Rp-Serie 50 Jahre Kinder- Und Jugendpsychiatrie Der Lvr-Klinik (4) Das Training für die Eltern

Kleve · Auch die Väter und Mütter von Kindern und Jugendlichen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie therapiert werden, werden eingebunden. Beim KES-Training lernen sie, mit Konfliktsituationen mit ihrem Kind besser umzugehen.

 Renate Junker (links) steht mit ihrer Kollegin Jessica Trinko an der Gedankensammlung für die Eltern: Es geht um die emotionale Basis.

Renate Junker (links) steht mit ihrer Kollegin Jessica Trinko an der Gedankensammlung für die Eltern: Es geht um die emotionale Basis.

Foto: Gottfried Evers

Kreis Kleve Max muss am Nachmittag die Hausaufgaben machen, seine Mutter muss pünktlich zu ihrem Job. Eine angespannte Konfliktsituation, Stress ist angesagt. Die eine hat keine Zeit, muss pünktlich ihren Job antreten, der andere verspürt nicht die geringste Lust, sich an seine Aufgaben zu setzen. Im Hintergrund hat die Mutter noch die mahnenden Einträge aus dem Mitteilungsheft der Schule im Kopf: Max gilt als auffällig, er provoziert, hat selten seine Hausaufgaben dabei und hat sich völlig aus dem Unterricht ausgeklinkt. Und sie wurde wieder von einer anderen Mutter auf Max angesprochen, dass er so wild sei.

"Man kann lernen, solche Situationen in den Griff zu bekommen", sagt Renate Junker. Die Ergotherapeutin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Bedburg-Hau bietet Eltern Hilfe an. In einer Gruppe lernen sie, ihre Situation zuhause entspannter zu gestalten, und erfahren vor allem: Ich bin nicht alleine mit meinen Problemen und denen unserer Kinder. Denn um den Kindern, die wegen ihrer Auffälligkeit wie Max (Name geändert) in der Kinder- und Jugendpychiatrie therapiert werden, helfen zu können, gilt es, auch die Eltern einzubinden.

Die Eltern lernen unter anderem, Stress-Situationen besser in den Griff zu bekommen. Dafür müssen sie ihre Situation zuhause analysieren und auch Abläufe überdenken. "Das ist erst mal harte Arbeit, doch sie lohnt sich: Sein gewohntes Verhalten zu verändern ist sehr schwer, aber es ist zu schaffen. Und auch kleine Veränderungen sind enorm", sagt Junker. Sie macht den Eltern Mut am Beispiel der Hausaufgabensituation: Eine kleine Veränderung, vielleicht braucht der Sohn eine kurze Pause oder vorher etwas Bewegung, kann die Situation schon entspannen, sagt die Therapeutin.

Junker legt einen dicken Ordner mit hellgrünen Deckeln auf den Tisch. "Wir starten im September wieder mit dem Kompetenztraining für Eltern von sozial auffälligen Kindern, das KES-Training nach Lauth und Heubeck", erklärt sie und legt die Hand auf den Ordner. KES richtet sich an Eltern mit Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren. "Dabei geht es stets um konkrete Alltagsprobleme in den Familien, die diese als zermürbend und belastend erleben", fügt Junker an. So wie die Hausaufgaben-Situation.

Wie bei einem Spiel hat auch KES klare Regeln. Nicht nur die Kinder allein sollten sich ändern, auch die Eltern sollten lernen, besser mit den Situationen umzugehen. "Gemeinsam lernen sie, schwierige Erziehungssituationen zu erkennen, Abläufe und Umgangsformen zu überdenken und sie gegebenenfalls zu verändern - stets unter Berücksichtigung der Verhaltensmöglichkeiten des Kindes", sagt Junker. Kern des Trainings sei der Aufbau einer unterstützenden Eltern-Kind-Beziehung als emotionale Basis - und dass die Eltern lernen, ihre eigene Gefühle zu regulieren, um zukünftige Eskalationen zu vermeiden.

"Die Teilnehmer erarbeiten sich neue Kompetenzen, die einen veränderten positiven Umgang der Familienmitglieder ermöglichen können", so die Therapeutin. Ein Ziel: Die Eltern vermitteln ihren Kindern Verlässlichkeit, Sicherheit und Stabilität. "Das Kind erfährt: Ich werde so angenommen, wie ich bin", sagt sie.

Auch die Eltern sollen erkennen, dass es positive Dinge im Alltag gibt, die in der Familie funktionieren und die man weiter entwickeln kann. "Was läuft denn schon, wo spielen wir als Team, beispielsweise wenn wir zusammen Fußball spielen. Wichtig ist, dass wir nicht dauernd Kritik üben", erklärt die Therapeutin. "Die Eltern lernen, Situationen erst nur wahrzunehmen und sie nicht gleich zu interpretieren, immer nur eine Aufforderung auf einmal zu machen, klar, knapp und eindeutig zu formulieren", sagt Junker. Bevor die Eltern in die KES-Gruppe zur Ergotherapie kommen, haben sie ihre Situation auch schon in Einzelgesprächen mit den Therapeuten der Kinder aufgearbeitet. Gezielt wird in der KES-Gruppe gelernt, wie man mit den typischen Stresssituationen umgeht: dem geregelten Zu-Bett-Gehen, dem Hausaufgaben-Machen, dem Sich-Sperren der Kinder. Es gilt, neue Rituale zu schaffen. Beispiel: "Ich spiele mit meinem Kind zu einem wiederkehrenden verlässlichen Zeitpunkt", sagt Junker.

Die KES-Gruppe hat 14 Treffen á 120 Minuten, an drei bis vier Terminen sollen auch die Kinder teilnehmen, die Kosten für das ambulante Gruppentherapeutische Angebot übernehmen die Krankenkassen. Info: Telefon 02821 81-3401 oder 81-3402.

(RP)
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