Kalkar Das künstlerische Erbe bewahren

Kalkar · Das Atelier und Wohnhaus von Alfred Sabisch soll ein Museum werden. Das möchte zumindest Tochter Angelika Rückert, die sich aus Altersgründen nicht mehr um das Ensemble rund um den Kalkarer Taubenturm kümmern kann. Erste Gespräche mit der Stadt hat es bereits gegeben.

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Die Zeit ist stehengeblieben. Von außen ein Nachkriegsbau, der früher wie heute durch seine Sachlichkeit besticht. Von innen ein Wohn- und Ausstellungshaus, in dem alles noch wie vor 50 Jahren ist - die Tapeten, die Teppiche oder die Häkeldeckchen auf den schlichten Möbeln. Dazu kommt Kunst. Unzählige Plastiken auf den Tischen und Schränken. Und Gemälde - 100, 200 Stück. In Öl, Kreide und Aquarell. Drucke und Radierungen, Werke aus Mosaik und Glas. An den Wänden, auf dem Boden und in Schubläden. Es ist heimelig dort, vielleicht ein bisschen bieder und doch irgendwie schmuck. Und es wirkt fast so, als wenn der Hausbesitzer - ein Maler und Bildhauer - jeden Moment um die Ecke kommt und sich dazu gesellt. Macht er aber nicht.

Denn Alfred Sabisch, der von 1937 bis 1986 in Kalkar lebte und arbeitete, ist seit mehr als 30 Jahren tot. Sein Lebensraum und -werk dagegen nicht. Im Gegenteil, das Ensemble rund um den Taubenturm war, ist und soll auch in Zukunft erlebbar sein. Das möchte zumindest Angelika Rückert, die einzige Tochter.

Rückert, Jahrgang 1942, hat sich jahrelang um das kulturelle Erbe ihres Vaters - bestehend aus dem denkmalgeschützten Taubenturm aus dem 15. Jahrhundert, dem Wohnhaus und der großen Ausstellungshalle im Anbau, 1958 beziehungsweise 1961 erbaut, sowie dem Garten, der von einem Stück mittelalterlicher Stadtmauer umgeben ist - gekümmert. Zuerst mit ihrer Stiefmutter Agnes Kiefmann, die im vergangenen Jahr verstarb. Zuletzt mit ihrem Mann Professor Dr. Joachim Rückert, der sich ebenfalls seit vielen Jahren um den Nachlass seines Schwiegervaters kümmert. "Doch wir beide sind alt, haben keine Kinder und wohnen 330 Kilometer von Kalkar entfernt. Es ist also Zeit, das künstlerische Erbe in andere Hände zu geben", sagt Rückert.

Andere Hände, das könnten nach Ansicht der Eheleute die Stadt Kalkar, die neugegründete Kunstakademie Kalkar oder aber auch der Verein der Freunde Kalkars sein. Wichtig ist ihnen dabei nur, dass das Werk und das Zuhause von Alfred Sabisch erhalten bleiben. Dazu sind ihrer Meinung nach rund 20.000 Euro im Jahr nötig. "Wir stellen uns eine Art Museum oder ein Atelierhaus vor, in dem die Besucher mehr über das Leben und die Arbeit meines Vaters erfahren können", sagt Rückert, die schon zahlreiche Angebote für das Anwesen am Rande des historischen Stadtkerns bekommen hat. Doch nur "verkaufen", um des Geldes willen - allein die Immobilie habe einen Wert von 400.000 Euro - möchte sie nicht. Im Gegenteil, sie möchte bewahren.

Das ist ganz im Sinne der Stadt Kalkar, wie Kulturreferent Harald Münzner auf Anfrage unserer Redaktion sagt. "Unsere Bürgermeisterin hat signalisiert, dass sie die Zukunftsperspektiven der Stadt Kalkar im Bereich Kunst und Kultur sieht." Heißt: Das Profil der Stadt mit seinem historischen Stadtkern und den kulturellen Sehenswürdigkeiten soll geschärft werden. Dazu gehören sicherlich das städtische Museum mit Archiv, der Markt mit Rathaus und Giebelbauwerken, die neu gegründete Kunstakademie und die Nicolaikirche mit ihren Schnitzaltären. Dazu gehört aber auch das Haus Sabisch, das nach Angaben von Münzner "eine Perle in der Region und absolut erhaltenswert" sei.

Erste Gespräche zu diesem Thema hat es schon gegeben. Für Januar und März sind weitere Termine angesetzt. Problem dabei ist, wie so oft, das Geld. Münzner dazu: "Die Stadt ist weit davon entfernt, das Projekt zu finanzieren. Nun überlegen wir, wie wir mit Hilfe von außen in dieser Sache weiterkommen." Welche Art von finanzieller Hilfe das sein könnte, darüber wollte Münzner allerdings noch nichts sagen.

Vielleicht empfiehlt sich ein Blick in die Gemeinde Hünxe (Kreis Wesel). Dort wird gerade das Haus Esselt, ein Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem ab 1958 der Künstler Otto Pankok seinen Alterswohn- und Arbeitssitz hatte, saniert - und zwar mit Mitteln der Regionale 2016. Das ist ein Strukturförderprogramm, um die Stärken, Merkmale und Qualitäten bestimmter Regionen auszuarbeiten. Derzeit bewerben sich zumindest die Kreise Kleve, Wesel und Viersen sowie die drei Industrie- und Handelskammern des Niederrheins um die Regionale 2022/2025 des Landes NRW.

Öffentlich genutzt wird Haus Sabisch schon heute. So finden dort ab und an Ausstellungen statt. Zudem ist das Areal an der Ley Teil einer Stadtführung. So zeigt Helene Meurs Besuchern regelmäßig den Taubenturm, der 1506 als "Dueffstoern" (Diebesturm) bezeichnet wurde und zeitweise als Gefängnis der Stadt diente. 1937 bezog Sabisch dort sein erstes Atelier. Berühmt ist auf dem Grundstück auch das Nauen-Eck. Jener kleine Platz am anderen Ende der Stadtmauer, auf dem der befreundete Künstler Heinrich Nauen gern seinen Kaffee trank. "Diesen Platz hat mein Vater für Nauen geschaffen", sagt Rückert.

Es war nicht der einzige Kontakt. So ging auch Hermann Teuber bei den Sabischs ein und aus. Ada Neuhaus lebte sogar bis zu ihrem Tod 1972 mit im Haus. Ihr Zimmer mit dem leicht erhöhten Blick auf das Nauen-Eck, die Stadtmauer, den Taubenturm und die Pappeln, ist noch genauso vorhanden, wie sie es vor mehr als 40 Jahren verließ. Mit einem Bett, einem Schrank und einer schweren Tapete, an der vielfältige Werke von Sabisch hängen.

(RP)
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