Kleve Hilferufe in der Warteschleife

Kleve · Regelmäßig wird über die ärztliche Notfallversorgung am Wochenende geklagt. Allein die Suche nach dem diensthabenden Arzt kann dauern. Patienten klagen über Wartezeiten an der Hotline von mehr als 30 Minuten.

 Immer wieder berichten Menschen im Kleverland davon, wie lange sie in der Notfall-Hotline festgesteckt sind.

Immer wieder berichten Menschen im Kleverland davon, wie lange sie in der Notfall-Hotline festgesteckt sind.

Foto: MVO

KLEVE Als der Vater am Samstagvormittag von den Einkäufen nach Hause kommt, findet er seine Tochter zusammengekauert auf dem Boden liegend. Sie hat Regelschmerzen. Die Beschwerden treten ständig auf, doch diesmal sind sie qualvoll. Die 15-Jährige hat schon zwei Schmerztabletten eingenommen, die ohne Wirkung blieben. Die Unterleibskrämpfe werden immer stärker, es bleibt nur der Weg zum Notdienst. Doch bevor sie dort ankommt, vergehen Stunden.

Schon an den Namen des zuständigen Arztes zu kommen, ist eine Herausforderung. Erfahren kann man diesen unter der bundesweiten Notrufnummer 116 117. Zehn Minuten in der Warteschleife vergehen, bevor der Vater aufgibt. Er ruft im Krankenhaus an, um dort zu erfahren, welcher Mediziner Dienst hat. Auch hier erfolglos. Die Dame am Telefon erklärt, man wisse selbst nicht, wer zuständig sei: "Wir probieren auch schon mehr als eine Stunde unter der Rufnummer jemanden zu erreichen."

Der Vater ist mit seinem Kind auf dem Weg zum Krankenhaus, als sich nach 30 Minuten Wartezeit am anderen Ende der Hotline doch noch jemand meldet. Die Mitarbeiterin des Call-Centers erklärt, es sei viel zu tun, deshalb dauere es so lange, außerdem sei man unterbesetzt. Positiv ist, dass ein Gynäkologe Bereitschaftsdienst hat. Doch die Hoffnung auf schnelle Hilfe ist von kurzer Dauer. Acht Patienten säßen noch in seinem Wartezimmer, danach müsse er zu Hausbesuchen, 19.30 Uhr wäre eine gute Zeit, erklärt der Facharzt am Telefon. Auf den Hinweis, die Schmerzen seien aber akut, entgegnete der Doktor, andere würden schon viel länger warten. Für die 15-Jährige, die sich weiterhin vor Beschwerden krümmt, bleibt nur das Krankenhaus als Ausweg.

Nicht selten haben plötzlich erkrankte Patienten Probleme, schnell zu erfahren, wer für die Notfallversorgung zuständig ist. Ein Kalkarer machte diese Erfahrung auch. Plötzlich wurde der Mann an einem Samstagabend von einer Cluster-Migräne befallen. Kopfschmerz, Übelkeit, starkes Erbrechen sorgten bei ihm für Angstzustände. Er war nicht mehr in der Lage, Auto zu fahren. 27 Minuten musste er warten, bis er unter der Rufnummer 116 117 einen Ansprechpartner hatte. Zusammen mit der Wartezeit am Telefon war der Arzt nach drei Stunden bei ihm. In seinem Bekanntenkreis hätte es schon etliche gleich gelagerte Fälle gegeben. Für ihn ist das ganze System kaputt gespart worden.

Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) kann derartig lange Wartezeiten nicht bestätigen. In der Arztrufzentrale Duisburg kommen die Anrufe an. Dort säße Personal mit einem medizinischen Hintergrund, das natürlich in Stoßzeiten nicht jedes Gespräch sofort entgegennehmen könne. Das führe schon mal zu Wartezeiten.

Seit 2014 ist der ambulante Notdienst unter der Hotline erreichbar. In manchen Regionen würde zusätzlich noch die Nummer der diensthabenden Praxis veröffentlicht, so der Sprecher. Im Kreis Kleve sei das nicht der Fall. In acht Bereiche ist der Kreis unterteilt, in denen jeweils ein Mediziner die Notversorgung sicherstellt.

Unterschiedlich ist auch, in welchen Regionen Fachärzte außerhalb der Sprechstundenzeiten Notfälle behandeln. Es gebe keine Verpflichtung der Fachärzte, einen Notfalldienst anzubieten, dies geschehe auf freiwilliger Basis, erklärt der KVNO-Mitarbeiter. So sei im Kreis Kleve etwa kein HNO-Arzt und kein Kinderarzt am Wochenende im Einsatz. Einen augenärztlicher Notdienst gäbe es in Kooperation mit dem Kreis Wesel .

Vielen Patienten bleibt angesichts von Wartezeiten und eines eher übersichtlichen Versorgungsangebots häufig nur die Notaufnahme der Krankenhäuser. Die haben rund um die Uhr geöffnet und sind an einem festen Standort. Den ärztlichen Bereitschaftsdienst müssen Erkrankte dagegen erst ausfindig machen.

Doch wollen die Kliniken die aktuelle Situation nicht länger hinnehmen. "Die Organisation der Notfallversorgung ist reformbedürftig. Es gibt strikte Vorgaben, was wir behandeln dürfen und was nicht. Die Ambulanzen sind mitunter übervoll, weil zu uns Patienten kommen, die sich eigentlich an den hausärztlichen Notdienst wenden müssten", sagt Christian Weßels, Sprecher des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums.

Die Notfallversorgung würde durch die Krankenhäuser sichergestellt, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Dadurch fahre man erbliche finanzielle Verluste ein. Das sei nicht länger akzeptabel, so die DKG.

Für viele Patienten steht jedoch fest, dass sich die Notfallversorgung verbessern muss. Besser heißt aber meistens auch teurer.

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(jan)
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