Silvester Menschen des Jahres in Kleve Ministerin Hendricks lebt im Schatten der Burg

Kleve · Die Klever Sozialdemokratin Dr. Barbara Hendricks ist jetzt die einzige Ministerin aus dem Kreis Kleve in Berlin. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit will mit der Heimat eng verbunden bleiben.

 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, zu Hause – vor der Burg.

Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, zu Hause – vor der Burg.

Foto: Klaus Stade

Die Burg krönt die Stadt, zu ihren Füßen der "Fluss", der Kermisdahl. Über dieses Gewässer muss Ritter Lohengrin, vom Schwan gezogen, durch den über dem Wasser liegenden Dunst gekommen sein. Hier, gleich hinter Worcester-Brücke und Stadtbad, ist Kleve auf sein Wesentliches komprimiert. Die Häuser, die unter der Schwanenburg am Hang kleben, davor die Weite des Parks mit dem Wasser und dahinter die Niederung und über der Burg wiederum der dunkle Wald. Wenn die erste Frau aus dem Kreis Kleve in einem Ministeramt, Dr. Barbara Hendricks (SPD), aus ihren Ministerien von Berlin oder Bonn nach Kleve reist, kommt sie genau an diesem Ort in ihr Zuhause. Vom Wohnzimmer schaut man auf Park und Kermisdahl, wendet man den Blick vom Esstisch über die offene Küche, ahnt der Besucher die Burg — vom Fenster wird man den Schwanenturm sehen können. Kleve auch an den Wänden des Wohnbereiches: unter anderem Balkenhols Zeichnung vom Eisernen Mann aus dem Tierpark, Porträts von Beuys, ein Bild von Barbara Schroeder, die kleine Schirm-Skulptur von Günther Zins.

"Ich hab das Häuschen vor 30 Jahren gekauft", sagt Hendricks. Und fügt an, wie entschuldigend, dass es so gut wie kein Grundstück habe, aber die Sicht sei ja unverbaubar und gehe direkt ins Grüne. Schon damals nach dem Studium habe sie ja zeitweise in Düsseldorf und später in Bonn gewohnt und eine Zuflucht in ihrer Heimat gesucht. Und gefunden, gleichsam im Vorhof des Herzens der Stadt. Zur Zeit hat die Klever Sozialdemokratin wenig Muße, ihr Stück Kleve zu genießen. In Berlin steht ein Umzug an. Nicht, weil sie Ministerin geworden ist, sondern weil die Dreier-Wohngemeinschaft von Bundestagsabgeordneten aufgelöst werden musste und sie dort eine neue Wohnung bezieht. Die Kisten sind gepackt und stehen zum Umzug bereit. Deshalb wird sie heute mit ihrer Lebenspartnerin auch das Silvesterfest in der deutschen Hauptstadt verbringen. Für Bundestagsabgeordnete ist dann die Dachterrasse geöffnet — der Blick über Berlins-Mitte mitsamt Partymeile inbegriffen. "Wir werden ein Fläschchen Sekt und ein Paar Gläser im Rucksack mitnehmen und auf das neue Jahr 2014 anstoßen", sagt Hendricks.

Ein neues Jahr, das für die 61-Jährige, bis dato Schatzmeisterin der Bundes-SPD, einen weiteren Höhepunkt in der politischen Karriere bedeutet: Sie ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, muss das neu zusammengesetzte Ministerium organisieren. Die ersten Schlagzeilen hat sie bereits im Interview mit dem neuen RP-Chefredakteur Michael Bröcker geschrieben. Sie schlägt vor, den Soli nicht abzuschaffen, sondern zur Unterstützung klammer Kommunen zu verwenden. Auch die Übergabe in den alten Ministerien mitsamt erster Abteilungsleiterrunden hat sie schon hinter sich. Ihre neue Aufgabe wird die Zeit in Kleve weiter verkürzen. "Ich werde mich bemühen, so oft wie möglich in Kleve zu sein, beispielsweise in den sitzungsfreien Wochen. Aber jetzt kommen natürlich neue Verpflichtungen hinzu", sagt die Ministerin. Wenn Klimaschutzkonferenz ist, ist sie dort, irgendwo auf der Welt, von Wochenende zu Wochenende. Das ändert die Lebensweise ebenso, wie die Sicherheitseinstufung. Zwar werden sichtbar keine schwarzen Limousinen vor ihrem Haus geparkt sein. Aber: "Man passt mehr auf mich auf", sagt sie.

Und ihre Heimatstadt? Sie erlebe, wie Kleve durch die Hochschule jünger werde, internationaler. Man treffe Erstsemester in der Stadt, die in der Kirchstraße wohnen und in fünf Minuten am Campus sind. "Das bringt richtig Leben in die Stadt", sagt Hendricks. Doch die einzige Berliner Ministerin aus dem Kreis Kleve kann auch auf die eigene Schulzeit blicken: Als sich ihr Abitur zum 40. Mal jährte, sei man in ihrer alten Schule gewesen, im Sebus-Gymnasium, das zu ihrer Zeit noch als erste Adresse für gute Pädagogik galt. "Da haben wir Schnitzereien in den Tischen gesehen — die hätten von uns stammen können", sagt sie, ganz zuhause. Und blickt überm Kermisdahl hinweg aufs Wasser, die Burg im Rücken.

(RP)
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