Kleve-Materborn Materborns "Ratskrug" schließt für immer

Kleve-Materborn · Das Traditionslokal an der Dorfstraße hat ein Investor gekauft. Wirt Erich Gietmann geht davon aus, dass die Gaststätte abgerissen wird und einer Wohnbebauung weicht. Vereine befürchten "Obdachlosigkeit". Auch Kirmes ist in Gefahr.

Mehr als ein Jahrhundert nach ihrer Errichtung wird die Kneipe "Ratskrug" in Materborn wohl abgerissen werden. "Am 31. März ist definitiv Schluss", sagt Erich Gietmann, der das Lokal 32 Jahre lang geführt hatte. Gietmann ist 75 Jahre alt, "die Beine machen einfach nicht mehr mit", gibt er als Begründung an, warum er den "Ratskrug" schweren Herzens aufgeben wird.

Das Haus ist bereits verkauft, an wen, will Gietmann nicht verraten. Nach Informationen unserer Redaktion hat ein Klever Steuerberater den "Ratskrug" gekauft. "Ich denke, dass der Ratskrug abgerissen wird. Dort könnte dann wohl eine Wohnbebauung entstehen", sagt Gietmann. "Eine Gastronomie wird es an dieser Stelle jedenfalls nicht mehr geben", betont der Gastwirt. Lange hat er nach einem Nachfolger gesucht - vergebens. "Heute will doch keiner mehr eine Gastronomie übernehmen", ist sich der 75-Jährige sicher.

Dabei gebe es dafür aus wirtschaftlicher Sicht keinen Grund, sagt der Kneipier. Sein Haus sei oft gut gefüllt gewesen. Wie Gietmann es ausdrückt: "Wir haben hier jeden Tag Betrieb." 24 Vereine versammeln sich regelmäßig im "Ratskrug". Vor einigen Tagen hat Gietmann deren Vertreter informiert, dass sie sich wohl nach einer neuen Bleibe umsehen müssen. Sauer ist deswegen niemand. "Die Vereine haben Verständnis für meine Situation. Sie wissen, dass die Entscheidung zum Verkauf für mich innerlich nicht einfach war. Aber es geht nicht anders", sagt der 75-Jährige.

Der MGV "Eintracht" 1919 Materborn zählt zu den großen Vereinen, die dem "Ratskrug" seit langem treu sind. Seit 1948 treffen sich die Sänger, von denen es heute 50 aktive gibt, dort wöchentlich. "Die Nachricht war für uns ein echter Schuss vor den Bug", sagt der MGV-Vorsitzende Franz Viell. Er ist zurzeit noch ratlos, wo die Sänger ab April proben und ihre Vereinsfeste abhalten sollen. Das Kolpinghaus wäre eine Alternative gewesen, doch dort sind keine Kapazitäten frei. Der große alte Gegenspieler, die Gaststätte die den Materbornern als "Coenders" bekannt ist und heute "Treffpunkt" heißt, käme für die Sänger aus mehreren Gründen nicht infrage.

Doch in Viell kommt auch das Gefühl von Wut auf, wenn er ans Ende des "Ratskrugs" denkt. Der MGV-Vorsitzende erinnert sich an die Zeit, als vor einigen Jahren Erich Gietmanns Lebensgefährtin gestorben war. "Damals hat sich Bürgermeister Theo Brauer dafür eingesetzt, dass es mit dem Ratskrug weitergeht, dass die Kneipe eine Konzession erhält. Da haben Stadtverwaltung und Politik sich noch darüber Gedanken gemacht, was es bedeutet, wenn der Lebensmittelpunkt eines Dorfes verloren geht", sagt Viell. Er findet, dass die Stadt ein Angebot für den "Ratskrug" hätte abgeben, "eine Art Vorkaufsrecht ausüben", und das Haus dann an einen Käufer übertragen sollen, der die Gaststätte fortführt. Viell klagtdehalb: "Wir sind total enttäuscht, wir fühlen uns im Regen stehen gelassen."

Birgit Walterfang, die Vorsitzende der immerhin 250 Mitglieder starken "Heimatfreunde Materborn" ist, sieht das ähnlich. Sie sorgt sich auch um zahlreiche Veranstaltungen, die traditionell rund um den "Ratskrug" stattfinden, wie das Maifest oder das Aufstellen des Weihnachtsbaums. Und dann ist da noch die Materborner Kirmes, die Jahr für Jahr tausende Besucher anzieht. Walterfang hofft, dass sie dieses Jahr noch einmal in gewohnter Form stattfinden kann. "Aber langfristig sehe ich da ein Problem", sagt die Vereinsvorsitzende. Viell wird noch deutlicher in seiner Vorhersage: "Das wird in die Hose gehen."

Der langjährige Schausteller-Chef Heinrich Janssen hingegen sieht das anders. "Die Kirmes ist nicht in Gefahr. Das liegt nicht an einer Person. Wir haben einen starken Verband", sagt Janssen. Auch Gietmann selbst ist optimistisch. "Ich gehe davon aus, dass die Kirmes hier bleibt. Vielleicht nicht mehr auf dem Fallschirmplatz, vielleicht nicht mehr mit Live-Musik, aber der Rest wird bleiben", sagt der Wirt, der selbst bei der Kirmes jedoch definitiv keine tragende Rolle mehr einnehmen will.

(RP)
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