Kleve Haus im Moor: Beuys und die Architektur

Kleve · "Beuys und die Architektur. Perspektiven und Akzente" heißt ein Buch des Philosophen, Kunsthistorikers und Beuys-Spezialisten Prof. Dr. Wolfgang Zumdick, das parallel zur Ausstellung in Moyland erschien, die noch im März zu sehen ist.

 Diese Beuys-Zeichnung aus dem Jahr 1967 trägt den Arbeitstitel "braune Häusert im Moor" und erinnert an Pfahlbauten.

Diese Beuys-Zeichnung aus dem Jahr 1967 trägt den Arbeitstitel "braune Häusert im Moor" und erinnert an Pfahlbauten.

Foto: buch

Vom Aufbau seiner Heimatstadt nach dem Krieg hatte Beuys keine hohe Meinung — das sei nur wieder aufgerichteter Schutt, soll er in den späten 1970er Jahren in der Fußgängerzone der Stadt gesagt haben. Er hielt wohl nicht viel von der Planung der Stadt unmittelbar nach Kriegsende.

 Beuys: Oben der Elch, unten eine Häuserzeile (1981).

Beuys: Oben der Elch, unten eine Häuserzeile (1981).

Foto: NN

Dass Beuys sich tatsächlich mit Häuser- und Städtebau auseinandersetzte, damit beschäftigt sich neben der Moyländer Ausstellung "Geschnatter unterhalb der Hütte" innerhalb der "Kunst.Bewegt.04"-Präsentation vor allem der zeitgleich erschienene Band "Beuys und die Architektur. Perspektiven und Akzente" des Philosophen, Kunsthistorikers und Beuys-Spezialisten Prof. Dr. Wolfgang Zumdick.

 "Vor der Hütte" titelt die Zeichnung von 1951.

"Vor der Hütte" titelt die Zeichnung von 1951.

Foto: NN

"In seiner kürzlich erschienenen Publikation stellt der Autor bisher unveröffentlichte Forschungen zu Überlegungen und Gesprächen von Joseph Beuys im Zusammenhang mit einem konkreten Architekturprojekt vor", sagt Dr. Barbara Strieder vom Museum Schloss Moyland. Zelt und Hütte als frühe Formen von Behausungen stehen für nomadische oder sesshafte Lebensformen, erklärt Strieder. Es sind jene Zelte oder Hütten, die man aus den Zeichnungen der Sammlung im Schloss kennt.

Beuys hat sich aber auch mit konkreten Bauvorhaben auseinandergesetzt, wie Zumdick in seinem reich bebilderten Band nachweist. Im Spätherbst 2009 hatte er vom Beuys-Nachlass ein Manuskript über ein Architekturprojekt am Bodensee bekommen — ein eng mit Maschine getipptes Gesprächsprotokoll. Nach intensiven Recherchen fand Zumdick heraus, dass es sich um eine Wohn- und Arbeitssiedlung im Umkreis des Achberger Humboldthauses handelte und hinter den Planungen der 1976 verstorbene Architekt Erich Zimmer stand. Optisch scheinen diese Planungen von Architekturideen nach Rudolf Steiner beeinflusst. Im Nachlass Zimmers fand Zumdick dann weitere Gesprächsnotizen. "Es war eine kleine Sensation", schreibt Zimmer im Vorwort. Denn die Texte lassen eine Rekonstruktion der Gedanken zu, die Beuys sich 1975 konkret über Architektur gemacht hatte: "Ganz im Geist der Ökologie- und alternativen Architekurszene der siebziger und frühen achtziger Jahre konzipierte er hier ein Siedlungskonzept, das (...) größtmögliche Offenheit und Variabilität zeigt", sagt Zumdick.

Es war die Zeit, als die Architektur nach neuen Formen suchte, die auf eine Siedlungs- und Arbeitsgemeinschaft ausgerichtet war: mit Gemeinschaftshöfen und -räumen. Bei Beuys wird später in den großen Installationen aus den 1980er Jahren der Städtebau zur sozialen Plastik — wie beispielsweise bei 7000 Eichen in Kassel, als Beuys postulierte: Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung.

Zum Hintergrund zu den anthroposophischen Ideen Rudolf Steiners: Das internationale Achberger Kulturzentrum wehrt sich in einer Schrift gegen versteckte Vorwürfe des Beuys-Biografen Riedel. Man könne nicht mit Verweis auf angebliches völkisches Gedankengut bei Steiner Achberg in die rechte Ecke rücken, heißt es.

In den Achberger-Architekturgesprächen wehrte sich Beuys gegen zu großen Formenreichtum ebenso, wie er es ablehnte, dem ganzen einen Stil zu überstülpen, ohne zuvor die Form des Inhaltes geklärt zu haben. Während der Gespräche geht der Bildhauer hart mit der aus seiner Sicht viel zu formenreichen Architektursprache ins Gericht. Es sei ein wichtiges Kriterium von einer Arbeit, von Architektur, "dass man nicht alles Mögliche anhäufen kann: Kupfer, Blech, Klinker, Naturstein, Holz, Schmiedeeisen", wie er später formulierte. Im Verlauf der Diskussion verfasst Beuys auch Skizzen, die Zumdick abdruckt.

Eine dieser Haus-Skizzen aus dem Gespräch findet sich später in seiner Zeichnung "Junger Elch über dem Haus des alten Müllers" von 1981, eine andere auf der Zeichnung "Sternbild des Bären" aus dem gleichen Jahr. Beide sind im Katalogteil des Bandes abgedruckt. Letztlich drängt Beuys — mit Blick auf die Mittel und die Größe des Projektes — auf einfache, serielle Formen.

Zumdicks Fazit über Beuys Anliegen: "Verteidigung der Natur — und dies auch durch eine Architektur, die mit organischen Materialien wie Kalk, Lehm, Holz oder Stroh arbeitet".

(RP)
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