Bedburg-Hau Freiheit in der Kirche

Bedburg-Hau · Am morgigen Sonntag eröffnet die Ausstellung "In Front of Behind" im Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau – dem ArToll-Kunstlabor. Es ist eine spannende Ausstellung, die von den Installationen der internationalen Künstler lebt, von ihrem Rauschen und Hämmern, ihrem Klackern.

 Jacqueline Hanssen schuf eine Chimäre, die während der Ausstellung auf verschiednen Stühlen sitzt.

Jacqueline Hanssen schuf eine Chimäre, die während der Ausstellung auf verschiednen Stühlen sitzt.

Foto: Klaus Stade

Am morgigen Sonntag eröffnet die Ausstellung "In Front of Behind" im Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau — dem ArToll-Kunstlabor. Es ist eine spannende Ausstellung, die von den Installationen der internationalen Künstler lebt, von ihrem Rauschen und Hämmern, ihrem Klackern.

 In der Klinikkirche eine Gemeinschaftsarbeit von Elaine Vis, Guda Koster und Mathijs Muller.

In der Klinikkirche eine Gemeinschaftsarbeit von Elaine Vis, Guda Koster und Mathijs Muller.

Foto: Stade, Klaus-Dieter

Dieser Plastikstuhl ist aus Bronze. Bleischwer und wertvoll vom Material — hässlich in der Optik. Man hat sofort jene billige immer schmutzig-weiße Stuhl-Sessel-Massenware für die Terrasse vor Augen. "Das ist der Thron der Demokratie", sagt Herman Steins. Es sei eben das Paradoxe, dass man meine, der Demokrat sitze auf einem Plastikstuhl — wobei dessen wirkliches Material aber doch viel wertvoller sei, als der Thronstuhl des absolutistischen Herrschers auf der anderen Seite des Raumes. Dieser Sessel ist plüschiges Rokoko und hätte auf der Waagschale keine Chance gegen den vermeintlichen Plastiksessel der Demokratie.

Steins wohnt seit über 30 Jahren in Paris und spricht die Worte ohne "H". Über diesen Sesseln schweben luftig leichte Stoff-Gebilde wie Lampenschirme, die Dessous als Muster tragen — und ebenfalls vom Absolutismus in die Demokratie weisen sollen. Steins ist einer von 26 Künstlern, die jetzt im Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau, dem ArToll-Kunstlabor, letzte Hand an ihren Einrichtungen zur Ausstellung "In Front of Behind" anlegen. Am Sonntag, 12. August, 15 Uhr, wird "In Front of Behind" von Kleves Museumsdirektor Prof. Harald Kunde eröffnet, die Schirmherrschaft hat der Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, Prof. Dr. Jürgen Wilhelm.

Der Pariser Steins ist der westlichste Teilnehmer, Grigory Berstein aus Moskau sein östliches Gegenüber. Der Moskowiter Berstein, der seit rund zehn Jahren in Köln lebt, hat eine Wand mit großen, ockerfarbigen Zeichnungen belegt. Menschen tummeln sich darauf wie Touristen im Wasser — und sehen doch irgendwie verzweifelt aus. "Das ist ja auch die Sintflut, die sie umspült. Das haben eben nur noch nicht alle verstanden", sagt der Russe. Ein bisschen Sintflut wird dabei auch der Besucher verspüren, denn das bräunliche Wasser auf den Bahnen wird auch dessen Füße umspülen, Berstein hat sie bis auf den Boden verlegt, kurz vor die Stühle. Darauf stehen Kartons mit gelangweilten Gesichtern. Selbst Bilder der Sintflut machten angesichts der Sintflut der Nachrichten gleichgültig, meint Berstein.

Ulrike Panhorst lebt in Trondheim direkt am Meer und liest die "Philosophie der Freiheit" von Rudolf Steiner. Von der Lektüre lässt sie sich elf Tage lang in den Räumen zu zarten, manchmal auch Schrift bestimmten Zeichnungen inspirieren, die zu Gruppen angeordnet Steiners Ideen durch den Raum raunen. Ihr Credo, ganz nach Steiner: "Ich bin ein Teil der Welt".

Die Londonerin Sian-Kate Mooney ließ sich nicht vom Olympia-Hype beeindrucken: Sie sei trotz Olympia hier in der Klinik überhaupt nicht am falschen Ort zur falschen Zeit. Sie sei Künstlerin und freue sich über den Austausch und den Ort. In einem kleinen Zimmer hat sie aus Decken und einem schweren Netz ein Pferd installiert, das auf eine Ponderosa schaut.

Es ist eine spannende Ausstellung, die von den Installationen lebt, vom Rauschen und Hämmern der Videos, die Hildegard Weber in ein verwirrend filigranes Geäst stellte, vom Klackern der Telefonvermittlung aus den 1970er Jahren, die Ulli Rödder in drei Räumen einrichtete. Dini Thomsen erinnert mit Bildern an versteckte und vergessene Menschen aus dem Dritten Reich. Weil die Klinik 100 Jahre alt wird, bekommen die Künstler mehr Raum: In der Klinikkirche haben Elaine Vis, Guda Koster und Mathijs Muller das "Paradies 2.0" eingerichtet. Da wird nicht nur die Freiheit buchstabiert (auf den Kirchenbänken), sondern auch die Verbindung zwischen Himmel und Erde neu verkabelt.

(RP/ac)
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