Jodtabletten für Kleve Kreis rüstet sich für den Atom-Gau

Rheurdt/Kreis · Die Kommunen des Kreises Kleve werden mit Jodtabletten für den Ernstfall ausgestattet. Sollte zum Beispiel von Tihange aus eine Atomwolke in die Region ziehen, soll die Bevölkerung schnell ein Gegenmittel zur Hand haben.

Menschenkette von Aachen nach Tihange
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Foto: dpa, pat

Kleve In der Region um Aachen, das unmittelbar an der belgischen Grenze liegt, wurden bereits im vergangenen Sommer Jodtabletten für den atomaren Ernstfall ausgegeben. Denn das belgische Atomkraftwerk Tihange, 65 Kilometer von Aachen entfernt, gilt wegen mehrerer Mikrorisse im Meiler als nicht sehr sicher. Mehrere Zwischenfälle in den vergangenen Jahren schüren Angst in der Region.

Eine der wenigen "Schutzmaßnahmen" liegt darin, Kaliumiodidtabletten einzunehmen - kurz vor oder unmittelbar nach Berührung mit der Atomwolke. Auch der Kreis Wesel, der anstelle der Kommunen für den Katastrophenschutz zuständig ist, hatte 2016 bereits über 400.000 Jodtabletten geordert. Auf Anfrage der Rheinischen Post bestätigte nun die Klever Kreisverwaltung, dass die Tabletten auch an den Kreis Kleve ausgeliefert worden sind.

Beschafft wurden sie vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen. "Mit Erlass von Anfang 2016 wurden die Katastrophenschutzbehörden außerdem vom Land gebeten, ihre Katastrophenschutzpläne in Anlehnung an die aktuellen Rahmenempfehlungen der Strahlenschutzkommission anzupassen", erklärt Ruth Keuken, Sprecherin des Kreises Kleve.

Wie man sich auf den Ernstfall vorbereitet
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Wie man sich auf den Ernstfall vorbereitet

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Foto: Christoph Reichwein

Katastrophenschutzpläne, die ja dafür da sind, im Ernstfall Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zu schützen, seien grundsätzlich nicht-öffentlich. Klar ist aber: "Im Ereignisfall muss eine zügige Verteilung der Tabletten an den betroffenen Personenkreis mit kurzen Wegen sichergestellt werden. Dies ist in einem Flächenkreis wie dem Kreis Kleve nur innerhalb der Strukturen der 16 kreisangehörigen Kommunen umzusetzen." Insofern seien die Tabletten im Kreisgebiet dezentral einzulagern, so Keuken weiter. "Daher werden die Tabletten entsprechend an die kreisangehörigen Kommunen ausgeliefert. Dort erfolgt im Ereignisfall die Abgabe der Tabletten an die Bevölkerung."

Ralf Spengel von der Gemeinde Rheurdt bestätigt, dass die Verwaltung vor Ort Gemeinde sich um die Verteilung der Tabletten kümmern soll. "Wir sind gehalten, ein Konzept für die Austeilung zu erstellen." Noch sind die Tabletten allerdings nicht eingetroffen. "Es geht vor allem darum, spezielle Bevölkerungsgruppen rasch zu versorgen, vor allem Minderjährige." Das heißt nicht etwa, dass die älteren Jahrgänge entbehrlicher sind als die jüngeren, sondern dass die Schilddrüse bei Kindern und Jugendliche besonders gefährdet ist . Das Risiko sinkt mit dem Lebensalter.

Für Frank Hoffmann, den Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Grüne im Rheurdter Rat, sind die Jobtabletten im wahrsten Sinne des Wortes nur eine Beruhigungspille. Hoffmann und seine Fraktionskollege waren im Sommer bei einer Demonstration gegen das Atomkraftwerk Tihange dabei. Dabei wurde auch mit einer großen Menschenkette auf die Probleme aufmerksam gemacht. Außerdem hatten die Grünen im Ökodorf mit einem Themenabend über Tihange informiert.

"Wenn der Wind im Ernstfall schlecht steht, dann bläst er den Fallout in unsere Richtung", schildert Hoffmann die Gefahren für die Region. "Im Grunde kann man sich dann nur noch davonmachen, weil die Umgebung verstrahlt ist." Dass in diesem Fall die Jodtabletten die schlimmsten Folgen eines GAU verhindern können, hält der Grünen Politiker für einen "frommen Wunsch".

Für weitaus wahrscheinlicher hält er, dass Panik und Chaos ausbrechen. Hoffmann: "Es gibt nur einen Weg, eine solche Katastrophe zu verhindern: Das AKW muss abgeschaltet werden!" Im ganzen Kreis Kleve sind tatsächlich viele Details nach wie vor nicht geklärt. Etwa, wie der genaue Umgang mit den Jodtabletten ablaufen soll. Schließlich müssen sie auf jeden Fall sicher eingelagert werden. Auch die Ausgabe im Ernstfall wäre logistisch keinesfalls einfach, denn wenn die Tabletten wirken sollen, müssen sie in einem engen Zeitraum eingenommen werden.

Die "Jodblockade" funktioniert nämlich so, dass der Schilddrüse durch Kaliumiodidtabletten hoch dosiertes Jod zugeführt wird. Geschieht das rechtzeitig, dann kann das Aufnahmevermögen der Schilddrüse für Jod komplett ausgeschöpft werden. Die Aufnahme von radioaktivem Jod, das bei einem Atomunfall freigesetzt werden kann, könnte so verhindert werden, erklären die Experten. Laut dem Bundesumweltministerium, das bekanntlich auch für die Reaktorsicherheit zuständig ist, werden in Deutschland "genügend Jodtabletten bereitgehalten, um die betroffene Bevölkerung gut zu versorgen".

Vorsorglich einnehmen sollte man Jodtabletten keinesfalls. Eine Schilddrüsenüberfunktion könnte auftreten, außerdem wirkt diese Jodblockade nur wenige Stunden lang. www.kreis-kleve.de

(RP)
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