Kleve Fußballvereinen fehlt der Nachwuchs

Kleve · Mit der Frage: "Stirbt mitten in der EM der Fußball auf dem Dorf?" beschäftigten sich die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland. Gründe für Optimismus gibt es nur wenige.

 Christoph Thyssen, Lutz Stermann, Hans Geurts, Helmut Vehreschild, Reiner Albers (vorne, v.l.), Matthias Grass und Marc Cattelaens (hinten. v.r.).

Christoph Thyssen, Lutz Stermann, Hans Geurts, Helmut Vehreschild, Reiner Albers (vorne, v.l.), Matthias Grass und Marc Cattelaens (hinten. v.r.).

Foto: Evers

Der Tod der kleinen Vereine auf dem Land kommt schleichend. Der SV Keeken ist mit seinen weit über 600 Mitgliedern zwar einer der größten Vereine im Kleverland. Doch davon, eine eigene Jugendfußballmannschaft stellen zu können, ist der fast 90 Jahre alte Klub weit entfernt. Im Jugendbereich hat sich der SV Keeken mit dem SV Rindern, dem SV Donsbrüggen und dem FC Vorwärts Schenkenschanz zusammengetan, um genug Spieler für die Mannschaften zu haben; demnächst soll noch BV/DJK Kellen hinzukommen. "Irgendwann ist der Tag X da. Dann haben wir nicht mehr genügend Kinder für den Spielbetrieb", sagt Reiner Albers, der Vorstandsvorsitzende des SV Nordwacht Keeken. "Früher war man ein Außenseiter, wenn man als Jugendlicher kein Fußball spielte. Heute ist es fast schon anders herum", stellt der Vereinsvorsitzende fest.

Helmut Vehreschild, Sportredakteur der Rheinischen Post in Kleve, beobachtet das Phänomen, dass es immer weniger aktive Fußballspieler gibt, schon seit Jahren. "Immer mehr Vereine müssen fusionieren. Traditionell starke Vereine wie der SV Griethausen spielen heute in der Kreisliga C, weil sie nicht mehr genügend Spieler haben", sagt Vehreschild. Er macht unter anderem die Tatsache, dass in den Dörfern keine Neubaugebiete mehr ausgewiesen werden, dafür verantwortlich.

Lutz Stermann, der Vorsitzende des Kreissportbunds Kleve, kennt noch weitere Gründe für das Dilemma. "Es gibt einen demografischen Wandel - wir haben einfach weniger Kinder", sagt Stermann. Außerdem verbrächten die Jugendlichen mehr Zeit in der Schule als früher. "Das geht ja teilweise bis 17 Uhr. Da bleibt keine Zeit mehr, um auch noch Fußball zu spielen", betont der Funktionär. Zudem hat er Erstaunliches festgestellt: "17 Prozent der Kinder sind adipös, krankhaft stark übergewichtig. Viele sind ungelenk, haben Muskelschwächen", sagt Stermann. Diese Entwicklung mache ihm "unheimlich Angst". "Wir haben die Mannschaften im Jugendbereich ja schon von elf auf sieben reduziert, trotzdem haben wir einen erheblichen Rückgang bei den Mannschaften", betont der Kreissportbundvorsitzende.

Christoph Thyssen, Vorsitzender des 1. FC Kleve, bestätigt die Einschätzung Stermanns: "Einige Kinder in den Bambini-Mannschaften können nicht mal über eine Stange springen. Die üppigen Stundenpläne sind auch ein Problem. Viele Bolzplätze werden kaum noch genutzt, weil die Jugendlichen so lange in der Schule sind."

Hans Geurts, ehemaliger Bürgermeister in Bedburg-Hau und langjähriger Sportler, ist sich sicher, dass viel Jugendliche heute andere Interessen als Sport hätten. "Wir hatten ja früher nicht mehr als die Vereine. Heute ist das Freizeitangebot riesig, deswegen schrumpfen die Vereine", sagt Geurts. Vereinsvorstände und auch Lehrer müssten die Eltern motivieren, sich im Verein zu engagieren und ihre Kinder zum Sporttreiben anzuhalten. "Sport ist ja auch Prophylaxe. Wenn wir nicht gegensteuern, wachsen uns die Krankheitskosten über den Kopf", sagt Geurts. Andererseits fehlt ihm die Anerkennung des Ehrenamts und sportlicher Leistungen. "Die Politik müsste da viel aufmerksamer sein und engagierte Vereinsmitglieder sowie gute Sportler regelmäßig ehren", fordert Geurts.

Einen Hoffnungsschimmer in der ganzen Misere gibt es: "Die Fußball-Europameisterschaft bringt uns bei den Bambini-Mannschaften richtig Zulauf", sagt Christoph Thyssen. Er hofft, dass der nachhaltig ist.

(RP)
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