Gabriele Obschernicat "Dieses Gesetz verhindert Fracking nicht"

Kleve · Während Bundesumweltministerin Barbara Hendricks dafür wirbt, Fracking und innovativen Techniken eine Chance zu geben, reagieren Gegner am Niederrhein. Sie halten den Gesetzentwurf für löchrig, fürchten intransparente Entscheidungen.

Gabriele Obschernicat: "Dieses Gesetz verhindert Fracking nicht"
Foto: NN

niederrhein Das Thema Erdgasförderung mittels Fracking wird wieder heiß, seitdem ein Gesetzentwurf der Bundesregierung auf dem Weg ist. Am Niederrhein ist das Thema gravierend, weil die Claims, die sich Förderunternehmen gesichert haben, große Teile der Kreise Wesel und Kleve umfassen. Besonders aufmerksam ist die Initiative gegen Gasbohren Hamminkeln. Die RP sprach mit Aktivistin Gabriele Obschernicat, die sich als profunde, unaufgeregte Kennerin der Problematik einen Namen gemacht hat.

Fracking unter Chemieeinsatz zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas in Gesteinsschichten rückt in den Fokus, nach dem der Gesetzentwurf der Bundesregierung bekannt wurde. Von einem totalen Frackingverbot ist keine Rede. Unterhalb von 3000 Meter soll Fracking in allen unkonventionellen Lagerstätten generell erlaubt werden. Im Sandstein soll diese Begrenzung jedoch gänzlich entfallen. Für die darüber liegenden Formationen im Schiefer oder Kohleflöz wird die Zustimmung einer Kommission einzuholen sein. Ihr Votum ist mitentscheidend für die Erlaubnis zur Förderung auch oberhalb der 3000-Meter-Grenze. Umweltministerin Barbara Hendricks aus Kleve hat die SPD in der Region angeschrieben, sie hielt es für nötig, den Kurs zu erklären, Fracking eingeschränkt zuzulassen (RP berichtete). Ist aus Sicht der Gegner das Glas nun halb voll oder halb leer?

 Am Niederrhein, wo sich Unternehmen große Claims gesichert haben, wehren sich die Menschen mit Initiativen gegen das Gasbohren.

Am Niederrhein, wo sich Unternehmen große Claims gesichert haben, wehren sich die Menschen mit Initiativen gegen das Gasbohren.

Foto: Archiv

Gabriele Obschernicat Nicht einmal halb voll, es fehlt noch viel. Barbara Hendricks schafft mit dem Entwurf gesetzliche Hürden, aber die sind zu nehmen. Die Grenzen sind brüchig, die Hürden sind viel zu niedrig. Allenfalls wird es die Vergabe von Bewilligungen verlangsamen, aber wohl nicht stoppen können. Aufsuchungserlaubnisse wurden in der Vergangenheit erteilt und unlängst verlängert. Werden Unternehmen fündig, so haben sie mit der Erteilung der Erlaubnis auch das Recht erworben, zu fördern.

Braucht man dann noch eine Expertenkommission, deren Unabhängigkeit von der Bundespolitik herausgestellt wird?

Obschernicat Sie soll wissenschaftlich beurteilen und entscheiden, ob der Einsatz der Fracking-Technik in den Lagerstätten unbedenklich ist oder auch nicht. Mitglieder der Kommission setzen sich zusammen aus drei Vertretern geologischer Institute, zwei Vertretern aus Umweltinstitutionen und einem Vertreter einer wissenschaftlichen Einrichtung. Die Kommission entscheidet mehrheitlich, das Votum hat jedoch keinen bindenden Charakter. Die letzte Entscheidung soll bei den Bergämtern und Wasserbehörden liegen, Letztere müssen eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilen. Bisher entschieden die Bergämter alleine. Letztendlich sind sie jedoch weiterhin federführend im Verfahren und zuständig für die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Der BUND sieht es so: Tatsächlich könnte die Kommission, da sie auf Bundesebene eingesetzt wird, entscheidungsmächtiger sein, als zuständige lokale Behörden und es diesen schwer machen, sich gegen dieses Votum zu stellen. Insofern würden legitimierte demokratische Institutionen und Prozesse, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz - und dies alles zu Lasten der betroffenen Bevölkerung und der Umwelt - unterlaufen. Die Kommission könnte eine Hintertür sein, um Fracking vorbei an zuständigen Behörden möglich zu machen. Das sollte Kommunen aufmerksam machen. Unsere Befürchtung ist, dass das alles nicht transparent abläuft, das Verfahren öffentlicher Wahrnehmung entzogen werden kann.

Es heißt in der Darstellung der Bundesumweltministerin klar, dass die unkonventionelle Gasförderung mit Chemikalien verhindert wird.

Obschernicat Das ist nicht ganz richtig. Um die Biozidbeimischung kommt man nicht herum. Wenn das fertige Gemisch nach der Wassergefährdungsklasse 1 eingestuft werden kann, bedeutet es nicht, dass humantoxische Stoffe völlig ausgeschlossen sind. Da müsste man den Beipackzettel lesen, wenn er denn zur Verfügung steht.

Dennoch soll laut Hendricks Fracking oberhalb der 3000-Meter-Grenze generell verboten sein. Das muss Ihnen doch gefallen.

Obschernicat Aufbrüche der Untergründe, Durchstoßen der Grundwasserschichten, Rissbildung im Gestein, Verpressung der Rückflüsse - da passiert viel oberhalb der Grenze. Es kann zu Verwerfungen kommen, zu Hebungen und Senkungen. Zeitnah oder erst in Jahren. Verpresste Rückflüsse und Lagerstättenwasser finden sich auch hier. Wirtschaftliche Aufarbeitung, die mit bedenkenloser Entsorgung einhergeht, ist bisher nicht im Angebot.

Was muss jetzt passieren?

Obschernicat Es sind viele technische Fragen nicht gelöst. In vielen Beiträgen wird vom Stand der Technik geredet, was heißt das? Wir Fracking-Gegner meinen, dass im Gesetzentwurf Hürden geschaffen wurden, die aber zu bewältigen sind. Die Expertenkommission kann durchaus für Fracking entscheiden, wenn die Ergebnisse aus ihrer Sicht stimmen. Wir halten den Gesetzentwurf für löchrig, er kann Fracking nicht verhindern. Wir bringen unsere Kritik nun an politisch wirksame Leute heran. Hier sind viele Kommunen, die skeptisch gegenüber Fracking sind. Die ausgebeuteten Felder fallen am Ende an die Kommunen und Kreise zurück, und die sitzen dann auf den Ergebnissen. Das kann weiträumig sein. Das Förderfeld Saxon 1 West betrifft die Kreise Wesel und Kleve weiträumig.

Was tut jetzt Ihre Initiative?

Obschernicat Wir sind gut beraten, die Dinge in Ruhe zu analysieren. Mit den Ergebnissen gehen wir dann an die Kommunen heran, pflegen die Kontakte zu Landtag und Bundestag, informieren die Öffentlichkeit. Wir analysieren, was im Gesetzentwurf fehlt und was nicht weit genug geht. Wir brauchen auch die Umweltverbände und ihr Engagement und Wissen. Wir sind mit dem Stand nicht zufrieden, mit diesem Entwurf lassen sich Gefahren nicht ausschließen. Die früheren Ausführungen von Barbara Hendricks zum Fracking waren klarer, das ist mit ihrem Schreiben an die SPD in der Region verlorengegangen.

THOMAS HESSE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort