"Haus Manier" in Kalkar Die Tränen des Bordellchefs

Kleve/Kalkar · Im Verfahren gegen einen Kalkarer Sexclub-Besitzer haben am Dienstag Frauen ausgesagt, die in dem Etablissement arbeiteten. Nach fünf Stunden Verhandlung zeigte Bordellbesitzer Jürgen R. Gefühle.

 Der angeklagte Bordell-Betreiber an einem früheren Prozesstag mit seinen Verteidigern.

Der angeklagte Bordell-Betreiber an einem früheren Prozesstag mit seinen Verteidigern.

Foto: Stade

Vor dem Gefühlsausbruch standen die Prostituierten im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstags. Sechs Damen, die in dem Bordell "Haus Manier" gearbeitet hatten oder immer noch ihre Dienste anbieten, waren als Zeuginnen geladen. Zwei von ihnen waren schließlich auf der Schwanenburg erschienen.

Darunter war eine 31-jährige Polin, die seit einigen Jahren nicht mehr in dem Betrieb arbeitet. Sie war aus London angereist, wo sie jetzt als Putzfrau in einem Krankenhaus tätig ist. Die Frau schilderte unter anderem, wie das Leben in dem Freudenhaus ablief. "Wir mussten an der Theke warten, der Kunde kam und hat sich eine ausgesucht", sagt die 31-Jährige.

Die finanzielle Situation war offenbar zumindest vor einigen Jahren eine auskömmliche. So erklärte die Polin, dass sie im Monat 3000 Euro verdient hätte. Später seien es 2000 Euro gewesen. Da Steuern in diesem Geschäftsmodell nicht vorgesehen waren, handelt es sich um Nettobeträge. Alles, was die Frauen neben dem "normalen Service" an zusätzlichen Leistungen lieferten, wurde extra abgerechnet. Dieses Geld durften die Prostituierten behalten.

"Ich hatte mich verliebt"

Von Bedeutung für die Anklage war unter anderem, ob die Damen des Hauses selbst die Preise festlegen konnten. "Nein, die hat allein der Chef bestimmt. Eine Stunde kostete 150 Euro", sagt die 31-Jährige. Dies erklärten übereinstimmend auch andere Angestellte. Demnach wäre der Angeklagte als Arbeitgeber einzustufen. Er hätte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Abgaben entrichten müssen. Auf die Frage von Richter Christian Henckel, warum die Polin das Etablissement denn verlassen hätte, antwortet diese: "Ich hatte mich verliebt."

Die zweite Frau, die am Dienstag vor der großen Strafkammer aussagte, arbeitet aktuell noch in dem Bordell. Sie ist 36 Jahre alt und kommt aus Riga. Seit 2011 arbeitet sie für Jürgen R. und hatte zuvor reichlich Erfahrungen im Rotlichtmilieu gesammelt.

Über den Kalkarer Erotikclub sagt sie: "Ich habe für verschiedene Chefs gearbeitet. Für mich ist das 'Haus Manier' die beste Arbeitsstelle. Die Atmosphäre ist gut, und hier gibt es nicht so viel Konkurrenz wie in anderen Clubs. Alle Mädchen kommen immer wieder zurück, weil das Betriebsklima stimmt."

Die Preise seien ebenfalls in Ordnung. "In anderen Häusern habe ich weniger verdient", so die Lettin. Probleme hatte sie, ihren monatlichen Verdienst zu nennen. Der sei in den vergangenen Jahren gesunken. Ein Grund dafür ist, dass immer mehr Frauen in dem Gewerbe tätig sind und somit der Verteilungskampf zugenommen hat.

Nach den Zeugenvernehmungen wurde noch abgerechnet. Es ging um die Summen, die Jürgen R. hinterzogen haben soll. Nach Ansicht des Klever Staatsanwalts Hendrik Timmer liegt der von ihm verursachte Gesamtschaden bei 619.897 Euro. Richter Henkel kam bei seiner Rechnung auf etwa 540.000 Euro an hinterzogenen Steuern und fehlenden Sozialversicherungsbeiträgen. Ab einer halben Million Euro nicht gezahlter Abgaben kommt man nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs nur schwer an eine bewährungsfähige Strafe vorbei.

Der Anwalt von Jürgen R. hatte bereits am ersten Verhandlungstag erklärt, dass sein Mandant der Anklage nicht entgegenstehe. Auf der Suche, wie der 70-Jährige zumindest einen Teil der im Raum stehenden Summen begleichen könnte, brachte Henkel das Grundstück mit dem darauf stehenden Bordell ins Spiel und bemerkte: "Sie haben da ja ein wahnsinnig wertvolles Grundstück." Denn belastet ist die Fläche an der Bundesstraße 57 mit 125.000 durch die Ehefrau, 130.000 Euro stammen von der Staatsanwaltschaft sowie 890.340 Euro von der Techniker Krankenkasse. Weitere Eintragungen in nicht unerheblicher Höhe hat die Finanzverwaltung vornehmen lassen. Der Angeklagte schätzt den Wert seines Objekts auf 200.000 bis 250.000 Euro.

Derzeit läuft der Betrieb im "Haus Manier" noch. "Im Moment ist es für mich schwierig aufzuhören. Ich muss Heizung, Licht und Wasser bezahlen", sagt der 70-Jährige, kurz bevor wird die Situation seiner Frau geschildert. Er weint. Am Ende der Verhandlung wird das bittere Schicksal des Mannes offenbar. Ein Schicksal, von denen es etliche in seinem Etablissement gab und gibt.

(jan)
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