Kleve Budget erschöpft - benötigtes Rezept nicht verschrieben

Kleve · Heinz T. (67) fühlt sich fit. Seit einigen Jahren in Rente genießt der Klever mit seiner Frau ein unbeschwertes Leben. Fahrradfahren, Bundesgartenschau, Enkelkinder, Skat spielen... das Programm ist reichhaltig und gibt seinen Tagen Struktur. Kleines Manko in dem unbekümmerten Dasein ist der Blutdruck. Nichts Dramatisches, doch muss dieser gesenkt werden.

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Seit knapp 20 Jahren geht Heinz T. regelmäßig zum Hausarzt seines Vertrauens. Dort fühlt er sich gut aufgehoben. Er bekommt verschrieben, was er gegen den Bluthochdruck benötigt. Nachdem der 67-Jährige vor zwei Jahren einmal von dem Originalpräparat auf ein Generikum - auch Nachahmerpräparat genannt - umgestiegen war, hatte das für ihn extrem unangenehme Folgen. Kein Appetit, Glieder- und Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit ... Nebenwirkungen, die Heinz T. bei der Einnahme von Tabletten gegen den erhöhten Blutdruck sonst nie hatte. Sein Hausarzt ließ auch keinen Zweifel aufkommen, warum die Arznei die zahlreichen negativen Begleiterscheinungen verursacht hatte: "Es ist eindeutig. Sie vertragen nur das Originalpräparat. Das kann durchaus passieren", sagte der Allgemeinmediziner.

Bislang hatte Heinz T. nie ein Problem, das Rezept für das Originalmedikament zu erhalten. Ein Anruf, die Sprechstundenhilfe fragte nett nach der Versicherungskarte und die Arzneiverordnung wurde ausgehändigt.

Seit ein paar Wochen ist das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Patient und Arzt jedoch Geschichte. Statt der benötigten Originaltabletten hatte der Mediziner das Kreuzchen nicht an der Stelle des Rezepts gemacht, mit dem gekennzeichnet wird, dass kein Generikum in der Apotheke ausgehändigt werden darf. Auf Nachfrage des 67-Jährigen erklärte die Sprechstundenhilfe, dass das Budget des Arztes erschöpft sei, er könne die Originalarznei nicht verschreiben, da er dies sonst selbst zahlen müsse. Man wüsste zwar, dass er dieses Medikament nicht vertrage, doch gäbe es derzeit keine andere Lösung, so die Arzthelferin.

Der 67-Jährigen fragte bei seiner Krankenkasse nach, was er tun solle. Die Antwort löste bei Heinz T. keine Begeisterung aus. "Sie könnten sich an einen Facharzt wenden, der ihnen dann das benötigte Mittel verordnet", sagte eine Mitarbeiterin der Krankenkasse. Auch wer mit reichlich Optimismus versucht als Kassenpatient schnell einen Termin beim Facharzt zu bekommen, der wird nicht selten enttäuscht.

Claudia de Lorijn von der AOK-Regionaldirektion im Kreis Kleve/Wesel kennt Fälle wie den von Heinz T. "Die kommen vor, doch muss man hier auch den Arzt in Schutz nehmen. Es gibt Vorgaben, die der Mediziner erfüllen muss. Wir als Krankenkasse können auch keinen Stempel auf das Rezept setzen und so das Problem beseitigen." Die AOK würde in dieser Situation dem Arzt einen Fragebogen zusenden, der dann vom Medizinischen Dienst (MDK) beurteilt würde, so de Lorijn. "Nach der Stellungnahme des MDK wird bewertet, ob die Entscheidung des Arztes vertretbar ist", sagt die AOK-Sprecherin. Doch würde dieser Vorgang Wochen dauern und in dem Fall wenig helfen.

Auch Marcel Küsters von der Barmer GEK sind derartige Probleme nicht unbekannt. "Der Mediziner muss dafür Sorge tragen, dass er mit seinem Budget auskommt. Sicherlich ist das auf dem Land schwieriger als in der Stadt, da hier mehr jüngere Patienten behandelt werden, was in der Regel mit geringeren Kosten verbunden ist. Zudem kann der Arzt sein Budget bei der Kassenärztlichen Vereinigung überprüfen lassen", sagt Küsters. Die Barmer würde in dem geschilderten Fall Kontakt mit dem Arzt aufnehmen und eine Lösung für den Patienten finden, so Küsters, der erklärt: "Der Arzt kann seine Verantwortung nicht abschieben."

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein wolle zu dieser Angelegenheit keine Stellungnahme abgeben, so eine Sprecherin.

Heinz T. bezahlte im vergangenen Quartal das Medikament selbst. Nach knapp zwei Jahrzehnten hat der 67-Jährige seinen Hausarzt gewechselt, was ihm schwergefallen ist. Ob den Mediziner der Abschied seines treuen Patienten ebenfalls bedrückt, ist zumindest fraglich.

(RP)
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