Kreis Kleve Häusliche Gewalt wird öfter angezeigt

Kreis Kleve · Die Zahl der Wohnungsverweise und Anzeigen wegen häuslicher Gewalt im Kreis ist gestiegen. Grund ist, dass Menschen aufmerksamer werden und häufiger Übergriffe melden, sagt Opferschutzbeauftragter Johannes Meurs.

 V.l.: Andrea Hermanns (Frauenhaus), Maria Peeters (Impuls), Gleichstellungsbeauftragte Monika van Heek, Oberstaatsanwalt Günter Neifer, Hildegard Wolff (Impuls), Opferschutzbeauftragter Johannes Meurs u. Gerd Engler (ZoZ).

V.l.: Andrea Hermanns (Frauenhaus), Maria Peeters (Impuls), Gleichstellungsbeauftragte Monika van Heek, Oberstaatsanwalt Günter Neifer, Hildegard Wolff (Impuls), Opferschutzbeauftragter Johannes Meurs u. Gerd Engler (ZoZ).

Foto: Stade

191 Wohnungsverweise wurden im vergangenen Jahr im Kreis Kleve ausgesprochen. 263 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt gingen bei der Polizei ein. Die Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: 2012 wurden 175 Personen der Wohnung verwiesen und 250 Anzeigen gestellt.

Der Anstieg bedeute jedoch nicht zwangsläufig, dass auch die Gewalt mehr geworden sei, meint der Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde, Johannes Meurs. "Es melden sich einfach mehr Menschen", sagt er, "weil sie aufmerksamer werden und auch in ihrem indirekten Umfeld häusliche Gewalt gegen Frauen wahrnehmen." Gemeinsam mit den Institutionen im Kreis Kleve, die bei häuslicher Gewalt involviert sind, möchte er eine neue Zielgruppe in den Fokus rücken: die Kinder der misshandelten Frauen.

Wenn sich eine Frau von ihrem Mann wegen häuslicher Gewalt trennen möchte, hat sie zunächst zwei Möglichkeiten: Sie kann direkt bei der Polizei eine Anzeige stellen oder sie wendet sich zunächst an das Frauenhaus der Awo oder die Frauenberatungsstelle Impuls. Beide Einrichtungen bieten Beratungen an, die Awo nimmt gepeinigte Frauen und ihre Kinder in ihrem Haus auf und bietet ihnen so direkten Schutz vor weiterer Gewalt. "Bei einer Anzeige werden wir von der Polizei informiert und bemühen uns sofort darum, mit der Frau Kontakt aufzunehmen", sagt Impuls-Mitarbeiterin Hildegard Wolff.

Am liebsten würde das Team der Frauenberatungsstelle präventive Maßnahmen anbieten und beispielsweise in Schulen und anderen Einrichtungen schon frühzeitig informieren. "Kinder kriegen es nämlich sehr gut mit, ob bei ihnen zuhause eine gewalttätige Atmosphäre herrscht", meint Andrea Hermanns, Leiterin des Awo-Frauenhauses. Die Hemmschwelle gewalttätiges Verhalten zu melden müsse sinken, damit Opfer häuslicher Gewalt auch Unterstützung in Anspruch nehmen und sich helfen lassen würden. Meist seien die Frauen jahrelang erniedrigt worden und in einem desolaten psychischen Zustand, sagt Maria Peeters von Impuls. "Sie müssen ihr Selbstbewusstsein erst mühsam wiedererlangen."

Ist es zur Anzeige gekommen, landet der Fall im Kreis auf dem Schreibtisch von Oberstaatsanwalt Günter Neifer. Mit dem Stempel "hG" für häusliche Gewalt ist die Akte gekennzeichnet. Das Knifflige an der Thematik ist für den Oberstaatsanwalt: "Wir verfolgen dann keine Straftaten, wie wir es normalerweise tun, sondern versuchen weitere zu verhindern", sagt er. Dabei besitzt er ein für die Peiniger schmackhaftes Instrument: die Verfahrenseinstellung gegen Auflage. Konkret bedeutet das: Nehmen die Männer etwa an einer Therapie, einem Alkoholentzug oder einem Anti-Gewalt-Seminar teil, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen sie einstellen. "Das ist auch im Interesse der Frauen", meint Günter Neifer.

An diesem Punkt kommt Gerd Engler ins Spiel. Er leitet die Beratungsstellen für Suchtfragen des Caritasverbandes Kleve und ist Vorstandsvorsitzender des Fördervereins "Zukunft ohne Zoff" (ZoZ). Bei ihm landen die Männer, die bereit sind, sich zu ändern. Einmal in der Woche treffen sie sich in der Gruppe, es gibt Einzelgespräche und Sitzungen gemeinsam mit der Frau. "Wer dem nicht zustimmt, bekommt keine positive Rückmeldung, und das Verfahren wird nicht eingestellt", erklärt Gerd Engler.

Er sieht ein "krasses Missverhältnis" zwischen der Zahl der Täter, die zu ihm kommen und dem tatsächlichen Aufkommen an Gewalt. Ein großes Problem sei außerdem, dass viele Täter Migranten seien und kein Deutsch sprechen könnten. "Die müssen wir abweisen, weil wir keine Übersetzer haben", sagt er.

Seit knapp zehn Jahren arbeiten die Institutionen zur häuslichen Gewalt im Kreis zusammen. Vier Runde Tische haben sie in dieser Zeit initiiert, und sie organisieren regelmäßig Fachtagungen. Bei der nächsten soll die häusliche Gewalt im Bezug auf Kinder thematisiert werden. "Wir müssen sie neben den Frauen bewusst als Opfer wahrnehmen", sagt Gerd Engler.

(RP)
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