Kleve Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

Kleve · Sie werden attackiert, beleidigt, bespuckt, getreten oder geschlagen – landesweit und im Kreis Kleve nehmen die Aggressionen gegenüber Beamten zu. Die Gewerkschaft fordert mehr Rückhalt durch die Verantwortlichen.

Kleve: Gewalt gegen Polizisten nimmt zu
Foto: nn

Sie werden attackiert, beleidigt, bespuckt, getreten oder geschlagen — landesweit und im Kreis Kleve nehmen die Aggressionen gegenüber Beamten zu. Die Gewerkschaft fordert mehr Rückhalt durch die Verantwortlichen.

Der alte Hooligan-Kalauer "Das Wetter ist schlecht, die Steine fliegen tief", stammt aus einer Zeit, in der kaum ein Bundesligaspiel ohne handfeste Auseindersetzung stattfand. Doch ist die Zeit, in denen sich Polizeibeamte regelmäßig um teilweise aktenkundige Fußball-Anhänger kümmern müssen, keineswegs Geschichte. Einer, der weiß wie es ist, zwischen die Fronten auf Hass eingestellter Gruppen zu geraten, ist Frank Schneiders (48). Er war bei zahlreichen Spielen dabei. So etwa beim Duell Niederlande gegen England bei der EM-Vorrunde 1988 in Düsseldorf. "Da ging's ordentlich zur Sache", erinnert sich Schneiders. Auch aufgrund seiner Erfahrungen, die er als Polizist im täglichen Geschäft gemacht hat, versucht er jetzt als Gewerkschaftsvorsitzender der Kreisgruppe Kleve etwas an der Situation für seine Kollegen zu verbessern. Denn im Kreis Kleve steigt die Gewalt gegenüber den Beamten deutlich an.

Im vergangenen Jahr hat es in NRW 7072 Übergriffe auf Polizisten gegeben, noch einmal fast 500 mehr als 2012. Auch die Zahl der Gesetzeshüter, die während des Dienstes attackiert, beleidigt, getreten oder geschlagen wurden, ist 2013 erneut gestiegen — auf 11780. Die landesweite Entwicklung lasse sich auf den Kreis Kleve übertragen, so Schneiders, der sagt: "Der Großteil der Angriffe findet bei Routineeinsätzen wie Festnahmen, Personen- und Verkehrskontrollen oder Einsätzen wegen Ruhestörung statt."

Auch Schneiders hat, neben den Fußballspielen, im Dienst Erfahrungen mit Gewaltbereiten gemacht. Als er eine Treppe in einem Wohnblock hochkam, um einen Familienstreit zu schlichten, wurde ein Fernseher auf ihn geworfen. Schneiders konnte ausweichen. Ein Kollege von ihm kam nicht so glimpflich davon. Uwe Breuer (51)* ist seit fünf Jahren dienstunfähig. Bei einem Einsatz im Nordkreis wurde er so schwer verletzt, dass er noch heute Schmerzen hat. Ein Kollege und Breuer hatten einen Mann auf der Straße gesehen, der drei Jahre im Gefängnis gesessen hatte, seit einem halben Jahr auf Bewährung raus war und in den sechs Monaten beachtliche 50 Straftaten begangen hatte. Nach einer Verfolgungsfahrt stellten die Beamten den mit Haftbefehl Gesuchten vor einer Ampel. Breuer stellte sich vor das Fahrzeug und zog seine Pistole, der mutmaßliche Verbrecher gab zunächst Gas, der 51-Jährige landete auf der Motorhaube. Anschließend wollte der Ex-Sträfling fliehen. Breuer erwischte ihn, fiel zu Boden. Der Vorbestrafte trat auf seinen Unterschenkel, der schräg über Bürgersteig und Straße lag. Alles, was man sich dabei ab dem Knie abwärts brechen oder absplittern kann, wurde zertrümmert: Waden- und Schienbein gesplittert, Fußgelenk gebrochen, Bänder gerissen...

Doch sind es nicht nur die extremen Fälle, die Frank Schneiders Sorgen bereiten. "Uns wird ins Gesicht gespuckt, wir werden angerempelt, selbst bei Unfällen, wenn wir eine Straße absperren müssen, werden wir angepöbelt. Erst vor einigen Wochen ist ein Kollege gebissen worden. Hinzu kommt — die Dunkelziffer ist wesentlich höher, denn lange nicht alle Kollegen melden die Vorfälle und stellen einen Strafantrag. "Nach dem Motto 'Das bringt ohnehin nichts'", sagt Schneiders. Für den Gewerkschafter steht fest, dass es nicht der Job der Beamten ist, ihren Kopf hinzuhalten. Dafür würde man auch zu schlecht bezahlt, so der 48-Jährige. Nach seinen Informationen vergeht kein Tag, an dem nicht ein Polizist im Kreis angegriffen oder angepöbelt wird.

Ein weiteres Problem, das sich für die Beamten aufgrund des Flächenkreises Kleve ergibt, sind die großen Entfernungen zwischen den Einsatzorten. "Wenn Unterstützung angefordert wird, so wartet man in der Regel sehr lange, bis die Kollegen eintreffen", weiß Frank Schneiders. Deshalb sei auch die Reduzierung der Personalstärke im Kreis der falsche Weg. Bislang fehlen laut Stellenplan 25 Beamte, bis 2021 werden 50 Stellen eingespart sein. Der Gewerkschafter fordert, dass sich die Verantwortlichen stärker vor seine Kollegen stellen müssen.

Ein Grund, warum die Gewalt gegenüber Polizisten zunimmt, ist laut Schneiders auch in der sich verändernden Gesellschaft zu sehen. Der 48-Jährige erklärt: "Die steigende Respektlosigkeit nimmt nicht nur uns gegenüber zu, nur wird sie hier besonders deutlich, da wir täglich Kontakt zu den Bürgern haben", sagt der 48-Jährige. Ein Beispiel ist, auch wenn es sich dabei lediglich um einen Bagatelldelikt handelt, das Mitfahren auf dem Gepäckträger eines Fahrrads. Schneiders sagt: "Hätte man früher einen Polizisten gesehen, wäre man sofort abgesprungen. Heute werden die Kollegen ausgelacht, wenn sie darauf hinweisen."

* Name wurde geändert.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort