Kleve Keine Regierung, viele Termine

Kleve · Vor 126 Tagen wurde Stefan Rouenhoff (CDU) für den Kreis Kleve in den Bundestag gewählt. Ein Besuch.

 Rouenhoff (M.) mit Vertretern vom Niederrhein auf der Grünen Woche, darunter den Bürgermeistern Sven Kaiser (Geldern) und Christian Wagner (Nettetal v.r.).

Rouenhoff (M.) mit Vertretern vom Niederrhein auf der Grünen Woche, darunter den Bürgermeistern Sven Kaiser (Geldern) und Christian Wagner (Nettetal v.r.).

Foto: Büro Rouenhoff

Der Sitzungstag wird lang: Ernährung, Antisemitismus, Klimaschutz, Vermögensteuer, Tiertransporte - bis mindestens 23 Uhr soll im Bundestag debattiert werden. Stefan Rouenhoff sitzt auf einem Sessel in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus gleich neben dem Reichstag.

 Stefan Rouenhoff in seinem Abgeordneten-Büro im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin. Sein Terminkalender ist voll.

Stefan Rouenhoff in seinem Abgeordneten-Büro im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin. Sein Terminkalender ist voll.

Foto: Ihme/Rouenhoff/Büro Rouenhoff/dpa

Er geht die Tagesordnung Punkt für Punkt durch, erklärt, worum es jeweils gehen wird. Sein Handy summt. Es ist eine SMS vom Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU. "In den Sitzungswochen gibt er uns ein Briefing, bei welchen Punkten es besonders wichtig ist, dass wir anwesend sind", sagt Rouenhoff. Er nimmt einen Schluck Kaffee. Es ist 10.30 Uhr.

Im September hat der Kreis Kleve den 39 Jahre alten Unions-Politiker aus Goch in den Bundestag gewählt. Seitdem warten Stefan Rouenhoff und die 708 weiteren Mitglieder des Parlaments auf die Bildung einer neuen Regierung. Und sie werden noch länger warten: Nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen verhandeln nun Union und SPD erneut um eine Große Koalition. Bis Ostern, so heißt es zurzeit, könnte es eine neue Regierung geben. Erst dann kann die Arbeit richtig losgehen, wenn die Ausschüsse alle verteilt sind, wenn klar ist, wer die Mehrheit stellt und wer die Opposition. Und bis dahin?

Rouenhoff schaut auf sein Handy. "Ich muss jetzt los", sagt er. Ins Plenum. Aber nicht zur Debatte, sondern zu einem Staatsakt für Philipp Jenninger. Der Unionspolitiker war von 1984 bis 1988 Präsident des Deutschen Bundestages, Anfang Januar ist er gestorben. Heute ehrt ihn der Bundestag. Stefan Rouenhoff hat einen Platz in den hinteren Reihen des Saals gefunden.

Die Plätze in den Fraktionen sind - mit Ausnahme der ersten drei Reihen, in denen die Spitzenpolitiker Platz nehmen - nicht reserviert. "Ich suche mir immer einen neuen Platz", sagt Rouenhoff. Eine Stunde lang dauert der Staatsakt. Für die Abgeordneten gibt es nichts weiter zu tun, als zuzuhören. Am Ende wird im Plenarsaal die Nationalhymne gesungen.

12 Uhr, Mittagspause. Rouenhoff geht ins Abgeordneten-Restaurant. Wer nicht dem Bundestag angehört, darf dort nur hinein, wenn er in Begleitung eines Politikers ist. Für Rouenhoff ist das alles nicht ganz so neu: Von 2012 bis 2014 war er Sprecher im Bundeswirtschaftsministerium, hat für Philipp Rösler (FDP) und Sigmar Gabriel (SPD) gearbeitet - und das Plenum sozusagen von der anderen Seite kennengelernt. Sogar im Bundestag hat er schon einmal gesessen. "Allerdings auf der Seite, wo die Regierungsbank steht. Da werden auch immer Stühle für die Mitarbeiter aufgestellt", sagt er.

Zwar ist Rouenhoff als Abgeordneter ein Neuling, der Bundestag und die Arbeit im Berliner Politikbetrieb sind es aber nicht - und genau das ist ein Vorteil für die Arbeit ohne Regierung: Derzeit beschäftigt er sich nämlich vor allem mit den Themen aus seinem Wahlkreis, knüpft Kontakte zu Personen, die für seine Anliegen nützlich sein könnten. Ein Thema, das ihm wichtig ist, ist zum Beispiel der Lärmschutz an der Betuwe-Linie. Viele Bürger sorgen sich darum. Um ihre Probleme will sich der Politiker kümmern und bei den Verantwortlichen des Bundesverkehrsministeriums vorsprechen. Oft weiß er dank seiner Erfahrung, wen er ansprechen muss. Oder, wie er es sagt: "Ich fange nicht bei null an."

Und dann wären da ja noch die anderen Themen, die die Menschen in seiner Heimat betreffen und für die sich der Gocher einsetzen will, allen voran die Digitalisierung - auch in der Landwirtschaft -, grenzübergreifende Polizeiarbeit und die medizinische Versorgung auf dem Land. "Da müssen wir an neuen Lösungen arbeiten, damit es genügend medizinische Hilfe für die Menschen vor Ort gibt", sagt er. Politiker-Rhetorik: Wenn Rouenhoff in Fahrt kommt, kann man ihn nur schwer stoppen. Alles klingt etwas wie Wahlkampf.

Ein Gong ertönt. Es ist kurz vor 13 Uhr, im Plenum wird gleich über die Einsetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums abgestimmt. Alle Abgeordneten sollen möglichst dabei sein. Rouenhoff eilt zurück in den Saal, dieses Mal setzt er sich ein paar Reihen weiter nach vorne. Die Abstimmung geht relativ schnell, die Abgeordneten gehen mit ihren Abstimm-Karten zur Wahlurne, auch die Kanzlerin ist dabei.

Dann verschwindet sie - so wie die meisten anderen Abgeordneten, nachdem noch zwei weitere Abstimmungen beendet sind. Rouenhoff bleibt - und hört sich eine mehr als einstündige Diskussion zum Thema "Gesunde Ernährung" an. Ist er ein Vorbild? Sollten nicht alle Politiker an den Sitzungen teilnehmen? Die Büroarbeit erledigt sich aber nun mal nicht von alleine, lautet das Gegenargument der Abgeordneten. Und es gebe noch genügend Termine nebenher.

Stefan Rouenhoff bleibt bis 15 Uhr im Plenum. Dann trifft er in seinem Büro auf ein Gesicht aus der Heimat: Der Bürgermeister von Weeze, Ulrich Francken (CDU), ist vor seinem Besuch auf der Ernährungsmesse "Internationale Grüne Woche", die am Abend eröffnet wird, nach Berlin gekommen. Die beiden plaudern ein wenig, sprechen über Projekte, die für die Region wichtig sind, wie der Ausbau der Schiene zwischen dem Niederrhein und Düsseldorf.

"Wir als Abgeordnete haben das Recht, uns inhaltlich einzubringen. Auch wenn es noch keine Regierung gibt", sagt Rouenhoff danach. Und solange er sich nur für die Themen im Wahlkreis einsetzen kann, macht er eben das. "Aber wir Abgeordneten freuen uns alle, wenn bald die Arbeit richtig losgeht."

Bald, das ist schon nächste Woche, denn dann werden die Fachausschüsse besetzt. In welchen er kommt, weiß Rouenhoff noch nicht. Wichtige Themen auf Bundesebene sind für ihn aber zum Beispiel Soziale Marktwirtschaft und der Mittelstand. Sind die Ausschüsse besetzt, fehlt nur noch die Regierung. Wobei Rouenhoff Jamaika eigentlich lieber gewesen wäre: "Ich glaube, die Menschen wollten keine Groko mehr, und Jamaika wäre sicher spannend gewesen."

17 Uhr: Der Fahrdienst des Bundestages, den jeder Abgeordnete für Dienstfahrten nutzen darf, ist da. Rouenhoff fährt zur Eröffnung der Grünen Woche, schließlich ist auch der Niederrhein dort vertreten. Feierabend hat er danach nicht: Spätabends fährt er zurück zum Bundestag und nimmt an einem "Hammelsprung" teil. Das ist eine Abstimmung, bei der die Abgeordneten den Saal verlassen und beim Eintritt durch verschiedene Türen (Ja, Nein, Enthaltung) ihre Stimme abgeben.

Dieses Mal geht es aber um keine Abstimmung, sondern um die Frage, ob der Bundestag beschlussfähig ist. Das zweifelt die AfD an diesem Abend an - und behält recht: Um 23.20 Uhr sind nur noch 312 Abgeordnete da. Es hätten 355 sein müsen. Die Sitzung wird abgebrochen, der Tag endet spät für Rouenhoff. Am nächsten Morgen geht es schon um 9 Uhr mit dem nächsten Sitzungstag weiter. Keine Regierung. Dafür aber viele Termine.

(lai)
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