Hans Rühl Der Organist zog letztmals die Register

Kleve · Ein Festamt in der Frasselter Kirche und ein Empfang im Haus Meurs sorgten für ein gebührendes Echo auf die lange Tätigkeit, auf die Hans Rühl zurückblicken kann. Dank für treuen Dienst an der Musica Sacra.

Herr Rühl, das war dann ein Sonntag des Abschieds?

Hans Rühl Für mich weniger mit Wehmut verbunden als vom Gedanken getragen, eine so lange Zeit die Orgel zum Lobe Gottes spielen zu dürfen. Schließlich müssen Menschen im Alter sich in der Kunst des Loslassens üben. Pfarrer Michael Terhoeven dankte im gut besuchten Festhochamt zunächst der Gattin des Organisten, ohne deren Hilfe ihr Mann nicht bis jetzt seinen Organisten-Dienst hätte ausüben können, sodann mir für das über die Orgel weitergegebene Glaubenszeugnis, das zum Hören einlade, die Liedauswahl sei immer liturgienah gewesen. Der Allgemeine Cäcilienverband ACV in Regensburg honoriere den Dienst mit der ACV-Verdienstnadel, aus Münster grüßten Bischof Felix Genn und der neue Diözesanpräses der Kirchenchöre Clemens Lübbers.

Als Neunjähriger erstmals an der Orgel - wie war das, nach zwei Jahren Unterricht erstmals vor der Gemeinde an dem Tag von Hitlers Überfall auf die Niederlande. Wussten Sie als Viertklässler an der Orgel davon? Und wie blickt man im Nachhinein auf das Ende des Friedens?

Rühl Die Zahl der Gottesdienstbesucher war klein, wegen der allgemeinen Unruhe als Folge der nach Holland abmarschierenden Truppen blieben viele daheim. Ich habe rein manualiter gespielt, weil die Orgelbank für meine Füße zu hoch war. Mein Vater hatte eiligst noch bei vielen Soldaten Schulden einzutreiben, deren Durst größer als ihr Sold gewesen war. Dass es nun ernst war mit dem Krieg, spürte jeder. Noch am gleichen Tag kam die erste Gefallenen-Meldung, mit dem Unteroffizier hatte ich mich noch am Vortag unterhalten. Das sind über 76 Jahre her. Doch an Dringlichkeit hat die Bitte um Frieden vor allem durch den Terror nichts verloren.

Clemens August Graf von Galen hat Sie gefirmt - wie haben Sie den Löwen von Münster erlebt? Sie mussten ja auch noch Orgel spielen während des Firmgottesdienstes?

Rühl Begegnet war ich dem Bischof schon am Vortag in Wyler. Mein Vetter Johannes Ingenbleek sollte mit seinem Ponygespann dort die Koffer des Bischofs holen und hatte mich zur Begleitung mitgenommen. Da das Sakrament Firmung oft in aller Stille gespendet wird, war mein Gang zum Bischof kein Problem. Übrigens durfte ich erneut einen Firmgottesdienst spielen, als gut 72 Jahre später mit Dr. Felix Genn am 6. Sept. 2014 wieder der Diözesanbischof selber jungen Menschen das Sakrament spendete.

Sie haben auch schon mit gut 17 Jahren die Leitung des Kirchenchors Frasselt übernommen, zur 750 Jahrfeier in Kranenburg Bruckners Messe dirigiert - wie sehen sie die Entwicklung von Kirchenchören in der Zukunft?

Rühl Die Zahl der Gottesdienstbesucher wie der Geburten ist kleiner geworden, junge Menschen binden sich nicht so schnell. Möglich ist die Kooperation zweier Chöre, wie ich sie zwischen Kranenburg und St. Markus Bedburg unter Hermann Valentin (+ 1996) fast ein Jahrzehnt erfolgreich mitgestalten durfte.

Sie haben "Dienst" bei verschiedenen Pfarrern gemacht - wie blicken Sie auf die Geistlichen zurück, die sie begleitet haben?

Rühl Mit freudiger Erinnerung - das kam durchweg auf deren persönliche Einstellung zur Kirchenmusik an. Dass einer der acht Pfarrer nicht zu einem mehrfach erbetenen Gespräch bereit war und dazu noch Mitarbeiterrechte ignorierte, hätte ich von einem Priester nicht erwartet.

Es gab schon früh ein erstes Danke für den Organisten - bereits im Jahr 1941 bekamen Sie von Pfarrer Kück ein Buchgeschenk als Anerkennung für treue Dienste in der Kirche, unter Ihrer Leitung kamen zwei Chorlieder und das Finale mit 1976 auf die Langspielplatte zum Jubiläum "750 Jahre Kranenburg" - das waren bestimmt nicht die einzigen Höhepunkte im Organistenleben?

Rühl Eine Liedbegleitung auf der Klais-Orgel im Limburger Dom für Spätaussiedler, die bei der Führung keinen Organisten hatten und begeistert sangen - ich hatte mich der Gruppe zugesellt. Ferner ein kurzes Spiel auf der Rieger-Orgel im schlesischen Zülz, der Heimat meiner Frau. Denn diese Firma ließ sich in Vorarlberg nieder. Sie baute 1992 die neue Orgel in der Klever Propsteikirche und später auch die neue Domorgel in Essen.

Sie haben nicht nur Musik gemacht, Sie haben Musik - und hier vor allem geistliche Musik, in der Rheinischen Post viele Jahrzehnte lang rezensiert. Wo waren da die Höhepunkte als Musikkritiker?

Rühl Zunächst ein paar Orte: Xantener Dom, Eltener Stiftskirche, Propsteikirche und Christ-König in Kleve, Basilika Kevelaer, Maria Magdalena in Geldern und der Petersdom in Rom bei der Seligsprechung des "Löwen von Münster. In der Serie der Rheinischen Post "Niederrheinische Orgellandschaft" (zwischen Arnheim und Duisburg) in den Jahren von 1995 bis 1997 habe ich insgesamt 88 der genau 111 Orgeln besprochen.

Zum Abschluss: Als Organist begleitet man in erster Linie die Gemeinde, die bestimmte Lieder besonders gerne singt. Wenn Sie ins Gotteslob schauen, welches ist ihr Lieblingslied?

Rühl Unter mehreren: GL 96, besonders die Schlussstrophe. Es gibt allerdings auch Orgel-Ohrwürmer, die einen nicht loslassen. Da schätze ich vor allem die marianischen Liedvariationen des "Organistenmachers" Clemens Ingenhoven (1905-1982)in Düsseldorf, bei dem auch die beiden Klever Nachkriegsorganisten Hermann und Heinrich van den Boom studierten. Obenan stehen da für mich seine Bearbeitungen zu GL 865.

MATTHIAS GRASS STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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