Kleve-Kellen Das Ende so schön wie möglich gestalten

Kleve-Kellen · Das Palliativnetzwerk Niederrhein betreut Menschen, die unheilbar erkrankt sind. Der Ansatz lautet nicht "heilen", sondern "lindern". Erfüllt wird den Menschen nach Möglichkeit der Wunsch, zuhause im Kreis der Familie zu sterben.

 Arzt Michael Kroll (Zweiter v. li.) und Pflegekraft Schwester Ewa (li.) schauen bei Heinz-Theo Hermsen und Angelika Monschau zum Kaffee vorbei.

Arzt Michael Kroll (Zweiter v. li.) und Pflegekraft Schwester Ewa (li.) schauen bei Heinz-Theo Hermsen und Angelika Monschau zum Kaffee vorbei.

Foto: Evers

Michael Kroll ist Allgemeinmediziner, aber für seine Patienten besteht meist kaum die Aussicht, jemals wieder richtig gesund zu werden. Wer an den Arzt überwiesen wird, um den steht es bereits ziemlich schlecht. Palliativmedizin heißt die Richtung, auf die sich Michael Kroll spezialisiert hat, "lindern" lautet sein Credo. In der Praxis des Palliativnetzwerks Niederrhein in Rindern kümmert er sich um Menschen, die unheilbar erkrankt sind. Fünf Mediziner sind sie im Team. "Entgegen der herkömmlichen Vorstellung in der Medizin versuchen wir unsere Patienten nicht um jeden Preis zu heilen, sondern aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen", sagt der Arzt. Das bedeutet: "Wir wollen ihnen die Zeit, die ihnen noch bleibt, so angenehm wie möglich machen." Und den meisten damit, wenn zumutbar, einen großen Wunsch erfüllen: Zuhause im Kreis der Familie zu sterben.

Das Versorgungsgebiet des Palliativnetzwerks Niederrhein erstreckt sich linksrheinisch von Kranenburg und Kleve südlich bis Wachtendonk und östlich bis nach Rheinberg und Moers. 17 Ärzte sind dort zuständig. Die fünfköpfige Praxis in Rindern gibt es seit Juli 2012. Die vier Allgemeinmediziner und ein Hautarzt kümmern sich um den nördlichen Teil und damit um derzeit 30 Patienten. Sieben Pflegekräfte unterstützen das Team. Sie alle haben wie die Ärzte eine Weiterbildung in Palliativmedizin absolviert und besuchen die schwerkranken Patienten mindestens einmal am Tag. "Bei Bedarf schaut auch ein Arzt jeden Tag vorbei", sagt Michael Kroll. Unter einer Notrufnummer können die Patienten rund um die Uhr Hilfe anfordern. Ein eigenes Hospiz ist in Planung.

Mit Pflegerin Ewa Leidig - ihren Patienten als Schwester Ewa bekannt - ist Michael Kroll an diesem Tag unterwegs zu Heinz-Theo Hermsen und Angelika Monschau. Das Kellener Paar ist an Krebs erkrankt. Beide an unterschiedlichen Arten, beide unterschiedlich schwer. Die Rentner sind recht fit, meistern den Großteil ihres Alltags alleine. Nur ein Treppenlift verrät, dass Heinz-Theo Hermsen nicht mehr ganz so gut auf den Beinen ist.

Der 64-jährige ist seit zwei Monaten im SAPV-Programm des Palliativnetzwerks Niederrhein. In diese sogenannte spezialisierte ambulante Palliativversorgung werden die Patienten aufgenommen, die am schwersten erkrankt sind. Bei Heinz-Theo Hermsen sorgen Ödeme dafür, dass sich in Beinen und Bauch Wasser ansammelt. Wird es nicht regelmäßig abgepumpt, drückt es auf die Lunge, das Atmen fällt schwer. "Aber mir geht es schon wieder viel besser", sagt der ehemalige Maurer lächelnd. Als das Programm begann, konnte er nicht mehr schlucken und wurde künstlich ernährt. "Davon haben wir ihn mit Medikamenten wieder wegbekommen", sagt sein Arzt Michael Kroll. "Palliativmedizin ist eben nicht nur eine Einbahnstraße."

Lebensgefährtin Angelika Monschau kam vor anderthalb Jahren in die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV). Auch sie ist schwer krank, Metastasen belasten ihren Körper. Der Zustand der 67-Jährigen hat sich aber so weit verbessert, dass sie nicht mehr im SAPV-Programm betreut werden muss. Die Krankheit hat in ihrem Leben vieles verändert, auch das Denken. "Man nimmt viele Dinge leichter", sagt Angelika Monschau, "gönnt sich mehr." Doch sie schränke selbstverständlich auch ein. "Wir hatten noch so viel vor. Das alles geht jetzt nicht mehr", sagt sie.

Prognosen, wie lange die beiden noch zu leben haben, wollte das Paar nie wissen. "Ich glaube daran, dass es mir besser geht, als noch vor einer Weile und ich noch lange durchhalte", sagt Heinz-Theo Hermsen bestimmt. Lebensgefährtin Angelika Monschau drückt seine Hand. "Du kommst hier nicht weg", sagt sie. Lächelnd antwortet er: "Ich denk' ja nicht dran."

(RP)
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