Kreis Kleve Gewaltopfer bleiben immer länger im Frauenhaus

Kreis Kleve · Die Nachfrage nach Schutzräumen für Gewaltopfer reißt nicht ab: Auch im vergangenen Jahr nahmen sich die Mitarbeiterinnen des Klever Frauenhauses wieder 46 Frauen und 50 Kindern an. Das waren zwar einige weniger als im Jahr davor, aber nur deshalb, weil die Verweildauer im Haus zunimmt und deshalb bei Anfragen manchmal kein Platz zur Verfügung gestellt werden kann. Dann müssen die Hilfesuchenden in ein anderes Frauenhaus vermittelt werden. Awo-Geschäftsführerin Marion Kurth, die Leiterin des Hauses Andrea Hermanns und Kollegin Nina Buil informierten über die Entwicklung.

Seit 1982 gibt es in Kleve ein Frauenhaus, das für Gewaltopfer zuständig ist. Seitdem haben sich 2119 Frauen mit 2416 Kindern den Sozialpädagoginnen anvertraut. Sie kommen unter in insgesamt acht Zimmern mit 20 Betten - Mütter und Kinder müssen sich mit einem Raum begnügen. "Es ist eine Notunterkunft, keine Frage", sagt Marion Kurth. Immerhin seien die Wohnverhältnisse nach dem Umzug etwas angenehmer geworden. Ohne Not komme allerdings wohl niemand, so die Fachfrau. Wohnungsnot alleine reiche nicht aus - es muss ein Gewaltproblem vorliegen.

Das erfuhren im vergangenen Jahr 46 Frauen, von denen rund die Hälfte zwischen 26 und 40 Jahre alt war, 15 waren jünger (ab 19), sieben älter (bis 60). 26 Kinder waren bis fünf Jahre alt, 21 zwischen sechs und 14, drei waren über 14 Jahre alt. "Für schulpflichtige Kinder ist die Situation ganz besonders schwierig", stellt Marion Kurth fest. Weg von zuhause, eine neue Schule, die Freunde nicht verfügbar, draußen Spielen nur unter Aufsicht. "Und bei einigen besteht auch der Wunsch, den Vater zu sehen", erzählt Andrea Hermanns. Also den, der in der Mehrzahl der Fälle Anlass für die Flucht ins Frauenhaus ist. Mit Hilfe der Erzieherin im Hause werde versucht, Kontakte zu ermöglichen - sofern das zu verantworten sei. Natürlich nicht im Frauenhaus, denn das ist ein anonymer Schutzraum.

Dass einige Frauen ein halbes Jahr oder länger in der Notunterkunft bleiben, wo sie nicht nur Aufnahme und Versorgung, sondern auch Beratung finden, liege daran, dass kaum günstige Kleinwohnungen auf dem Markt zu finden seien. Zurück zum Partner könnten oder wollten nur wenige Gewaltopfer, ab und zu stünde die eheliche Wohnung zur Verfügung, wenn der Mann dieser verwiesen worden sei. Meist soll es für den Neuanfang aber die eigene Wohnung sein - ein Problem. Zumal häufig auch Migrantinnen ohne eigenes Geld und fast ohne Deutschkenntnisse betroffen seien. Aus Polen, Griechenland, Afghanistan, Kosovo, Iran, Irak, Ukraine, China und Russland kamen 19 Frauen, 27 waren deutscher Nationalität.

Immer ein Problem: die Finanzierung der Einrichtung. Knapp die Hälfte der jährlichen Kosten in Höhe von 275. 000 Euro für Gebäude und Gehälter trägt das Land, der Kreis gibt pro Person und Tag 32 Euro. Wäre das Haus zu 100 Prozent belegt, wären die Kosten gedeckt. Man kann aber nicht planen, wie viele Kinder mitgebracht werden, und aus jedem nicht belegten Bett entsteht ein Defizit. 27. 000 Euro betrug es 2015; zum Ausgleich müssen Spenden gewonnen werden.

Dankbar ist das Frauenhaus-Team übrigens den zwölf Ehrenamtlerinnen, die eine 24-Stunden-Rufbereitschaft gewährleisten.

(RP)
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