Kleve Mord-Angeklagte gestehen unter Tränen

Kleve · Fünfter Prozesstag um die Tötung eines 43-Jährigen bei Lidl. Angeklagte gestehen die Tat, geben aber an, dass vom Opfer eine ständige Bedrohung ausgegangen sei. Verteidigung will weitere Zeugen hören. Verhandlung auf Mittwoch vertagt.

Die Verteidiger der beiden angeklagten Brüder - hier am ersten Prozesstag - verlasen gestern die Geständnisse ihrer Mandanten.

Die Verteidiger der beiden angeklagten Brüder - hier am ersten Prozesstag - verlasen gestern die Geständnisse ihrer Mandanten.

Foto: Gottfried Evers

Vier Prozesstage lang hatten Adil und Mekin O. geschwiegen. Zu dem Tatvorwurf, einen 43-Jährigen Ende März bei Lidl erstochen zu haben. Zu den Reaktionen der Zeugen, die zum Teil so schwer traumatisiert sind, dass sie kaum aussagen konnten. Mal machten die Angeklagten Notizen, meist saßen sie einfach nur mit gesenktem Blick da.

Gestern ließen sich die beiden Männer das erste Mal vor Gericht zur Tat ein - über Erklärungen, die durch ihre Verteidiger vorgetragen wurden. "Ich bin verantwortlich. Ich habe auf B. eingestochen, wollte ihn aber nicht töten", verlas Rechtsanwalt Dr. Stefan Tierel im Namen von Adil O. Demnach habe sich der 31-Jährige am Morgen der Tat unwohl gefühlt und von seinem 22-jährigen Bruder zu einem Hausarzt an der Emmericher Straße bringen lassen. Anschließend habe sein Bruder Einkäufe erledigen wollen, weswegen man zu Lidl an der Materborner Allee gefahren sei.

Dort hätten sie den 43-jährigen B. entdeckt, der ihre Familie in der Vergangenheit wiederholt belästigt, Verwandten nachgestellt habe. "Wir wollten ihn zur Rede stellen", ließ der Angeklagte verlesen. Man habe die Sache "ein für alle Mal" klären wollen. Die Brüder hätten spätestens nach dem Angriff von B. auf einen ihrer Brüder im Jahr 2008 gewusst, dass er gewaltbereit sei - darum zur Selbstverteidigung immer ein Messer bei sich getragen. Als sie das Opfer vor dem Supermarkt zur Rede stellen wollten, habe dieses dann in die Tasche gegriffen. "Da stach mein Bruder zu." Was danach passierte, könne er sich nicht erklären, so Adil O. "Bei mir sind alle Sicherungen durchgebrannt, ich war wie im Rausch", verlas Rechtsanwalt Tierel an seiner Stelle.

Für den jüngeren der beiden Brüder, Mekin O., ergriff Verteidiger Dr. Leonhard Mühlenfeld das Wort. "B. machte unsere Familie dafür verantwortlich, dass er ins Gefängnis musste", las Mühlenfeld. Mekin O. habe die Bilder seines blutenden Bruders nie aus dem Kopf bekommen. "Ich konnte kaum glauben, dass jemand meinen großen Bruder so zurichten kann." Daher habe er auch am Tag der Tat große Angst vor B. gehabt, als sie auf ihn trafen. Das Opfer habe sie sofort beschimpft, keine Möglichkeit zur Aussprache gelassen. "Als ich sah, wie er ein Messer zog, stach ich zu." Auch er habe den 43-Jährigen nicht umbringen wollen. "Als wir geflüchtet sind, wehrte er sich noch. Ich meine, er ist sogar aufgestanden", verlas Rechtsanwalt Mühlenfeld. Heute würde ihm die Tat leid tun. "Ich möchte mich bei der Familie B. entschuldigen und bin bereit meine Strafe anzutreten."

Während der Ausführungen des jüngeren Bruders Mekin brach Adil O. plötzlich in Tränen aus, wandte sich von den Zuschauern ab, unter denen auch Teile seiner Familie saßen. Dass der fortlaufende Prozess an den Nerven der Beteiligten zerrt, zeigte auch, dass bereits der als Nebenkläger auftretende Bruder des Opfers während der Aussage einer Kassiererin in Tränen ausbrach und den Gerichtssaal verlassen musste.

Die Verteidigung hat Anträge eingereicht, wonach weitere Zeugen geladen und Akten verlesen werden sollen, die Aussage über den Charakter des Opfers geben sollen. Darüber hat das Gericht bis Mittwoch zu entscheiden - dann wird der Prozess fortgesetzt.

(lukra)
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