Kleve Mit dem Bus mitten ins Leben

Kleve · Der City-Bus fährt quer durch die Fußgängerzone, er verbindet die Ober- und die Unterstadt, aber auch Menschen.

Dieser Bus ist nicht nur ein Bus. Der weiße Sprinter, gerade mal 8,70 Meter lang und 163 PS stark, ist Lebenshilfe, Sozialraum und Freizeitbeschäftigung in einem. Mitten durch die Fußgängerzone fährt der Klever City-Bus, verbindet den Bahnhof mit dem Einkaufszentrum EOC - und nebenbei auch noch Menschen.

Roswitha Schmiech (65) zum Beispiel nutzt die Linie 49 täglich - und das nicht nur, um von A nach B zu kommen. In dem kompakten Gefährt trifft man auch immer jemanden, den man kennt oder kennenlernen kann - und das ist nicht minder wichtig. "Hallo, Rößchen!", ruft eine Dame mit Rollator. So wird Frau Schmiech von einigen anderen Fahrgästen genannt. Man kennt sich, man winkt sich, man plaudert.

Das ist der City-Bus in Kleve
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Das ist der City-Bus in Kleve

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Am Steuer sitzt Michaela Becker, auch sie kennt Stammgäste wie Frau Schmiech. Durch die kompakte Bauweise des Busses bekommt die Fahrerin viel von dem mit, was hinter ihr passiert. Wie es heute so geht, was schon alles erledigt wurde, wo es jetzt hingehen soll. Nach ein, zwei Pläuschchen fragen die Fahrgäste nach ihrem Namen. "Ich find das herrlich", sagt Becker.

Seit 2009 fährt der City-Bus durch die Klever Innenstadt. Er ist der Nachfolger vom City-Train, eine Art grüne Bimmelbahn, die oft auf den Fotos der Touristen landete. Weil die Bahn reparaturanfällig war, wurde sie durch den City-Bus ersetzt. Erst war es ein grauer Bus, jetzt fährt der weiße durch die Innenstadt. Heute ist der City-Bus die am höchsten frequentierte Buslinie in Kleve: 120.000 Fahrgäste zählt die NIAG pro Jahr. Kein Wunder, denn die Linie fährt mitten durch das Herz von Kleve, vorbei an Bäckern, Kleidungsgeschäften, dem Haus Lohengrin und am Elsabrunnen.

 Fahrerin Michaela Becker kontrolliert ein Monatsticket. Seit bald sieben Jahren fährt sie den City-Bus.

Fahrerin Michaela Becker kontrolliert ein Monatsticket. Seit bald sieben Jahren fährt sie den City-Bus.

Foto: Evers Gottfried

Das ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil Busfahrer und Fußgänger aufpassen müssen, dass sie sich nicht in die Quere kommen. Kleine Kinder, die sich losreißen, Hunde, die herumtollen, Fahrradfahrer, Rollatoren oder Menschen mit Tüten in der Hand und Kopfhörern auf den Ohren: "Man muss Geduld mitbringen", sagt Becker lächelnd. In der Fußgängerzone fährt sie Schritttempo, gedanklich immer bremsbereit.

Doch der Bus ist auch Segen. Weil die Klever Fußgängerzone an einem Hang liegt, überwindet das Gefährt auf seiner 1,7 Kilometer langen Strecke rund 35 Höhenmeter. Den Anstieg würde Roswitha Schmiech nicht mehr schaffen. Die 65-Jährige hat einen Schwerbehindertenausweis, mit dem sie gratis fahren darf. Auch Senioren mit Rollatoren, Eltern mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer nutzen den City-Bus gerne. Denn auf solche Fahrgäste ist er ausgelegt. Die breiten Türen vorne und hinten können beide mit einer Rampe ausgestattet werden. Platz für zwei Rollstühle gibt es, Klappsitze machen den Bus zudem flexibel.

 Familie Terörde nimmt den City-Bus, wenn der kleine Henri müde ist - oder Oma Helga.

Familie Terörde nimmt den City-Bus, wenn der kleine Henri müde ist - oder Oma Helga.

Foto: Evers Gottfried

Auch Schüler und Studenten trifft man im Bus, auch wenn Fahrerin Becker das nicht ganz so gerne sieht. "Aber lasst bitte die Erwachsenen sitzen", ruft sie einer Gruppe Schülern hinterher, die am Bahnhof den Bus stürmen. "Und die Schwangere auch!" Sie nicken und stellen sich in den hinteren Bereich.

An der nächsten Haltestelle steigt Familie Terörde ein. Mutter Katja (35) und ihr Sohn Henri waren mit Oma Helga in der Stadt. "Die Kleinsten sind ja etwa lauffaul", erklärt die Mutter die Busfahrt. "Die Alten aber auch", lacht Oma Helga. Henri lacht mit und reibt sich wenige Minuten später beim Aussteigen vor Müdigkeit die Augen.

Wenn Michaela Becker die Endhaltestellen anfährt, warten an diesem Nachmittag schon ein Dutzend Leute ungeduldig aufs Einsteigen. Zeit für eine Pause bleibt nicht. Bedürftige mit Monatstickets kommen Becker entgegen, eine Frau löst ein Ticket für den Sonderpreis von einem Euro - dann geht es weiter.

Weil die Preise so niedrig angesetzt sind - die Tageskarte kostet 1,50 Euro - zahlt die Stadt Kleve jedes Jahr rund 150.000 Euro Zuschuss. Als die FDP den City-Bus einmal abschaffen wollte, gab es Widerstand, auch im Bus. "Die Leute meinten, dann rennen wir denen die Bude ein", erinnert sich Becker an die Diskussionen im Bus. Und Roswitha Schmiech sagt: "Das geht gar nicht! Wenn der City-Bus nicht wäre, hätte ich Probleme, irgendwo hinzukommen. Ich bin wirklich froh, dass es den City-Bus gibt."

(mre)
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