Kleverland Orkan richtet erhebliche Schäden an

Kleverland · Sturmtief "Friederike" wütet im Kreis Kleve kurz, aber heftig: 717 Einsätze fahren die Wehren bis zum Mittag. In Emmerich wird ein Mann von einem Baum erschlagen, in Kalkar ein Mann schwer verletzt. Haushalte ohne Strom.

 Lebensgefahr: Die Emmericher Rheinbrücke war bis zum Abend gesperrt. Lebensgefahr: Die Emmericher Rheinbrücke war bis zum Abend gesperrt.

Lebensgefahr: Die Emmericher Rheinbrücke war bis zum Abend gesperrt. Lebensgefahr: Die Emmericher Rheinbrücke war bis zum Abend gesperrt.

Foto: Stade Klaus-Dieter

Ein 59-Jähriger stirbt in Emmerich auf einem Campingplatz, als er von einem umstürzender Baum getroffen wird, in Kalkar stürzt ein Mann und verletzt sich schwer, bei drei Verkehrsunfällen werden ein Mensch schwer und drei weitere leicht verletzt. Die Rheinbrücken Emmerich und Rees sind für Stunden gesperrt, einzelne Flugzeuge landen nicht mehr in Weeze, andere nehmen dafür den Flughafen als Ausweichplatz: Sturmtief Friederike hat den Kreis Kleve gestern zwischen 9.30 Uhr und 12.30 Uhr fest im Griff.

Mit Orkan-Böen von über 130 Stundenkilometern in der Spitze tobt der Sturm, deckt Dächer ab und knickt Bäume um. "Unsere Einsatzkräfte werden bis tief in die Nacht arbeiten müssen", sagt Ruth Keuken, Sprecherin des Kreises Kleve. Die Nordwestbahn stellt den Verkehr ein, weil die Bahnstrecke Krefeld - Kleve gesperrt ist. Zahlreiche Bäume blockieren Schienen und Straßen. Es kommt zu teils schweren Unfällen wegen der Witterung. 717 Einsätze fahren die Wehren im Kreis Kleve bis zum Mittag, acht Beamte nehmen in der Einsatzzentrale der Feuerwehr des Kreises Notruf um Notruf entgegen.

 In Goch flog ein Einkaufswagen ins Fenster.

In Goch flog ein Einkaufswagen ins Fenster.

Foto: Settnik

In der Berufsschule in Kleve greift der Sturm das Dach der Metallwerkstatt, reißt es heraus. Es knallt herunter, beschädigt Teile des Sporthallendaches. Die Feuerwehr rückt aus, weil man nicht weiß, ob das Dach jemanden unter sich begraben hat. "Wir hatten Glück, in Kleve es gibt keinen Personenschäden", sagt der Feuerwehrchef, Brandinspektor Ralf Benkel. "Aber schon jetzt können wir sagen, dass der Sachschaden im Stadtgebiet erheblich ist." Der Schwanenturm verliert einen Uhrzeiger, Bäume sind ausgerissen und abgeknickt, Autos schwer beschädigt, Dächer abgedeckt. Straßen und Plätze werden gesperrt. Am Abend zählt Benkel 114 Einsätze, bei denen 145 Mann an allen zwölf Standorten im Einsatz waren.

In Bedburg-Hau arbeitet eine "kommunale Führungsstelle" im Gerätehaus Hasselt. Seit 10 Uhr sind alle Einheiten der Feuerwehr in ihren Gerätehäusern alarmiert, bis 16 Uhr werden 60 Einsätze gefahren, 70 Mann sind im Dauereinsatz. Auf der Uedemer Straße in Schneppenbaum stürzt ein Baum auf ein Mehrfamilienhaus. Das Dachgeschoss ist unbewohnbar. Verletzt wurde hier niemand, sagt Bedburg-Haus Feuerwehr-Sprecher Michael Hendricks. Die Doktor-Engels-Straße, Doktor-Franken-Straße, Uedemer Straße, Bienenstraße und Kerkpad sind zeitweise gesperrt: umgestürzte Bäume verstellen den Weg. Die Feuerwehr sichert die Einsatzstellen, räumt, muss zum nächsten Einsatz.

Die Joseph-Beuys-Gesamtschule in Kleve und Bedburg-Hau lässt ihre Kinder ab 10 Uhr abholen. Viele Schüler waren wegen Sturmtief "Friederike" gar nicht erst zum Unterricht erschienen. Wer doch aufläuft, soll wieder nach Hause, bevor der Orkan so richtig loslegt. "Die anderen Schulen im Stadtgebiet machen Unterricht, halten die Kinder aber im Gebäude", erklärt Kleves Schulamtsleiterin Annette Wier. Später lässt auch die Marienschule in Materborn die Kinder abholen, weil der Sturm Ziegel vom Dach reißt.

Die Szenen in der Stadt ähneln sich: Kristin Wolf-Sieger ist sichtlich erleichtert, als sie die quer über die Stadionstraße liegende große Birke sieht, die einst vor dem leerstehenden Asylantenheim wuchs und jetzt die Durchfahrt blockiert. Denn da, wo der Baum liegt, stand sonst ihr Auto. "Ich hatte das Auto heute Morgen vorsichtshalber um die Ecke geparkt", sagt die Mitarbeiterin der Kindertagesstätte Regenbogen an der Lindenallee. Die Kinder hätten eigentlich einen Ausflug machen sollen. "Den haben wir sicherheitshalber abgesagt", sagt Wolf-Sieger.

Sturm-Tief "Friederike" weht durch Düsseldorf
18 Bilder

Sturmtief "Friederike" weht durch Düsseldorf

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Foto: dpa, cas pil

Gegen Mittag sind am Niederrhein rund 50 000 Einwohner ohne Strom. 70 Westnetz-Mitarbeiter und Fremdfirmen sind im Einsatz. Im ganzen Kreis Kleve kommt es zu Stromausfällen, sagt Keuken. Auch in Kleve fällt ein Baum um 9.32 Uhr auf eine Überlandleitung. "1769 Hausanschlüsse waren ohne Strom, bis wir nach 23 Minuten alle wieder am Netz hatten", sagt Jürgen Kahl von den Klever Stadtwerken. Für eine Hand voll Häuser weiter draußen wird es länger dauern: Da müssen die Zuleitungen neu gelegt werden.

Um 12.30 Uhr, der Sturm lässt nach, schickt USK-Geschäftsführer Karsten Koppetsch seine Männer von den Umweltbetrieben der Stadt Kleve wieder raus: Die wegen des Sturms abgebrochene Müllabfuhr wird zu Ende gebracht, 20 Männer in vier Kolonnen und alle Kehrmaschinen räumen die Straßen, mit Hubwagen werden lose Äste aus den Bäumen geholt. Die Arbeit nach dem Sturm wird auch heute noch andauern. Und die Nordwestbahn wohl nur eingeschränkt fahren, sagte gestern ein Bahnsprecher.

(mgr)
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