Kleverland Kriegszeugnisse und 16 Monate "Ferien"

Kleverland · Vor 70 Jahren bewegte sich der Krieg auf den Niederrhein zu. Luftalarm gehörte ebenso zum Alltag wie täglich neue Einschränkungen. Auch in den Schulen wurden diese an zahlreichen Stellen immer offensichtlicher.

 Die Klasse 3b der Jungen-Oberschule 1943/44 - <strong>untere Reihe (hockend, v. l.):  Hans Groh, Heinz Ockers, Erhard Flock, Heinz Rübo, Hans Rühl, Manfred Zimmermann, Harry Kohl, Werner Stoffels, Rolf Schneider, Rolf Riedel. Stehend (v. l.): Fritz Buchwald, Ulrich Fries, Winfried Heringer, Rolf Dornbusch, Franz Mittmann, Norbert van Ackeren, dahinter Horst Stricker, (etwas verdeckt) Erwin Nielen, Heinz van den Berg, Winfried Görtzen, dahinter Rudolf Enders, Hans Neumann, Hans Schupp, Egbert Buchbender, dahinter Gregor Thiemann, Franz-Josef Knops, dahinter Günter Schrörs, Ernst Kullmann. Dieter Dinse, Hans Rehm, Hans-Jakob Delihsen, Dieter Degenhardt, Leo van Elsbergen, Günter Wollschläger, dahinter Urban Gerstner.

Die Klasse 3b der Jungen-Oberschule 1943/44 - <strong>untere Reihe (hockend, v. l.): Hans Groh, Heinz Ockers, Erhard Flock, Heinz Rübo, Hans Rühl, Manfred Zimmermann, Harry Kohl, Werner Stoffels, Rolf Schneider, Rolf Riedel. Stehend (v. l.): Fritz Buchwald, Ulrich Fries, Winfried Heringer, Rolf Dornbusch, Franz Mittmann, Norbert van Ackeren, dahinter Horst Stricker, (etwas verdeckt) Erwin Nielen, Heinz van den Berg, Winfried Görtzen, dahinter Rudolf Enders, Hans Neumann, Hans Schupp, Egbert Buchbender, dahinter Gregor Thiemann, Franz-Josef Knops, dahinter Günter Schrörs, Ernst Kullmann. Dieter Dinse, Hans Rehm, Hans-Jakob Delihsen, Dieter Degenhardt, Leo van Elsbergen, Günter Wollschläger, dahinter Urban Gerstner.

Foto: nn

Auch in diesem Sommer ist Krieg (leider) kein Fremdwort. Täglich hören wir von Konflikten in verschiedenen Erdteilen, und an die Bilder in den Medien hat man sich ebenfalls schon gewöhnt. Doch spielt sich das in fernen Ländern ab. Genau das war vor 70 Jahren völlig anders. Der längst verlorene Krieg bewegte sich auf den Niederrhein zu, Einschränkungen spürte man an allen Enden.

So etwa schon an den Zeugnisformularen. Noten gab es damals dreimal im Jahr. Nur die Versetzungszeugnisse hatten DIN-A-4-Format. Dazwischen musste - wie auch in den ersten Nachkriegsjahren - die beidseitig beschriebene halbe Größe genügen. Andererseits gab es auch an der Hindenburgschule, der Staatlichen Oberschule für Jungen (heute Stein-Gymnasium), ein kleines Zusatzblatt für die Teilnahme und Benotung im Religionsunterricht. Der war damals "Nebensache". Der Fächerkanon wurde angeführt von "Leibesübungen". Die oberen Jahrgänge waren als Flakhelfer im Raum Moers eingesetzt oder schon Soldat. Die Unterrichtsräume lagen alle zur Straße hin. Autolärm war kein Problem.

Dafür störte seit langem und immer häufiger der Fliegeralarm. Wenn während des Unterrichts die Sirenen heulten, ging es auf schnellstem Weg in den Keller. Hatte es in der Nacht Fliegeralarm gegeben, begannen die gekürzten Unterrichtsstunden erst um 10 Uhr. Auswärtige Schüler, die in den Dörfern durchgeschlafen hatten, konnten sich morgens telefonisch beim Postamt Kleve erkundigen, ob Kleves Nachtruhe unterbrochen worden war. Für die Schwanenstadt war es eine glückliche Fügung, dass die amerikanische Bomberflotte am Veilchen-Dienstag 22. Februar ihre für Kleve vorgesehene Bombenfracht versehentlich über Nimwegen abwarf, wo es fast 800 Tote gab. In jenen Stunden - die Kreisstadt blieb noch ein gutes halbes Jahr verschont - saßen die Pennäler im Keller. Hätten die Gewölbe einer Bombe standgehalten? Wohl kaum, wie sich am 7. Oktober bestätigen sollte. Zu den vielen Opfern jenes Tages zählte auch aus der 3a - der ca. 120 Jungen starke Jahrgang war in drei Klassen aufgeteilt - Edmund Daverkosen, der mit Eltern, Schwester und Bruder im Elternhaus an der Gruft (damals Hermann-Göring-Straße 16) durch einen Volltreffer starb. Aus etwa acht Kilometer Entfernung hat der Berichtende, damals gerade aus der 3b nach 4 versetzt, den Großangriff auf Kleve an jenem sonnigen Samstag zu früher Nachmittagsstunde mitverfolgen können. So etwas brennt sich einem ins Gedächtnis ein - die ein- und abfliegenden Flugzeugpulks wie das dumpfe Grollen der explodierenden Bomben. Längst hatte man - vor allem in den Sommermonaten - viele Stunden im Luftschutzkeller verbracht. Seit der alliierten Luftlandung im Raum Groesbeek-Wyler-Nimwegen am 17. September war die Luft sehr eisenhaltig. Vor allem wenn die die deutsche Artillerie ein paar Granaten nach Holland geschickt hatte, kamen ganze Salven als Gegengruß zurück.

Mitte Oktober waren die Ortschaften in Grenznähe weithin evakuiert. Wohl nicht nur in Mehr hingen Plakate mit der Aufforderung zum Verlassen der Dörfer, sonst werde man "standrechtlich behandelt". Die "rote Zone" (das von der alliierten Artillerie erreichbare Gebiet") wurde geräumt. Wer am linken Niederrhein den letzten Kriegswinter erlebte, hatte erst recht beim zähen Frontübergang (8. Februar - Anfang März 1945) noch viele angstvolle Stunden und Tage zu überstehen. Um Ostern (1. April) durfte man in die völlig zerstörte Heimat zurück, aber erst im November nahmen die weiterführenden Schulen in Kleve unter primitivsten Verhältnissen mit zunächst halber Stundenzahl den Unterricht wieder auf.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort