Niederrhein Bremsen mit dem Büffeltritt

Niederrhein · Im Fahrsicherheitscentrum in Millingen zwischen Aumund und der Autobahn bietet die Verkehrswacht ein Training für Auto- und Motorradfahrer an. Ein Höhepunkt der speziellen Übungen ist "bremsen und ausweichen".

Niederrhein: Bremsen mit dem Büffeltritt
Foto: Armin Fischer

Die leichte Anspannung ist im Schulungsraum I des Fahrsicherheitscentrums Rheinberg in Millingen deutlich zu spüren. "Was mag da auf uns zukommen?", denken sich die zwölf Damen und Herren zwischen Mitte 20 und 81 Jahren, die dort am "Pkw-Intensivtraining" teilnehmen werden. Überwiegend übrigens nicht ganz aus freier Entscheidung, sondern weil sie den Kursus geschenkt bekommen haben. Zwei Mitarbeiter der Caritas sind von ihrem Arbeitgeber geschickt worden.

Trainer Gerd Pohlmann schafft es jedoch sofort, die nötige Lockerheit in die Runde zu bringen. Zuerst die wichtige Entscheidung, welches Gericht fürs Mittagsessen im Café Wien gewählt wird ("Ohne Mampf kein Kampf"), eine kurze Vorstellungsrunde, und es kann losgehen.

Wer weiß, was er alles für Assistenzsysteme im Wagen hat? Keiner so richtig. Wer ein neueres Auto fährt, vertraut darauf, dass eigentlich alles drin ist. Doch über ABS und Co. macht man sich im Alltag keine Gedanken. Erst der Blick auf die Kontrollleuchten stellt klar, dass zumindest alle mit dem ABS ausgerüstet sind.

Es geht raus auf die Strecke, jeder mit seinem eigenen Wagen. Zunächst fährt jedoch Gerd Pohlmann. Die Teilnehmer sollen einschätzen, wie lang sein Bremsweg bei Tempo 30 ist. Fast alle sind vorsichtig, der Wagen steht viel schneller als gedacht. Umgekehrt dann bei Tempo 60. Denn nun ist es nicht doppelt, sondern viermal so weit, bis der Wagen steht.

Danach geht es dann in zwei Gruppen selbst auf die Fahrbahn. Der Auftrag: Mit dem "Rheinberger Büffeltritt" am Haltepunkt so fest es geht in die Bremse treten und den Druck halten, bis das Fahrzeug steht. Was macht man beim Schaltwagen? Die Kupplung treten? "Das ist immer eine spaßige Diskussion", sagt Pohlmann. Er verweist die Aussage "Der Motor bremst mit" in die Welt der Gerüchte.

Erst kuppeln und dann sofort bremsen, damit der Motor im Betrieb bleibt und alle Systeme weiter arbeiten. Kann ja auch sein, dass man schnell weiterfahren möchte. Erster Aha-Effekt dann, als man bei gleichem Tempo auf feuchter Fahrbahn bremst. Gefühlt reagiert das Auto überhaupt nicht. Und die Reifen sind wohl nicht mehr die besten.

Praxisteil zwei. Es geht auf die Slalomstrecke. Die Lenkradhaltung wird zum Thema. Nicht mehr mit zehn und zwei, stets auf neun und drei Uhr, heißt die Empfehlung. In der scharfen Kurve mit einer Hand das Lenkrad drückend drehen. Pohlmann verdeutlicht, warum das heute so wichtig ist: "Nach dem Sicherheitsgurt, dem Lebensretter Nummer eins, und der Kopfstütze haben Ihre Autos auch einen Airbag. Wenn Sie jedoch gerade den Arm quer über dem Lenkrad haben, wenn er auslöst, dann gibt es einen Faustschlag ins eigene Gesicht - Knochenbrüche garantiert." Hat man so noch nicht drüber nachgedacht.

Eh man sich versieht, sind schon mehr als drei Stunden vorbei. Nach der Pause geht es auf eine große Strecke. In der nassen Kurve die Grenzen des Autos spüren, im Kreis sehen, dass Tempominderung mehr bewirkt als Gegenlenken - und immer wieder im Slalom an die Lenkradhaltung denken. Eine halbe Stunde lang konzentriert fahren. Pohlmann steht an der Seite und spricht über das Funkgerät immer wieder die kleinen und großen Fehler an.

Zum Höhepunkt wird für die meisten dann die Übung "bremsen und ausweichen". Vollbremsung, wenn die Wasserwand hochkommt, die Lücke erwischen. Sobald man etwas schneller als 50 wird, gar nicht so einfach - noch schneller, und es ist unmöglich. Was fünf km/h mehr ausmachen. Zum Abschluss kommt dann die Rüttelplatte zum Einsatz. Sie zeigt, wie es ist, wenn das Heck ausbricht.

Nur wenige schaffen es, den Wagen mit Gegenlenken wieder in die Spur zu bringen.

Bei der Abschlussbesprechung trifft sich nach acht Stunden eine lockere und motivierte Truppe. "Abstand ist der größte Trumpf", gibt Pohlmann allen mit auf den Weg. Und er verweist auf eine ADAC-Studie, nach der sich 94 Prozent aller deutschen Autofahrer für supergut halten. Wer diesmal dabei war, weiß, welche Grenzen ihm gesetzt sind.

"Ich bin ganz schön geerdet worden", sagt eine Teilnehmerin dieses Kurses. Und alle sind sich einig, dass sie mit dem Gutschein für den Kursus ein tolles Geschenk bekommen hatten.

(RP)
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