Kleve Kurhaus: De Werd wird Senior-Kurator

Kleve · Nach 34 Jahren an der Spitze des Klever Museums geht Museumsdirektor Drs. Guido de Werd Dienstag in die Altersteilzeit. Ein langer Weg liegt hinter ihm, auf dem er das Museum in die internationalen Sphären der modernen Kunst führte und die Geschichte des Niederrheins sicherte.

 Führungen: Gäste und Besuchern die Kunst erklären unter Matarés Werk.

Führungen: Gäste und Besuchern die Kunst erklären unter Matarés Werk.

Foto: RP, Evers

niederrhein Unten rauscht der Verkehr über die Tiergartenstraße am Museum Kurhaus vorbei, zwischen dem Lärm der Fahrzeuge hört man durch das offene Fenster die Vögel vom Forstgarten gegenüber. Lehnt man sich aus dem Fenster, liegt links der barocke Park, und rechts führt die Tiergartenstraße Richtung Rathaus. Drs. Guido de Werd sitzt hinter dem großen Tisch in seinem Büro, auf dem sich Akten, Kunstbände, Bilder sammeln. Das Büro des Klever Museumsdirektors gehört zu den schönsten in der Stadt. Dienstag geht de Werd in die Altersteilzeit: Er hört auf zu arbeiten, um konzentriert weiterarbeiten zu können - als "Seniorkurator". Für das Kurhaus, für die Vollendung dieses Museums, für den großen Akkord der Neueröffnung. Und genau diese Neueröffnung wird Ende 2011 zugleich seine Abschiedsvorstellung sein. Die offizielle Verabschiedung folgt unmittelbar nach der Eröffnung.

 Die Museumscrew und Pädagogen mit Chef de Werd (r.) vor Gertschs Silvia: Dr. Roland Mönig (l.) wird ab Dienstag das Museum Kurhaus kommissarisch leiten.

Die Museumscrew und Pädagogen mit Chef de Werd (r.) vor Gertschs Silvia: Dr. Roland Mönig (l.) wird ab Dienstag das Museum Kurhaus kommissarisch leiten.

Foto: RP, Evers

Keiner so lange in leitender Position

Keiner in der Kreisstadt war so lange in leitender Position wie de Werd. Ein gutes halbes Dutzend Bürgermeister und Stadtdirektoren hat er kommen und gehen sehen. Städtische Ziele änderten sich in dieser Zeit, er setzte seinen Weg unbeirrt fort. Mit dem großen Konvolut historischer Blätter der Rheinberger Sammlung Angerhausen holte der Niederländer die Geschichte der ganzen Region in das Haus Koekkoek. De Werd kennt den Wert der mittelalterlichen Schnitzer aus Kleve oder Kalkar, weiß die Schätze in den Gotteshäusern zwischen Geldern und Emmerich richtig zu ordnen.

Ein großes Etappenziel seines Weges war die Eröffnung des Kurhauses 1997: Damit hat er in der 50 000-Einwohner-Kreisstadt ein Museum mit internationalem Ruf etabliert, dessen Sammlung moderner Kunst den Vergleich mit großen Museen und Städten nicht zu scheuen braucht. Wie nebenbei war der Niederländer das kulturelle Gewissen der Kreisstadt, das regelmäßig mahnend Stellung bezog. "Das ist doch eine intellektuelle Verantwortung, die ich habe. Die Verantwortung, bei Bauprojekten und Planungen darauf hinzuweisen, dass etwas falsch läuft. Das muss die Stadt aushalten", sagt er.

Sein Weg ist vollendet, wenn die Erweiterung des Kurhauses fertig ist, wenn das Beuys-Atelier ins Museum integriert ist und das Haus endlich seine ganze Spannbreite zeigen kann. Das Mittelalter ebenso wie die Bilder der Klever Geschichte ebenso wie die Geschichte des Niederrheins in den grafischen Blättern Angerhausens und nicht zuletzt seine hochwertige Sammlung moderner Kunst.

Büro? Fehlanzeige.

1972 begann de Werd als Assistent des damaligen Stadtarchivars und Museumsleiters Dr. Friedrich Gorissen. Er sollte die Kunst im Museum Haus Koekkoek inventarisieren. Schreibtisch, ein Stuhl, ein Büro? Fehlanzeige. "Ich ging am ersten Tag, nachdem ich die Schlüssel von Dr. Gorissen bekommen hatte, in die Verwaltung, um wenigstens diese Mindestausstattung zu bekommen". Der damalige Kulturbereichsleiter Robert Rahier besorgte ihm einen alten, laminierten Schreibtisch und einen Sperrholzstuhl. Oben in einem kleinen Büro im Haus Koekkoek begann die Laufbahn. "Es war spannend für eine Stadt, mit einer solch großen Geschichte arbeiten zu dürfen. Diese Geschichte und Vergangenheit aufzuarbeiten und auf diesem Fundament das Museum zu positionieren", erinnert sich de Werd. Die Geschichte der Stadt und ihrer Menschen ist die eine Seite seiner Arbeit, die moderne Kunst die andere. Beide machen heute den Reiz des Kurhauses aus.

Die Ausstellungen "Land im Mittelpunkt der Mächte" und "Soweit der Erdkreis reicht" über das Herzogtum Kleve und über den Statthalter Johann Moritz von Nassau Siegen im Haus Koekkoek setzten Meilensteine für die Aufarbeitung der Geschichte der Stadt Kleve, der Region. Die Kataloge haben bis heute Gültigkeit. Dann folgte die Gartenlust zur Klever Kurgeschichte - der rechte Fingerzeig auf das da noch in Bau sich befindliche Museum Kurhaus.

Das Kurhaus war das Projekt, dem de Werds ganze Kraft galt. Ein Bau, den die CDU-Politiker Kliver und Huth vorgeschlagen hatten - später rückte die Politik aber wieder ab. Es war ein Bau, der denkbar ungeeignet schien als Museum und doch perfekter nicht sein könnte, wie Planer Walter Nikkels bewies. Den Durchbruch für diesen großen Schritt in Kleves museale Zukunft schaffte de Werd, als er Sonja Mataré überzeugen konnte, den Nachlass ihres Vaters, des großen Bildhauers Ewald Mataré, in das Haus zu geben, in dem sein berühmtester Schüler, Joseph Beuys, später sein erstes Atelier hatte. Im Garten von Haus Koekkoek wurde bei schönstem Wetter dieses wichtige Kapitel besiegelt. Wie Sonja Mataré oder zuvor die Familie Angerhausen vertrauten viele Sammler dem Klever Museumschef. Es kamen wunderbare Schenkungen an das Museum - von feinen kleinen Kunstwerken ganz Großer wie von Yves Klein bis hin zu den Klever Aushängeschildern Balkenhol und Gertsch.

Gehör

Aber auch, wenn de Werd als Redner des Freundeskreises anklopfte, wieder einmal um Geld für ein Kunstwerk, um die Unterstützung für einen Katalog oder jüngst gar für den Umbau des neuen Museums zu betteln - die Tür wurde und wird ihm geöffnet. Er findet Gehör. Er verankerte in den 38 Jahren, in denen er für Kleve arbeitete, das Museum fest in der Bürgerschaft. So fest, dass das Museum und der 1987 auf Initiative von de Werd mit Paul Kratz und Dr. Ulf Hientzsch gegründete Freundeskreis zur festen, manchmal auch festen politischen Größe in der Stadt wurde. Eine große Hilfe in diversen politischen Disputen, die der Museumschef auszufechten hatte.

1997 holte de Werd für die Eröffnungs-Ausstellung im Kurhaus dann die ganz große internationale Kunst ins neue Klever Museum - die Sammlung Ackermans. Ein Glücksgriff für die Eröffnungszeit. Später trennten sich die Wege von Ackermans und Kleve - heute ist diese Sammlung fester Bestandteil der Museen K20/K21 in der Landeshauptstadt. "Wir hätten uns einen solchen Ankauf nicht leisten können", sagt de Werd rückblickend. Stimmt. Stattdessen bauten er und die Museums-Crew die eigene Sammlung aus. Mit der jungen Kunst verbunden, kaufte er, was fesselnd war. Und hatte einen guten Riecher: Unbezahlbar wären heute die Werke der Düsseldorfer Fotoschule von Gursky, Ruff und Struth. Mit Hilfe des Freundeskreises wurde die Kunst gekauft. Auch für den Außenraum: der in enger Kooperation mit Heinz Roelofsen entstandene Neue Eiserne Mann von Balkenhol, der Penone-Baum für den Garten, im Hof Schüttes Großer Geist, die monumentale Silvia von Franz Gertsch. Gern waren das Land und seine Stiftungen bereit, zu helfen. Es entstand eine Sammlung von großem Wert. Von der Bürgerschaft (viele Kunstwerke gehören dem Freundeskreis) für die Bürgerschaft. Denn das Museum erklärte den Klevern die Bilder. Führte sie dazu, sich selbst für die stringenten, klaren Linien moderner Kunst im Kurhaus zu begeistern. Zuletzt binden die rege Museumspädagogik sowie Schule-Kunst-Museum die Jugend ein.

Es gelangen unvergessene Ausstellungen: Noch erzählen viele Klever vom Duft des Lorbeerraums Penones, man debattierte kontrovers über die Datumsbilder des Japaners On Kawara. De Werd holte den "Summer of love" nach Kleve mit Robert Indiana. Er war einer der wenigen Museumsdirektoren in Deutschland, die Giacomettis Geburtstag gedachten. Dazwischen immer wieder Ausstellungen aus oder zur Sammlung: Mataré ganz vorne, aber auch die Skulptur des Mittelalters ...

Vollendung des Baus

Und was macht man, wenn man aufhört zu arbeiten, um zu arbeiten? "Ich konzentriere mich jetzt auf die Vollendung des Baus, bin weiter bei den Bausitzungen dabei", sagt de Werd. Er bereitet die Publikationen zur Eröffnung vor, den großen Bestandskatalog, das Buch zum Beuys-Atelier. Aber auch liegen Gebliebenes kann endlich zu Ende gebracht werden: die Publikationen zu Hanns Lamers und zu den Aquarellen Matarés. "Eigentlich geht's unverändert weiter. Ich trage halt nicht mehr die Verantwortung für das tägliche Geschäft", sagt er.

Und fügt an, von unten heraus über den Tisch grinsend, dass der Senior-Manager eine lange übliche Einrichtung in der Wirtschaft sei. Da liege ein "Senior-Kurator" doch auf der Hand.

Stimmt.

De Werd ist also noch da, nur eben nicht mehr Direktor. Die Stelle wird 2011 ausgeschrieben. Das Amt übernimmt ab Dienstag kommissarisch Dr. Roland Mönig. Der kennt das Geschäft in Kleve jetzt schon sehr genau ...

(RP)
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