Niederrhein "Geofort" - was Holland aus Wasser macht

Niederrhein · Im Gelderland und der Betuwe war die Neue Holländische Wasserlinie eine Festung gegen die Bedrohung, die vom Land kam. Heute können Familien bei einem Ausflug viel über die strategische Bedeutung von Wasser lernen.

/ NIEDERLANDE Wer aus der Vogelperspektive auf die Niederlande schaut, wird feststellen, dass fast die Hälfte des Landes aus Wasser besteht. Und dabei ist der Küstenbereich der Nordsee noch nicht mitgerechnet. Binnenmeere und Seen dehnen sich vom Westen aus bis mitten ins Land hinein, große Flüsse durchqueren das Staatsgebiet in alle Richtungen. Der Wasserreichtum bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Und ließ die Holländer zu außerordentlich kreativen Wasserbauern werden. Wo heute Menschen in Poldergebieten wohnen, dehnten sich vor 50 oder 100 Jahren noch Wasserflächen aus. Andernorts musste Land weichen, damit sich zum Beispiel der Riesenhafen Rotterdam weiter ausdehnen konnte. Die Eindämmung des Rheins als Gegenmittel zu Überflutungen ist für Niederländer ebenso wie für Niederrheiner Dauerthema.

Mit dem Wasser zu leben und zu arbeiten ist für die Niederländer nicht erst heutzutage alltäglich. Vor 200 Jahren fiel der Start zur Neuen Holländischen Wasserlinie, was weder mit Handel, noch mit Landgewinnung oder Hochwasserschutz zu tun hatte. Das Wasser diente vielmehr lange Zeit auch als Schutz vor Feinden. Und zwar nicht vor denjenigen, die vielleicht über die offene See hätten kommen können, sondern vor denen, die den Landweg wählten, um die reichen niederländischen Städte im Westen anzufallen. Denen wurde der Weg wie anderswo in Europa auch oftmals durch Festungen verwehrt, wo immer das möglich war, nutzten die praktischen Holländer jedoch ihr Wasser. Ausflügler können sich heute in friedlichen Zeiten eine große Anzahl öffentlich zugänglicher Forts und Wasserbauten ansehen. Viele haben inzwischen eine völlig andere Nutzung, sind zu Restaurants, Ferienwohnungen oder Freizeitparks mit pädagogischem Mehrwert geworden.

Die Neue Holländische Wasserlinie liegt mitten in der Betuwe, zum Teil im Gelderland. Ein Stück westlich von Nimwegen ist der südliche Bereich der Verteidigungslinie zu finden. Fort Pannerden am gleichnamigen Kanal zum Beispiel gehört dazu und dient als Museum und Informationszentrum. Als die Festung 1870 in Betrieb ging, hatte sie die Aufgabe, Rhein und Waal zu bewachen und darauf zu achten, dass Feinde nicht etwa den Rhein aufstauten, wodurch die Wasserlinie hätte trocken fallen können. Denn weite Flächen des Gebiets konnten durch die aufeinander abgestimmten Dämme und Schleusen unter Wasser gesetzt werden, um ein Vordringen von Aggressoren zu verhindern. Seit Angreifer auch aus der Luft agieren können, hat die Wasserlinie ihre Bedeutung verloren. Schon im Ersten Weltkrieg spielte sie nur noch eine geringe Rolle. Geblieben sind Anlagen, die sich heute sehr unauffällig in die Landschaft einfügen und von denen man wissen muss, um sie zu finden. Das lohnt sich oft, denn die historischen Verteidigungseinrichtungen machen die regionale Geschichte anschaulich.

Besonders besuchenswert ist "Geofort", ein Themenpark inmitten von Natur und Festungsmauern. Vermittelt wird in diesem Fall weniger Historie, vielmehr geht es um die Bereiche Kartografie und Navigation sowie um andere Bereiche, die mit "Geowissenschaften" umschrieben werden können. Geofort liegt nicht weit von Tiel bei Geldermalsen und ist ein lohnendes Wochenendziel, vom Kreis Kleve aus leicht zu erreichen. Dank "Fledermausgarten", Labyrinth und Spielplatz finden auch kleinere Kinder ihr Vergnügen. Ältere werden durch Experimente und Selbsterfahrung viel lernen. Bildungsprogramme sind übrigens auch für Schulklassen verfügbar - wie auch in vielen der übrigens etwa 60 anderen Festungen zwischen Muiden im Norden und Pannerden im Süden. Geofort dürfte bei Kindern wegen seiner "modernen" Ausrichtung besonders gut ankommen. Wobei die alten Seefahrer wissen, dass Ortung und Navigation wahrlich keine neuzeitlichen Fähigkeiten sind. Auch die Tiere kennen sich da aus. In Geofort wird das anhand eines lichtlosen Gangs durch die Kasematten, eines Fledermausgartens oder auf der Suche nach dem Brutplatz der Lachse anschaulich gemacht. Durch Drehen am 4D-Globus reisen Besucher Millionen Jahre in der Zeit zurück und zoomen vom eigenen Körper bis zur entferntesten Stelle im Universum. Besonders Aufregend: In einem der Bunker ist ein "Aufzug" untergebracht, der die Mitfahrer scheinbar in den Mittelpunkt der Erde mitnimmt. Ruckelnd saust die Plattform viele tausend Meter in die Tiefe, vorbei an verschiedensten Erdschichten bis hinein in die Magma-Glut - so hat es jedenfalls den Anschein.

Einen Aufzug gab's übrigens schon vor langer Zeit: damals für die Kanonenkugeln, die benötigt wurden, um das System von Schleusen und Wällen im Land zwischen den Flüssen zu verteidigen. Das frei stehende "Fort bij de Nieuwe Steeg", wie Geofort früher hieß, konnte von zwei Seiten von Angreifern unter Feuer genommen werden. Deshalb beherbergt das Fort eine granatensichere Kaserne. Diese besteht aus zwei hohen Gebäuden mit direkt gegenüberstehenden Giebeln.

Von der Kaserne aus können die angrenzenden Gebäude durch unterirdische Gänge erreicht werden. Auf dem Gelände befinden sich noch diverse Lagerräume und Remisen. In mehreren sind Restaurant, Café, Lehr- und Seminarräume untergebracht.

Mehr Infos unter www.geofort.nl, www.hollandsewaterlinie.nl" und www.dasandereholland.nl".

(RP)
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