Kleve Für zehn Tage Kleverin

Kleve · Claudia Vespermann kommt mit ihren Fahrgeschäften seit 30 Jahren zur Klever Kirmes. Dieses Jahr mit Breakdancer und viel Technik. Unser Autor hat sie einen Vormittag lang auf dem Volksfest begleitet - und ein bisschen mit angepackt.

 Claudia Vespermann (43) sitzt im Kassenhäuschen ihres Fahrgeschäftes. Zuhause ist sie, wo sich der Breakdancer gerade befindet, sagt die Bremerin.

Claudia Vespermann (43) sitzt im Kassenhäuschen ihres Fahrgeschäftes. Zuhause ist sie, wo sich der Breakdancer gerade befindet, sagt die Bremerin.

Foto: Van Offern

Die Nacht für Claudia Vespermann war mal wieder kurz. Schon am Vormittag, lange bevor die ersten Geschäfte auf der Klever Kirmes öffnen und Besucher auf den Platz strömen, ist die 43-Jährige unterwegs. Ihr gehört der Breakdancer No. 2, einer der größten Attraktionen auf der Kirmes. Wer glaubt, der Tag beginnt für die Schausteller und ihre Mitarbeiter erst bei Öffnung der Kirmes, der irrt. Geschäftig wird das Karussell gereinigt, während Claudia Vespermann sich um Finanzen, Genehmigungen und die sonstige Verwaltung kümmert.

Auch unter dem Fahrgeschäft, dort wo sonst kein Besucher hinkommt, ist einiges los. Überall liegen Kabel, sind Motoren und Gewinde zu sehen. Letztere müssen an jedem Morgen neu mit zähem Fett bestrichen werden. Schließlich, so sagt Vespermann, soll ab dem Mittag alles ohne zu stocken laufen. Montiert ist das Herzstück der Anlage auf einem Lkw-Auflieger, der mit hydraulischen Stützen gesichert auf dem leicht abschüssigen Platz steht. "Insgesamt 42 Tonnen wiegt dieser Aufbau. Gezogen wird er von einer 15 Tonnen schweren Zugmaschine", sagt Vespermann.

Und das erweist sich nicht selten als Problem. Denn für jede Fahrt zu einem neuen Standort benötigt die Schaustellerin eine Sondergenehmigung. "Deshalb planen wir die Strecken schon weit im Voraus. Meist können wir nicht den direkten Weg nehmen, sondern müssen große Umwege fahren", sagt sie. Wegen der Größe des Schwertransporters könne das Karussell beispielsweise auch nicht auf Festen in engen Innenstädten aufgestellt werden. Für den Aufbau sorgen sechs fest angestellte Mitarbeiter. Drei bis vier Tage benötigen sie meist dafür. Um das gesamte Fahrgeschäft zu transportieren, sind sechs Transporter nötig. Übernachtet wird in einem Wohnwagen.

 Unser Autor Maximilian Krone mit Claudia Vespermann bei der Arbeit.

Unser Autor Maximilian Krone mit Claudia Vespermann bei der Arbeit.

Foto: van Offern Markus

Damit oberhalb des Technikbereichs so richtig Stimmung aufkommt, wird Strom benötigt - viel Strom. Während der Klever Kirmes verbraucht der Breakdancer so viel Strom wie drei Einfamilienhäuser im Jahr. Dafür ist ein 350-KilowattAnschluss nötig. Rund fünf Kilometer Kabel verteilen den Strom dann an viele tausend Lampen, Lautsprecher und natürlich an die Motoren.

Und das nun schon seit 30 Jahren. Damals ließ Claudia Vespermanns Mutter das Geschäft eigens von einer Fachfirma bauen. "Sie hat dafür 3,5 Millionen Euro bezahlt", sagt sie. Das Geld dafür hatte sie aber nicht. "Die Familie hat daher fast alles, was sie besaß, als Sicherheit bei der Bank hinterlegt", sagt Vespermann.

Inzwischen hat sich das Geld natürlich wieder eingespielt. Es sei aber nicht so, dass der Breakdancer nun nur noch eine sprudelnde Einnahmequelle sei. "Was viele vergessen ist, dass so ein Fahrgeschäft auch gewartet werden muss", sagt die 43-Jährige. Erst kürzlich habe sie 1700 neue Glühbirnen bestellt, wichtige Ersatzteile wie Gondeln oder Motoren lagern in Bremen, wo die Familie Vespermann wohnt. Dazu kämen Kosten für die allgemeine Wartung, Personal, Strom und Sprit - zusammen eine fünfstellige Summe allein für die Klever Kirmes. Das erklärt laut Vespermann auch die in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegenen Preise. "Eigentlich müssten wir statt 3,50 Euro vier Euro pro Fahrt verlangen, damit es sich wirklich lohnt, aber das wollen wir erstmal noch nicht", sagt die Schaustellerin.

Claudia Vespermann selbst bezeichnet sich als Vollblut-Schaustellerin. Sie ist nun schon in fünfter Generation auf den Jahrmärkten der Republik unterwegs. Ihr Mann Andreas, der ebenfalls aus einer Schaustellerfamilie stammt, sogar schon in der sechsten Generation. Bis auf ein paar Wochen im Frühjahr, ist das Ehepaar nicht zu Hause. Der Begriff sei sowieso relativ, ihr Zuhause sei immer dort, wo gerade das Karussell stünde. "Wenn ich in Kleve bin, bin ich zehn Tage Kleverin", sagt Vespermann. Inzwischen sind auch die beiden 20- und 21-jährigen Söhne Teil des Unternehmens. Auf die Mutter mussten sie während ihrer Kindheit allerdings oft verzichten. "Wir standen irgendwann vor der Frage, ob wir ihnen die bestmögliche Bildung ermöglichen oder sie mitnehmen sollen", sagt Vespermann. Sie entschieden sich für ersteres. Die Söhne machten Abitur und eine Lehre in Bremen, gehütet wurden sie bis zur zehnten Klasse von einem Hausmädchen.

An Generationenwechsel sei aber noch nicht zu denken, sagt die 43-Jährige. "Die beiden müssen das Ganze noch ein bisschen begleiten, bis sie alleine fahren können." In die Zukunft blickt die Schaustellerin mit gemischten Gefühlen. Denn der Trend sei klar: "Die Einnahmen sind noch zufriedenstellend, die Ausgaben nicht", sagt Vespermann. "Der Breakdancer ist meine Altersabsicherung. Wenn es dort nicht läuft, bleibt nicht viel übrig", sagt sie. Nicht selten habe sie daher bereits über ein Ende als Schaustellerin nachgedacht, besonders, wenn die Nacht mal wieder kurz und die Fahrt mit dem Transporter mal wieder lang und anstrengend gewesen sei. "Nach kurzer Zeit fange ich mich dann aber wieder, schaue mir mein Fahrgeschäft an und denke, dass ich hier genau richtig bin", sagt Claudia Vespermann.

(maxk)
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