Kleve Lars (19) will Priester werden

Kleve · Lars Rother ist nach dem Abitur ins katholische Priesterseminar nach Münster gezogen. Die Idee, Geistlicher zu werden, ließ ihn einfach nicht los. Die erste Orientierungsphase geht jetzt langsam zu Ende.

 Lars Rother in der Kirche: Er will Menschen begleiten, von der Geburt bis zum Tod, in Freude ebenso wie in Leid und Trauer.

Lars Rother in der Kirche: Er will Menschen begleiten, von der Geburt bis zum Tod, in Freude ebenso wie in Leid und Trauer.

Foto: Seybert, Gerhard

Die meisten Leute können wahrscheinlich stolz behaupten, zu Weihnachten zum letzten Mal einen Gottesdienst besucht zu haben. Das war's dann aber auch für den Rest des Jahres. Kirche und Glaube haben für viele im Alltag nur noch wenig Platz. Und wenn man dann auch noch gerade das Abi in der Tasche hat und sich die große, weite Welt vor einem ausbreitet, spielen so viele andere Gedanken eine übergeordnete Rolle. Wie gesagt: bei den meisten.

Lars Rother aus Pont zählt nicht dazu. Er möchte der Kirche nicht nur Raum und Zeit geben, sondern sich in ihren Dienst stellen. Lars ist 19 Jahre alt, frisch gebackener Abiturient, und hat sich dazu entschieden, katholischer Priester zu werden.

Mitte September ist er für die "praktische Phase", das so genannte Propädeutikum, ins bischöfliche Priesterseminar Borromaeum nach Münster gezogen. Gemeinsam mit 15 Männern zwischen 18 und 30 Jahren, darunter ehemalige Immobilienmakler, Banker und Handwerker, die nun ein völlig neues Leben beginnen. Nach Ostern startet Lars in das "eigentliche" Studium an der Uni Münster.

Das Propädeutikum ist für die angehenden Geistlichen, auch, wenn der Vergleich merkwürdig klingt, so etwa wie eine Art "Recall". Die Kandidaten, die tatsächlich als solche betitelt werden, müssen sich beweisen und sollen sich in ihrem Entschluss festigen. So hat auch Lars ein Pflegepraktikum und die Bibelschule erfolgreich hinter sich gelassen und eine Reise nach Israel erlebt. In diesen Tagen ist er im Gemeindepraktikum. Und zwar ausgerechnet in Haltern, das nach dem schrecklichen Germanwings-Flugzeugabsturz, bei dem 16 Schüler und zwei Lehrer aus der Stadt ums Leben gekommen sind, unter Schock steht.

Das "normale" Seminarleben ist geistlich geprägt. Mehrere verpflichtende Messen in der Woche, auch mal ein Schweigewochenende, Tür an Tür mit drei Priestern. Aber ein Gesprächspartner steht immer zur Verfügung, und auch Priesteranwärter gehen abends gern mal auf ein Bierchen aus.

Wie kommt ein junger Mensch auf die Idee, Priester zu werden? Für Lars war das gar kein so tiefgreifender Schritt, wie man vielleicht zunächst vermuten würde. Er habe nicht die Entscheidung getroffen, Priester zu werden, sondern der Frage auf den Grund zu gehen, ob das etwas für ihn sein könnte, erklärt er. Und das machen ja im Prinzip alle Jugendlichen so. Ein Jurastudent ist schließlich noch lange kein Richter, ein Jahr als Au-Pair macht noch keine Auswanderin. Und so macht eben auch das Priesterseminar noch keinen Priester.

Als es auf das Abitur zuging, stellte sich für Lars einfach die Frage: Was kommt jetzt? Nun ist es nicht so, dass es für ihn keine Alternative gegeben hätte. Musik zählte seit früher Kindheit zu seinen Leidenschaften, vor allem aber zu seinen herausragenden Talenten. So hat Lars im zarten Alter von 16 Jahren das C-Examen in Kirchenmusik gemacht. Das Gelderner Lise-Meitner-Gymnasium durfte sich über zahlreiche Aufführungen der Musical-AG freuen, die Lars bis zur elften Klasse erfolgreich geleitet hat. Trotzdem geht sein beruflicher Weg nicht in Richtung Musik.

"Der Beruf des Priesters hat mich einfach nicht mehr losgelassen", erzählt Lars. Die unterschiedlichsten Menschen von Geburt bis zum Tod zu begleiten, in Freude, aber auch in Leid und in Trauer, das war für den 19-Jährigen ein wichtiger Punkt. "Jeder braucht etwas, an das er glaubt", so Lars weiter über seine Beweggründe.

Bis jetzt wankt er nicht in seinem Plan. Auch, wenn Zweifel selbst bei ihm immer mal wieder aufkommen. Denn für Lars geht es am Ende nicht nur um einen Beruf, sondern auch um eine zölibatäre Lebensform. Ein Thema, das ihn in stillen Momenten nachdenklich stimmt. "Ich habe das immer weggeschoben, ein Leben ohne Familie, ohne Frau", sagt er. Aber: "Das Christentum ist keine Ein-Mann-Religion. Die Kirche bietet einen Raum, sich zusammenzutun."

Dass die, die sich in der katholischen Gemeinschaft noch "zusammentun" wollen, in Deutschland überdurchschnittlich alt sind, ist Lars bewusst. Und deswegen hat er Pläne. "Die Kirche muss nicht mit der Zeit gehen, sondern in der Zeit stehen", meint er. Im Klartext: In einer anderen Zeit entstandene Gesetze sollten zeitgemäß gelebt werden, findet er. Die Gemeinde selbst müsse ins Zentrum rücken, Gottesdienste sollten umgestaltet werden.

Lars will einen Weg aus Überzeugung gehen, will den Spagat zwischen "Gott und der Welt" schaffen. Und damit könnte er ein Botschafter sein für alle, die nicht mehr glauben. Vielleicht gar nicht mal unbedingt an Gott. Vielleicht an sich selbst und seine eigenen Träume.

(RP)
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