Kreis Kleve Junge Mütter werden fit für Ausbildung

Kreis Kleve · Wer ein Kind erzieht oder einen Angehörigen pflegt, hat weniger Zeit als andere junge Leute. Ihnen macht ein SOS-Projekt ein Angebot: "Teilzeit-Ausbildung". Es werden noch Arbeitgeber gesucht, die auf die Stärken der Frauen setzen.

 Aleksandra Wieczorek, die Trainerin Susann Kersten und Naja Smaak (von links) sichten Bewerbungsunterlagen.

Aleksandra Wieczorek, die Trainerin Susann Kersten und Naja Smaak (von links) sichten Bewerbungsunterlagen.

Foto: Gottfried Evers

Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Organisationstalent muss ihnen kein Arbeitgeber mehr beibringen. Als Mütter von Kleinkindern sind Aleksandra und Naja es gewohnt, früh aufzustehen, Termine einzuhalten und spontan auf die Herausforderungen des Alltags zu reagieren. Damit bringen sie einiges mit, was nicht jeder junge Auszubildende nachweisen kann. Aber ihre "Zusatzqualifikation" ist zugleich das Problem der jungen Frauen: Als Mütter trauen sich potenzielle Chefs nicht, ihnen einen Ausbildungsvertrag zu geben. Dabei sind die beiden, ebenso wie einige weitere Teilnehmerinnen des Projekts Teilzeitausbildung, hochmotiviert.

Susann Kersten vom SOS Kinderdorf leitet die Gruppe, in der junge Leute, die bisher keine Lehrstelle gefunden haben, sich auf Bewerbungen und Vorstellungsgespräche vorbereiten.

Voraussetzung zur Teilnahme ist, dass "nebenher" Kinder zu betreuen sind oder jemand zu pflegen ist. Angesprochen sind solche jungen Leute, die im Kreis Kleve oder im Kreis Wesel wohnen. "Das Projekt läuft bis 2020 und wird im Kreis Kleve von SOS und im Kreis Wesel von der Fachwerk GgmbH getragen", erklärt Kersten. Die Maßnahme verfügt über zehn Plätze; da die Teilnehmer zu unterschiedlichen Zeiten starten, wird aber immer wieder etwas frei. Aktuell zum Beispiel könnten neue Interessierte aufgenommen werden.

Solche wie die 25-jährige Aleksandra, die nach dem Realschulabschluss zunächst keinen Ausbildungsplatz fand und deshalb jobbte. Dann wurde sie ungeplant schwanger, hatte als allein Erziehende zunächst mit dem Baby genug zu tun. Nachdem sie bei den Eltern ausgezogen war, erkannte sie bald, dass Arbeitslosengeld oder Hartz IV auf die Dauer keine Grundlage sind - und erfuhr durch ihre Fallmanagerin vom Projekt Teilzeitberufsausbildung.

Bei Naja, heute 23, war's ganz ähnlich: Realschulabschluss, keine Lehrstelle, Aushilfsarbeiten, Schwangerschaft. Das Zusammenleben mit dem Freund klappte nicht - sie versuchte es mit dem Kind alleine.

Immerhin hilft der Ex-Freund ihr, betreut das Kind gelegentlich - so ist es auch bei Aleksandra. "Gut ist, dass beide Frauen Anbindung an ihre Familien haben, dank eines Autos mobil sind und Kita-Plätze für die Kleinen haben", erzählt Susann Kersten.

Beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen, der Klärung der persönlichen Lebenssituationen und der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsbetrieb hat sie Aleksandra, Naja und einige andere junge Mütter gut kennen gelernt. Jetzt hofft sie, Arbeitgeber zu finden, die den Frauen eine Chance geben.

Eine kaufmännische oder medizinisch-technische Ausbildung schwebt beiden vor, gerne auch etwas, wo Kontakt mit anderen Menschen im Zentrum steht. "Ich habe in den vergangenen Jahren durch den Kleinen zuviel zu Hause gesessen, bin sicherlich selbstständiger und vielseitiger geworden. Ich weiß jetzt, dass ich vieles kann und noch mehr lernen möchte", sagt Naja. Die Arbeitgeber, von denen bekanntlich viele Nachwuchskräfte suchen, werden ihre "Teilzeit-Azubis" kaum weniger sehen als andere Lehrlinge. "Das Konzept sieht vor, dass die Frauen anderthalb Tage in der Berufsschule sind und 20 Tage im Betrieb. Die Ausbildungsvergütung wird an die verkürzte Stundenzahl angepasst."

Für die Chefs wahrscheinlich noch wichtiger: Beide Seiten behalten noch ein halbes Jahr lang den Kontakt zum "Coach", können dort Rat einholen. Das gibt allen Beteiligten Sicherheit.

(RP)
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