Kleve Anwalt kümmert sich um Hund, während Herrchen in U-Haft sitzt

Kleve · Wer im Gefängnis landet, wird von jetzt auf gleich aus dem Alltag gerissen. Da bleibt vieles zurück - auch Haustiere. Der Anwalt Karl Haas aus Kleve kümmert sich um Hund Sammy, während sein Herrchen in U-Haft sitzt. Normal ist das nicht.

 Kümmert sich um Sammy während das Herrchen in Haft sitzt: Anwalt Dr. Karl Haas.

Kümmert sich um Sammy während das Herrchen in Haft sitzt: Anwalt Dr. Karl Haas.

Foto: Evers, Gottfried

Als die Polizisten die Wohnungstür öffnen, kläfft Sammy sie an. Der Hund kann noch nicht ahnen, dass er bald ganz woanders liegen wird. Nämlich unter diesem weißen Schreibtisch von Karl Haas, nicht weit von der Klever Schwanenburg. Der Schäferhund-Mischling mit den Schlappohren ruht dort jetzt selig auf dem Büroteppich. Es ist fast so, als wäre Sammy schon immer da gewesen. Dabei sollte der Hund eigentlich bei seinem Herrchen sein - doch das sitzt in Untersuchungshaft.

Wer im Gefängnis landet, der mag vielleicht gewusst haben, dass das passieren kann - doch vorbereitet ist er meistens nicht. Rechnungen wollen bezahlt werden, Oma sitzt im Seniorenheim und macht sich Sorgen, weil der allabendliche Anruf nicht kommt, oder - wie im Fall von Sammy - der Hund wartet zuhause auf sein Herrchen.

In der Justizvollzugsanstalt Kleve kümmert sich der Sozialdienst um die neuen Häftlinge. "Wenn man in Haft kommt, bricht von jetzt auf gleich alles weg", weiß Georg Rütgens, der den Sozialdienst leitet. Persönliche Gegenstände werden den Häftlingen abgenommen, das Handy ist weg und die Tür nach draußen hat keine Klinke. "Man ist vollkommen auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen", sagt Rütgens.

So geht es auch Sammys Herrchen. Er sitzt wegen eines Drogendeliktes in Untersuchungshaft in der JVA Kleve. Doch er hatte Glück: Als Pflichtverteidiger wurde ihm Anwalt Karl Haas zugeteilt. "Sammys Herrchen machte beim ersten Treffen einen traurigen Eindruck", erinnert sich Haas. Der Anwalt fragte nach und erfuhr von der Sorge um den Hund. Ein Schäferhund-Mischling, um genau zu sein.

Haas, der in seiner Studienzeit selbst Schäferhunde hatte, wurde hellhörig. Vorsichtig fragte er nach, was denn das für ein Hund sei und ob er gut mit anderen Tieren könnte - denn Haas und seine Frau haben eine Katze und einen Zwergspitz. "Ich will mich ja nicht aufdrängen", sagte der Anwalt zu seinem Mandanten nach dem Gespräch, "aber ich könnte mich solange um den Hund kümmern, wie sie hier einsitzen." Noch am selben Tag unterschreibt der Mandant eine Vollmacht, mit der Haas den Hund aus dem Tierheim holen kann, in das Sammy gebracht wurde.

Denn einfach mit in die Zelle einziehen, das dürfen Tiere nicht. Wer in Haft kommt, wird vom Sozialdienst unter anderem gefragt, ob man Haustiere hat. "Dann wird der örtliche Tierschutzbund beauftragt, das Tier zu holen", erklärt Rütgens. In die Wohnung dürfen die Tierschützer nur mit einer Vollmacht des Häftlings. Wenn sich keine Verwandten um das Tier kümmern können, kommt es meist ins Tierheim. Oft bedeutet das für die Häftlinge, dass sie ihre Tiere nicht wiedersehen. Denn die Unterbringung im Tierheim kostet mit jedem Tag mehr Geld, "und es kann bis zu sechs Monaten dauern, bis es zu einem Prozess kommt", sagt Rütgens. Zumindest einen Teil des Geldes müssten die Häftlinge bezahlen, ansonsten würde versucht, das Tier zu vermitteln.

Vier Tage war Sammy in dem Tierheim in Witten. 50 Euro für die Tagessätze plus 7,50 Euro Verwaltungskosten zahlte Haas, um den Hund auszulösen. "Der sprang mannshoch, weil er sich so gefreut hat", sagt Haas. Die beiden gehen eine Stunde im Wald spazieren, dann hat Sammy sich beruhigt. Kurz vorher hatte Haas bei einem Bekannten eine Hundehaftpflichtversicherung per Whatsapp abgeschlossen, "weil es ja quasi ein Notfall war." Und im Hundefachgeschäft war er auch. "Ich habe mich mit allen möglichen Utensilien eingedeckt, für so einen großen Hund hatte ich ja nichts", sagt er. Seine Frau wurde natürlich auch gefragt, ob er den Hund nehmen solle. "Sie meinte, das täte mir wohl ganz gut", sagt er und schmunzelt. Jetzt steht er um sechs Uhr auf und geht eine Stunde mit Sammy spazieren.

Dann kommt Sammy für ein paar Stunden mit in die Kanzlei. "Als Anwalt muss ich schon mal Angehörige trösten, jetzt eben auch einen Hund", sagt Haas. Er rechnet damit, dass das Herrchen von Sammy in wenigen Wochen aus der U-Haft entlassen wird. Und wenn es doch länger dauert? "Ich würde Sammy auch über Monate halten. Ich habe ihn ins Herz geschlossen."

(mre)
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