Kleve Erst das Latinum, dann Seneca und Co.

Kleve · 23 Schüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums wollten nach dem Latinum nicht mit dem Latein-Lernen aufhören. Sie widmen sich der antiken Literatur nun bis zum Abitur. Direktor Westerhoff ließ sich von junger Lehrerin überzeugen.

Ob man's konnte oder nicht: Beinahe jeder war bisher wohl froh, wenn er die Jahre des Lateinlernens hinter sich hatte. Im Idealfall mit dem "Großen" Latinum, das heute nur noch ein Latinum ist. Freiwillig länger Vokabeln und Grammatikregeln dieser "toten" Sprache pauken, das wollten die wenigsten. In Kleve hat jetzt jedoch eine Gruppe Oberstufenschüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums (KAG) das Recht erstritten, dieses vermeintlich ungeliebte Fach bis zum Abitur weiter belegen zu dürfen. 23 junge Leute, die nicht verschrobener aussehen als ihre Altersgenossen, widmen drei Stunden in der Woche den Versen von Ovid, Seneca und anderen "alten Lateinern". Der berüchtigte "Gallische Krieg" (De bello Gallico), der für die meisten Schüler heute den Schlusspunkt unter ihre Latein-Erfahrungen setzt, liegt lange hinter ihnen.

"Schuld" an der Begeisterung für die Sprache ist Fachlehrerin Stefanie Birtel, die ihr Referendariat noch nicht lange hinter sich und Spaß an modernen Unterrichtsmethoden hat. In etwas höflicheren Worten sagt Direktor Heinz Bernd Westerhoff, sie sei ihm so lange auf den Wecker gegangen, bis er den Abitur-Kurs möglich gemacht habe. Denn die Schüler, von der jungen Pädagogin zum Latinum geführt, hatten danach einfach noch nicht genug. "Ich hatte zunächst die Idee, Latein und Geschichte vielleicht fächerübergreifend anzubieten, aber sie wollten mit Latein Punkte fürs Abitur sammeln", staunt Westerhoff. Er ließ sich überzeugen und geht davon aus, in zwei Jahren am KAG Abiturprüfungen in Latein zu erleben.

Warum heute überhaupt noch Latein lernen? Den Jugendlichen fallen Antworten darauf nicht schwer: "wichtig fürs Studium", "viele Ableitungen möglich" und "schönste Sprache der Welt" steht auf einem Plakat. Außerdem "macht Spaß" und "tolle Lehrerin".

Letztgenannte hat Direktor Westerhoff über eine gezielte Ausschreibung gefunden, denn jugendlich-frische Lateinlehrer sind nach allem, was man so hört, durchaus rar. Die Q 1 beschäftigt sich nun mit Ovids Liebesdichtung, seinen "Metamorphosen", der "Wahren Freundschaft" à la Seneca oder die Aeneis von Vergil.

Den Vokabelschatz, der für die Übersetzung nötig sei, habe sicherlich kein Schüler komplett drauf, und darauf komme es auch gar nicht an, erklärt die Lehrerin. Die Gruppe erarbeite sich die literarischen Texte gemeinsam - durchaus auch durch Vorarbeit in der Muttersprache.

Da hocken die Schüler dann schon mal beim Brainstorming auf dem Fußboden, denken über Versmaße und Rhythmen nach, lauschen dem Klang, den einige von ihnen wunderbar finden. Und freuen sich auf die Abschlussfahrt, die sie vermutlich nach Italien, ins "Nachfolgeland" des alten Rom, bringen wird. "Wir denken an Pompeii, Sorrent und eine Vesuv-Wanderung", erzählt Stefanie Birtel.

Schulleiter Heinz Bernd Westerhoff wiederum ist ein bisschen stolz, Klever Schülern mit dem Abiturkurs Latein etwas bieten zu können, was es eher selten gibt. "Vielleicht wäre das in Zukunft auch mal etwas für eine Kooperation der Klever Gymnasien", sinniert er. Schließlich könne man nicht davon ausgehen, in jedem Jahrgang begeisterte Oberstufen-Lateiner in Kursstärke zu finden.

Obwohl: Latein liegt wieder im Trend. Mehr als die Hälfte der KAG-Schüler wählt es als zweite Fremdsprache.

(RP)
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