "sehr gut für das Gemeinschaftsgefühl", findet Jens Willmeroth, GGS-Schulleiter. Für die Reinigung des Schulgebäudes sind im westafrikanischen Ghana übrigens die Schüler zuständig: "Vor und nach dem Unterricht werden unter anderem die Toiletten geputzt. Die Jugendlichen müssen also viel Verantwortung übernehmen", sagt Christopher Ayim Lily. "Und das ist auch gut so."

Nicht nur für den 53-Jährigen - der als Biologie-Lehrer natürlich auch den hiesigen Tiergarten besucht hat und beim Martinszug mitging (und das trotz der ungewohnten Kälte) - ist der Lerneffekt durch den Besuch der Grundschule groß, auch die Kinder und Lehrer der Gemeinschaftsgrundschule An den Linden profitieren von dem engagierten Dozenten aus Westafrika. "Er hat unseren Klassen sein Heimatland vorgestellt. Die kulturelle Brücke, die er durch seinen Besuch gebaut hat, ist enorm wichtig", verdeutlicht Schulleiter Willmeroth.

(RP)
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