Serie "Bauen & Wohnen" (7) Experimentierfeld für den Klimaschutz

Kleve · Die Stadt Geldern beschreitet mit ihrer entstehenden "Klimaschutzsiedlung" neue Wege. Sie vermarktet das Land selbst, behält alle Fäden in der Hand. Und sie macht die Siedlung zur "Lehrwerkstatt" für Bauherren und Handwerk.

 Zeigen sich hochzufrieden vorm energieeffizient errichteten Haus: Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser, Klimaschutzmanagerin Farah Oublal und Tim van Hees-Clanzett (von links). Die Kräne im Hintergrund arbeiten derweil daran, dass sich das Baugebiet weiter füllt.

Zeigen sich hochzufrieden vorm energieeffizient errichteten Haus: Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser, Klimaschutzmanagerin Farah Oublal und Tim van Hees-Clanzett (von links). Die Kräne im Hintergrund arbeiten derweil daran, dass sich das Baugebiet weiter füllt.

Foto: Seybert

Wenn Gelderns Klimaschutzsiedlung mal fertig ist, wird sie äußerlich nicht zu unterschieden sein von irgendeinem anderen Neubaugebiet. Aber was zählt, sind ja die inneren Werte. Und das, was man draus gelernt hat. Denn für die Stadt und die Firmen in der Region wurde das Areal zur "Lehrwerkstatt" fürs energieeffiziente Bauen.

Die "Klimaschutzsiedlung" umfasst etwa zwei Hektar innerhalb des viel größeren Baugebietes "Nierspark". Sie besteht aus rund 30 Grundstücken längs eines Straßenzuges, des "Netteweges". Von den 27 Parzellen für Einfamilienhäuser, vereinzelt auch Doppelhäuser, sind elf noch für Bauherren zu haben. Zehn Häuser stehen jetzt schon. Die ersten Familien sind eingezogen und erleben, wie "ihre" Siedlung um sie herum weiter wächst. Am Ende der Straße sind drei Mehrfamilienhäuser im Bau.

Das ganze läuft in einem Landesprogramm namens "100 Klimaschutzsiedlungen in NRW". Dessen Priorität liegt auf dem Einsparen von CO2. Vorgabe für Bauherren: "Insgesamt dürfen sie nicht mehr als maximal neun Kilogramm CO2 pro Quadratmeter des Gebäudes im Jahr produzieren", erklärt Tim van Hees-Clanzett von der Stadt Geldern, der das Projekt von Anfang an begleitet hat. Wie die Häuslebauer das anstellen, ist ihnen selbst überlassen. Sei es durch "Passivhaus"-Bauweise, mit dem "Drei-Liter-Haus", das wegen eines berechneten theoretischen Heizölverbrauchs so heißt, oder durch individuelle Lösungen bei Heizung, Warmwasserversorgung oder eigener Energieerzeugung.

Als "Lockmittel" verkauft die Stadt Geldern die Grundstücke in der Klimaschutzsiedlung für fünf Euro pro Quadratmeter weniger als diejenigen, die außerhalb liegen. In Sachen Vermarktung geht man in Geldern generell einen Sonderweg: Die Stadt selbst besaß zunächst alle Flächen im gesamten Neubaugebiet Nierspark und bringt sie in Eigenregie an den Mann.

"Das Vorgehen, dass die Stadt selber jedes einzelne Grundstück verkauft, ist eher selten", sagt Tim van Hees-Clanzett. Der Vorteil: "Wir haben das selbst in der Hand." Wie eine Siedlung mal aussieht, wie Bebauungspläne entstehen, wer die Bauherren sind, und, dass auch die weniger attraktiven Ecken gut betreut werden.

Über das Landesprogramm gibt es verschiedene Fördertöpfe für die privaten Investoren. Die Summen, die dabei herauskommen, sind allerdings - auf die Gesamtkosten für einen Neubau gerechnet - häufig nicht besonders hoch. Derzeit würde etwa ein Passivhaus mit 4700 Euro gefördert, dann gäbe es für eine Pellet-Heizung 2500 Euro, und so weiter. Damit es sich lohnt, müssen die Bauherren sich "ihre" Kombination bilden. Erste Rückmeldungen machen klar: Der vergleichsweise hohe bürokratische Aufwand für recht überschaubare Summen kann an den Nerven zerren.

Dafür ist die Lage des neuen Zuhauses in der Siedlung aber reizvoll. Tim van Hees-Clanzett beschreibt: "Auf der einen Seite die Innenstadt, auf der anderen Seite die Niersaue", also ein Naturraum. "Wir öffnen die Stadt zur Niersaue hin, holen das Grün, die Natur, die Umwelt in die Stadt hinein."

Für die Stadt ist die Siedlung ein imageförderndes Projekt. Einerseits wegen des Umweltschutzes, wie Klimaschutzmanagerin Farah Oublal erklärt: "Bis 2050 soll die Stadt klimaneutral sein."

Vor allem aber wegen der gesammelten Erfahrung. Denn: Der Fortschritt rennt, Häuser werden immer energiesparender errichtet, auch die gesetzlichen Vorgaben dazu werden immer strenger. Und mit Blick auf diese Entwicklung wurde das Gelderner Baugebiet zum "Gesellenstück" für Stadt und ansässige Unternehmerschaft.

Am Beispiel der Gelderner Klimaschutzsiedlung gab es Schulungen der Handwerkskammer und der Architektenkammer. Es gab Bauherrenseminare, und Gelderner Passivhäuser dienten als Material für Lehrvideos. "Das ist sonst noch nirgendwo so gemacht worden, das ist deutschlandweit das erste Mal", sagt van Hees-Clanzett und fügt hinzu: "Wenn die gesetzlichen Regelungen eh irgendwann kommen, ist es gut, wenn unsere Handwerker und Unternehmen sich darauf vorbereiten können."

(RP)
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