Wirtin Marie-Luise Klar aus Kleve "Puppa" ist die Partykönigin vom Niederrhein

Seit der Kindheit lebt und arbeitet Marie-Luise Klar in ihrer Klever Gaststätte "Haus Bresserberg". Sie ist die bekannteste Wirtin der Stadt. Ihr Tanzlokal zieht Gäste aus dem Ruhrgebiet an und ist am Wochenende für viele eine Anlaufstelle.

Marie-Luise Klar und ihr "Haus Bresserberg"
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Marie-Luise Klar und ihr "Haus Bresserberg"

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Foto: Markus van Offern

"Schenk mir diese eine Nacht ..." dröhnt es aus leicht übersteuerten Boxen. Die Tanzfläche ist ebenso voll wie der Parkplatz vor dem Haus. Unsortiert stehen die Autos vor dem Klever Lokal "Haus Bresserberg". Die Kennzeichen zeugen davon, dass die Gaststätte über die Stadt hinaus bekannt ist. Mülheim, Duisburg - auch das Ruhrgebiet fühlt sich hier wohl.

Es ist Freitag in der Früh, kurz nach drei Uhr. Kein Problem für die 81-jährige Chefin. Marie-Luise Klar (81), die in Kleve nur "Puppa" genannt wird, unterhält sich an der Theke mit einem Gast bei einem Prosecco. Lieber trinkt die Wirtin Champagner, aber der wird selten ausgegeben. Sie hört ihrem Gegenüber eigentlich nur zu.

"Es geht bei ihm immer um seine Freundin. Er kommt nicht von ihr los", sagt die Wirtin, die auf einem Barhocker sitzt und hauptsächlich nickt. Sie trägt eine modische enge Hose, passende Lederjacke, hat frisch frisierte Haare, lange lilafarbene Fingernägel und sieht auch sonst nicht so aus, als hätte sie sich in 50 Jahren viele Nächte um die Ohren geschlagen. Die Wirtin ist die älteste und bekannteste Gastronomin Kleves mit einem Lokal hoch über der Stadt. Von hier aus geht der Blick weit in die niederrheinische Tiefebene.

Marie-Luise Klar wohnt über ihrem Tanzpalast

"Ich stehe so lange am Zapfhahn, wie es der Herrgott zulässt. Mein Leben habe ich hier verbracht, und das werde ich für die Zeit, die mir bleibt, auch noch tun", sagt Marie-Luise Klar. Sie wohnt über ihrem Tanzpalast. Jeden Freitag und Samstag spielt sich seit Jahrzehnten das wahre Leben für die Gastronomin im Untergeschoss ab. Bis der letzte Gast bezahlt hat.

Ihre Mutter hatte die Immobilie im Zweiten Weltkrieg gekauft und aus der heruntergekommenen Gaststätte ein florierendes Ausflugslokal gemacht. Schon in Kinderjahren versorgte Marie-Luise Männer mit Obergärigem jenseits der Theke. An die 70er Jahre hat sie besonders gute Erinnerungen. "Als das Gehalt noch jede Woche ausbezahlt wurde, fand hier der Lohntütenball statt. Da war alles vertreten. Arbeiter, Rechtsanwälte - eine wunderbare Mischung. Die kamen direkt nach Dienstschluss und brauchten sofort einen Jägermeister."

Über die Jahrzehnte hinweg gab es auch Phasen, in denen der Umsatz ins Stocken geriet. Als sich nur ein paar verlorene Seelen mit ihren Geschichten aus besseren Tagen am Tresen festhielten. "Puppa" organisierte Tanz- und Jazz-Abende. Unter anderem gastierten namhafte Künstler wie Jazz-Legende Klaus Doldinger. Marie-Luise Klar verrät ihr Geheimnis, warum sie sich Jahrzehnte am Markt gehalten hat: "Ich bin immer ruhig geblieben, wenn es schlecht lief, und habe in guten Zeiten nie verrückt gespielt." Aktuell sind gute Zeiten.

Der Charme der 60er hat in einigen Bereichen überlebt

Heute ist es das Gesamtkunstwerk, das das Haus interessant macht. Dazu gehört das Ambiente. So hat in einigen Bereichen der Charme der 60er Jahre überlebt - wie etwa im historischen Anbau, wo Sessel, Tische und die Dekoration dieser Zeit stammen. Die Musik besteht aus Schlager-Klassikern oder auch Hits aus den 80er Jahren wie F.R. David mit "Words". Im "Haus Bresserberg" landen alle, die auf einen gelungenen Ausklang der Woche hoffen und Anschluss suchen.

Albertus landet dort seit 35 Jahren jeden Freitag. Er kommt aus Arnheim und fährt eine knappe Stunde, bis er in Kleve ankommt. Vor dem Niederländer (65) ist ein Stehtisch platziert, darauf eine Flasche Fürst von Metternich im Sektkübel für 25,50 Euro. Neben dem Unternehmer stehen drei Frauen im Alter zwischen 59 und 72 Jahren. "Ich komme immer alleine. Die Damen wissen Bescheid, denn hier ist mein Stammplatz", sagt der Mann mit grau meliertem Haar und Designerbrille.

Mit einem Sektglas in der Hand erzählt er, wie es hier früher war: "Da haben wir mit dem Tischtelefon die Frauen angerufen und gefragt, ob sie tanzen wollen." Der 65-Jährige weiß: Wer nicht will, der bleibt auch nicht alleine. Er kommt seit Jahrzehnten, weil es eines der wenigen Tanzlokale dieser Art ist. "Ich mag auch Puppa. Hier stimmt einfach das Niveau", sagt er.

"Wenn es etwas zu regeln gab, habe ich das selbst erledigt"

Gäste, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, fanden früher häufiger den Weg ins "Haus Bresserberg". "Es kamen welche aus dem Klever Gefängnis direkt zu mir. Einer hatte mal alle Dosen des Sparclubs geknackt. Zum Geburtstag brachte der mir dann 50 rote Rosen und trug ein weißes Jackett", sagt Marie-Luise Klar. Auch wenn es mal Stress gibt, sie hatte nie einen Türsteher und will auch keinen mehr. "Wenn es etwas zu regeln gab, habe ich das selbst erledigt. Gründe für Ärger gibt es sowieso nur zwei. Frauen oder zu viel Alkohol", so ihre Bilanz. Dreimal wurde die Wirtin überfallen. Einmal wurde sie im Badezimmer gefesselt, einer kam mit einem Elektroschocker. Keine Gründe für sie, ihren Betrieb aufzugeben.

An diesem Freitag füllt sich das Lokal bis Mitternacht kontinuierlich. Auf der Tanzfläche wird es eng. Fünf Bedienungen und die Besitzerin versorgen die Gäste. Für Klaus aus Münster ist bereits um halb eins Schluss. Er ist ohne Begleitung gekommen und geht auch wieder so. "Anderthalb Stunden bin ich gefahren. Auch wenn es mir sonst besser gefällt, ich komme nächste Woche wieder. Das hat hier eine ganz andere Qualität als im Ruhrgebiet", sagt er. Der 66-Jährige trägt ein Jackett mit Einstecktuch und ist Pferdehändler. Er läuft zu seinem Mercedes und erklärt: "In Westfalen gibt es so etwas wie das Haus nicht. Da ist Notstandsgebiet."

Für Marie-Luise Klar ist um halb vier Schluss. Sie trinkt ihr letztes Glas Prosecco leer und verabschiedet sich. Ihre Mitarbeiterinnen räumen noch auf. Es war nicht so viel los. Außerdem wartet morgen Vormittag bereits die nächste Gesellschaft. Das Klever Lokal mit Blick in die endlose Weite wird häufig für Beerdigungscafés gebucht. "Heute waren es drei, morgen ist es einer. Das bleibt ein sicheres Geschäft. Gestorben wird immer", sagt die 81-Jährige und schaut zufrieden auf ihr berufliches Leben zurück: "Es wurden hier so viele Lokale geöffnet und wieder geschlossen. Ich habe sie alle überlebt."

(jan)
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