Niederrhein "Ein Wolf gehört nicht an den Niederrhein"

Niederrhein · Die Sichtung eines Wolfes nahe Haffen bereitet Schafhaltern Sorgen. In den sozialen Netzwerken kursieren schon Meldungen von gerissenen Tieren. In Haffen und Bislich gab es gestern vermehrten Publikumsverkehr in Deichnähe.

 Uwe Tenbergen, Schäfer aus Bislich, vor seiner Schafherde am Deich. Er fürchtet den Wolf.

Uwe Tenbergen, Schäfer aus Bislich, vor seiner Schafherde am Deich. Er fürchtet den Wolf.

Foto: Klaus Nikolei

Nach der Sichtung eines Wolfes am Niederrhein gibt es erste Meldungen über getötete Schafe und Rehe, deren Wahrheitsgehalt aber fraglich ist. Peter Malzbender, Nabu-Chef aus dem Kreis Wesel, will erfahren haben, dass im Reeser Bereich ein gerissenes Reh entdeckt worden ist. In Haffen soll, so wird in den sozialen Netzwerken berichtet, ein Schaf gerissen worden sein. Das Landesumweltamt teilte gestern mit, bisher keine Informationen über gerissene Tiere zu haben. Leo Rehm, Jäger vom Hegering Rees/Emmerich, sagt: "Ich habe auch Nachrichten per Whatsapp bekommen, aber damit muss man vorsichtig umgehen." Die Meldungen zeigen, wie groß die Sorge etwa bei den Schafhaltern ist. Peter Huppert ist Schäfer aus Haffen. 120 seiner Tiere laufen in Deichnähe. Auch er hat vom Fall eines gerissenen Schafes gehört. Seine Tiere seien aber nicht betroffen. "Dabei stand der Wolf nur 300 Meter von meinen Schafen entfernt."

Beim Landesumweltamt kennt man die Sorgen der Tierhalter. Sprecher Wilhelm Deitermann betont, dass seine Behörde das Vorkommen der Wolfspopulation wissenschaftlich auswertet, aber keine politische Bewertung vornehmen werde. Es gebe es keinen Anlass zur Sorge, dass dieser Wolf Menschen angreift. Über den weiteren Weg des Wolfes - die Tiere können 40 Kilometer am Tag zurücklegen - sei bisher nichts bekannt. "Er wurde nicht weiter gesichtet." Es sei nicht auszuschließen, dass der Wolf durch den Rhein geschwommen ist. "Es sind schlaue Tiere, sie können auch eine Brücke nehmen", sagt Deitermann. Dass der Haffener Wolf sich am Niederrhein ansiedelt, sei unwahrscheinlich. Überhaupt sei eine Ansiedlung in NRW wenig wahrscheinlich. Am ehesten würden sich noch der Nationalpark Eifel sowie die Grenze zu Niedersachsen im Bereich Großes Torfmoor eignen. Dort fände sich für das Tier ausreichend Wild.

Uwe Tenbergen, Schäfer aus Bislich, hat 250 Tiere am Deich laufen. Er kritisiert: "Ein Wolf gehört nicht an den Niederrhein. Das ist ein Raubtier, es gehört in den Zoo oder den Tierpark." Derzeit sind viele seiner Schafe im Stall, weil sie Lämmer bekommen haben. Aber bald verlassen sie den Stall. Wie wird Tenbergen seine Tiere schützen? "Manche empfehlen, einen zusätzlichen Stromzaun als Hindernis für den Wolf um eine Schafherde zu stellen. Aber das wird den Wolf am Ende auch nicht abschrecken." Schäfer Peter Huppertz merkt an, dass die Schafe vielerorts die einzigen Viehbestände seien, die noch draußen für die Landschaftspflege eingesetzt werden. "Die Kühe stehen ja oft nur noch im Stall."

In Haffen hatte Landwirt Christian Wellmann das Tier am Montag entdeckt. "Der Wolf ist Ortsgespräch." Am Montagabend seien viele Haffener zum Deich gelaufen. Gestern sei es dann wieder ruhiger gewesen. Wellmann selbst gab Interviews - auch TV-Teams kamen. Förster Peter Sprenger aus Aldekerk ist Wolfsbeauftragter am Niederrhein. Er hat die Spuren des Haffener Wolfes untersucht. Sprenger sucht nach Spuren, Kot, Urin und Haaren des Tieres. Per DNA-Abgleich kann dann festgestellt werden, welches Tier es ist, aus welcher Region es stammt. So gewinnt das Landesumweltamt einen Eindruck vom Wanderverhalten der Wölfe. Nabu-Chef Peter Malzbender vermutet, dass der jetzt bei Haffen gesichtete Wolf ein Rüde aus Brandenburg oder Polen ist. Übernachtet haben könnte er in Bislich. Ernährung würde er am Niederrhein nun genug finden. Seit den 20er Jahren habe es in der Region nie so viele Rehe gegeben. Menschen müssten den Wolf nicht fürchten, sagt auch Malzbender. "Der geht dem Menschen aus dem Weg."

Auch beim Mehrhooger Jens Holtkamp steht seit zwei Tagen das Telefon nicht mehr still. Als stellvertretender Vorsitzer der Schafzüchtervereinigung im Kreis Wesel ist er ein gefragter Mann. Der 38-Jährige nimmt das Thema ernst, kann aber über manche Nachrichten nur den Kopf schütteln. Dass etwa in Flüren am Lokal Waldschenke am Montagabend ein Wolf gesehen worden sein soll, macht Holtkamp stutzig. Über mögliche Verluste in seinem zurzeit rund 800 Tiere zählenden Bestand macht er sich auch keine Sorgen. "Wenn ein Wolf ein Schaf reißen sollte, dann ist das eben so. Viel schlimmer ist die Unruhe, die so ein Fall in der Herde auslöst", sagt Holtkamp und berichtet von seinem Weseler Kollegen Joachim Koop, der in der Dingdener Heide vor zwei Jahren Schafe durch einen Wolf verloren hatte. Das Erlebnis wirke immer noch in der Herde nach, man könne kaum einen Hund mit ihr arbeiten lassen.

Auch Schäfer Holtkamp stellt die Frage, was denn ein Wolf am Niederrhein überhaupt zu suchen habe." Das Wolf-Management sieht er skeptisch. Für NRW gibt es das nicht, in Ländern wie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern indes wohl. Dazu gehören Auflagen, die zum Beispiel die Höhe und Beschaffenheit von Zäunen oder den Einsatz spezieller Wachhunde vorschreiben.

Wenn Schäfer sich an die Bedingungen halten und trotzdem ein Wolf für Verluste sorgt, dann kann der Züchter entschädigt werden, sagt Holtkamp. Das sei natürlich mit Kosten und Aufwand verbunden. Holtkamp macht noch auf weitere Probleme aufmerksam. So könnten auch Rinder durch einen Wolf in Panik geraten, losstürmen und Verkehrsunfälle verursachen.

Jäger Leo Rehm appelliert an seine Mitstreiter besonnen mit dem Thema Wolf umzugehen: "Ich sehe keinen Grund dafür, dass wir Jäger uns für eine Bejagung des Tieres einsetzen sollten."

(RP)
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