Kleve Mordprozess: Verteidigung stellt erneut Befangenheitsantrag

Kleve · Mordprozess und kein Ende? Es ist nicht abzusehen, wann sich die Verhandlung um den 43-Jährigen, der im März bei Lidl erstochen wurde, der Urteilsverkündung auch nur nähert.

Mann stirbt bei Messerstecherei in Kleve
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Foto: Stade, Klaus-Dieter

Bereits im Vorfeld zum gestrigen Verhandlungstag - es war der mittlerweile siebte - hatte das Landgericht vier weitere Termine angesetzt, die sich weit in den Dezember hineinziehen. Auf der Liste der anzuhörenden Zeugen stehen dann unter anderem ein Beamter des Opferschutzes der Polizei und ein Nachbar eines der beiden Angeklagten, der eine Aussage darüber machen soll, ob der Angeklagte vom späteren Opfer verfolgt wurde.

Gestern ging die Kammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Knickrehm aber zunächst der Frage nach, wie aus dem 31-Jährigen Familienvater und stellvertretenden Gartencenter-Leiter Adil O. der vermeintliche Messerstecher von Lidl werden konnte. Dr. Jack Kreutz, Chefarzt der Forensik an der LVR-Klinik in Bedburg-Hau, beschrieb O. in seinem Gutachten als einen nachdenklich und niedergeschlagen wirkenden Menschen, der während der Begutachtung immer wieder mit den Tränen zu kämpfen hatte. Der Angeklagte habe in seinem Leben zwar Drogen wie Kokain ausprobiert, von einem Suchtverhalten könne aber keine Rede sein. Auch eine akute Selbstmordgefahr sei nicht festzustellen. "Er möchte für seine Familie da sein", sagte Kreutz. Als Wunsch habe er geäußert, ein neues Leben beginnen zu können. "Dies ist wohlgemerkt der Zustand, nachdem die Tat geschehen ist", bemerkte Kreutz.

Von strafrechtlicher Relevanz sei aber nunmal der Zustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt. "Wenn es sich um eine zweigeteilte Tat handelt, die im Eingangsbereich des Supermarkts ihren Anfang nahm und sich dann im Kassenbereich fortsetzte, dann scheidet eine verminderte Steuerungsfähigkeit und eine Tat im Affekt aus", sagte der Gutachter.

Den Bruder des Opfers wühlte der Prozesstag unterdessen wieder dermaßen auf, dass auch seine Rechtsanwälte nicht verhindern konnten, dass er die Verhandlung durch Zwischenrufe störte. Als er in einer Pause mit Angehörigen der Angeklagten in den Besucherreihen verbal aneinander geriet, drohte ihm Richter Knickrehm unverhohlen mit dem Rauswurf.

Eine weitere Bemerkung des Richters brachte unterdessen die Verteidiger der beiden Angeklagten auf. "Hier wird immer gesagt, Herr B. sei eine Gefahr für die Familie O. gewesen. Bisher haben wir aber nichts Objektives gehört, das das belegt", sagte Knickrehm. Daraufhin stellten die Rechtsanwälte zum zweiten Mal einen Befangenheitsantrag. Dieses Mal aber nicht gegen die gesamte Kammer, sondern ausschließlich gegen den Vorsitzenden. "Mit seiner Aussage ignoriert der Richter den Verlauf der bisherigen Anhörungen", sagte Rechtsanwalt Leonhard Mühlenfeld. Er erwecke den Eindruck, sich vorzeitig festgelegt zu haben. Am 5. Dezember wird der Prozess fortgeführt - in welcher Zusammensetzung ist offen.

(lukra)
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