Die Abgehängten (1) Nur kaltes Wasser

Holger (50) wurde in Moers geboren, war verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter, einen Sohn und vier Enkelkinder. Als Bergmechaniker arbeitete er in der Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn. "Beruflich ging es mir blendend. Zumindest in den ersten Jahren", betont er. Nach einer Weiterbildung war er als Techniker bei Siemens beschäftigt. Doch die Arbeit in der Schachtanlage hätte seine Wirbelsäule zerstört, so Holger. Er wurde immer häufiger krank. "Irgendwann haben die mich dann rausgeschmissen. Auch privat ging es bei mir bergab. Nach 22 Jahren Ehe war Schluss." Sein Haus brannte ab, er häufte 70.000 Euro Schulden an und hatte weiterhin ständig Schmerzen im Rücken, die er mit Tabletten bekämpfte: "Ich habe 'Ibuprofen 800' geschluckt. Sieben Stück jeden Tag. Irgendwann fraßen die Nebenwirkungen die Vorteile auf."

Holger muss mit 150 Euro im Monat auskommen, weil er in einer zu großen Wohnung lebt. Der Regelwert ist überschritten, das Geld wird ihm vom Hartz IV-Satz abgezogen. Strom kann er sich leisten, Gas nicht mehr. Aus der Dusche kommt nur kaltes Wasser. Wenn er es nicht mehr aushält, fährt er mit dem Rad zu Bekannten und duscht dort. "Es ist schwer, eine kleine Wohnung zu finden. Wenn der Vermieter hört, wer das Geld überweist, ist das Gespräch beendet", sagt er. Monatelang war er obdachlos.

Holger erzählt schnell und viel. Auch über seine Zukunft. Was die betrifft, so hat er aufgegeben. Ein Grund dafür sind schwere Gedächtnisprobleme. "Ich gehe aus dem Haus, und wenn ich draußen stehe, weiß ich nicht mehr, wo ich hin wollte." Aber das weiß er seit Jahren nicht mehr. Text: Jan/Bild: mvo

(RP)
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