Kalkar-Grieth Ein Rheinfischer im Dienst der Forscher

Kalkar-Grieth · Seit vergangener Woche fischt Rudi Hell aus Grieth mit seinem Aalschokker "Anita II" wieder Lachse aus dem Rhein.Der 76-Jährige liefert seit mehr als zehn Jahren für Forschungsprojekte Rheinfische an mehrere Universitäten.

 Mit bloßen Händen zieht Rudi Hell die Reuse aus dem Wasser – im Hintergrund der Aalschokker "Anita II"

Mit bloßen Händen zieht Rudi Hell die Reuse aus dem Wasser – im Hintergrund der Aalschokker "Anita II"

Foto: Stade

Rheinfischer zu sein, das hat in der Familie von Rudi Hell aus dem Kalkarer Ortsteil Grieth Tradition. Seit mehr als 300 Jahren fangen die Hells dort Fische. Noch in den 1940er Jahren, so weiß der 76-Jährige zu berichten, wurde der Strom für die Schifffahrt gesperrt, wenn die Fischer mit Zugnetzen zwischen Emmerich und Rees Lachse aus dem Rhein zogen. "In Grieth warteten dann schon Pferdefuhrwerke, mit denen der Fang — durch Eisstangen gekühlt — zum Bahnhof nach Till gefahren wurde. Mit dem Zug wurden die Fische dann nach Düsseldorf zum Fischhandel Maassen transportiert", berichtet Rudi Hell.

 Ein Teil des Fanges bereichert den Speiseplan der Familie Hell.

Ein Teil des Fanges bereichert den Speiseplan der Familie Hell.

Foto: Stade, Klaus-Dieter (kds)

Die Zeiten, da Rheinfischer mit dem Fang ihre Familien ernähren konnten, sind jedoch lange vorbei. Schon Rudi Hell selbst hat sein Geld als Schwimmbaggermeister in einer Kiesgrube verdient. Rheinfischer war er dennoch seit Kindesbeinen an. "Das ist einfach im Blut. Ohne geht es nicht", meint der Griether.

Seit Rudi Hell Rentner ist, ist die Fischerei auf dem Strom nicht mehr nur sein privates Vergnügen. Mit seinem Aalschokker "Anita II" — Baujahr 1934, komplett überholt 1995 — fängt der 76-Jährige Aale, Lachse, Gründel und andere Fischarten im Auftrag der Wissenschaft. Seine Fangergebnisse werden im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte ausgewertet. "An den Unis in Köln, Essen, Trier, Koblenz, Bonn und — ich weiß gar nicht, wo überall noch", meint Rudi Hell.

Seit der vergangenen Woche interessieren sich die Wissenschaftler im Rahmen des Wanderfischprogrammes NRW vor allem für die Lachse, die mit der Rheinströmung in das etwa 60 Quadratmeter große Netz schwimmen und letztlich in der Reuse des Aalschokkers "Anita II" landen.

Zumindest was den Zeitpunkt ihrer Wanderungen aus den Laichgebieten an der Sieg, Wupper oder Ahr rheinabwärts bis in den Nordatlantik betrifft, von wo aus sie etwa drei Jahre später wieder zurück an ihren "Geburtsort" kehren, ist Verlass. "Die ersten Lachse kommen jedes Jahr am 17. April. Es kann mal 'en Tag früher oder später sein — aber dann kommen sie mit Sicherheit", sagt Rudi Hell.

Und auch an diesem Morgen zappeln neben Aalen, Rotaugen, Rapfen und Döbeln — insgesamt bringen sie etwa 30 Kilo auf die Waage — zwei Lachse in der Reuse. "Die friere ich ein. Am Ende der Lachswanderung — so Anfang Juni — kommen die Wissenschaftler von der Landesfischereianstalt in Albaum im Sauerland, holen sie ab und werten sie aus", berichtet Rudi Hell und fügt hinzu, "Die Berichte dazu bekomme ich dann auch. Das ist ganz interessant, für Natur habe ich mich ja schon immer interessiert."

Seit mehr als einem Jahrzehnt fischt der Griether nun schon im Dienste der Forscher und hat so mit dazu beigetragen, eine ganze Reihe interessanter Fragen zu klären. Sind Donau- und Schwarzmeer-Gründel, die durch den Rhein-Donau-Kanal an den Niederrhein geschwommen und oft stark von Parasiten befallen sind, eine Gefahr für die Raubfische Zander und Hecht, die Gründel fressen? Liegen die Ursachen für das Schrumpfen des Aalbestandes im Rhein im Zustand des Stromes selbst oder spielen andere Faktoren wie die steigende Zahl von Kormoranen oder der extreme Aalfang in anderen Ländern wie Portugal, Spanien, Frankreich und England eine Rolle? Bresen hat Rudi Hell gefischt, weil Wissenschaftler die These prüfen wollten, dass die Laichfähigkeit der Fische gestört sei, da sich im Rhein Rückstände von Antibabypillen befänden.

Wie sehr "Vater Rhein" unter der Umweltverschmutzung zu leiden hat, sieht Rudi Hell jedes Mal, wenn er die Reuse an die Wasseroberfläche zieht. Tonnen an Müll — Plastiktüten, Pampers, Eimer, Flaschen — holt er so aus dem Strom. "Jetzt soll am Ufer ein Container aufgestellt werden, damit ich den Müll entsorgen kann", berichtet der Rheinfischer aus Leidenschaft.

Dennoch wirft der 76-Jährige nicht alle Fische aus der Reuse wieder zurück in den Strom. Einige werden auf dem Teller des Griethers landen. Besorgt um seine Gesundheit ist er deshalb nicht. Aal aus dem Rhein dürfe wegen der Dioxin-Belastung der Fische nicht verkauft werden, berichtet Rudi Hell. Dennoch ist Rhein-Aal eines seiner Lieblingsgerichte — seit Kindesbeinen an. Der Griether meint: "Wenn der Aal so schlimm belastet wäre, könnte es mich nicht mehr geben."

(RP/jco)
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