Kreis Kleve Rettungskräfte trainieren, wie sie sich wehren können

Kreis Kleve · "Da beugt sich mein Kollege über den Verletzten und wird in den Bauch gebissen" - so schildert Holger Rabeneck von der Viersener Feuerwehr eine Lage , die für Rettungskräfte leider nicht außergewöhnlich ist. Der Helfer von berufswegen erzählt von seinen Erfahrungen im Laufe des Trainings, das nun organisiert vom Studieninstitut Niederrhein im Feuerwehrgerätehaus Goch stattfand. Es kommen schauerliche Berichte zusammen.

Die Kollegen aus acht Einsatzstellen am Niederrhein berichten von Drohungen mit Messern, Tritten, Schlägen mit einem Gürtel - ganz zu schweigen von verbalen Attacken und Beleidigungen in Form von "Anspucken".

Eine zunehmende Verrohung, die fassungslos macht, so empfinden es auch die beiden Trainer Marc Windeck und Oliver Moßmann. Beide sind erfahren, wenn es um gewaltbetonte Kontakte geht - Windeck arbeitet bei der Polizei an vorderster Front, Moßmann im Strafvollzug. "Wir sind dafür ausgebildet. Dass Sie sich aber als Rettungskräfte jetzt auch verteidigen müssen, ist echt traurig", das stellen die beiden wiederholt fest. Denn vor einigen Jahren habe man den Weg noch freigemacht für den Rettungswagen und die Helfer unterstützt, wo es ging. Um Ursachensuche für diese Entwicklung geht es bei dem Training allerdings nicht, sondern um konkrete Hilfen für die Retter, "wir wollen, dass Sie täglich gesund vom Einsatz zurückkommen."

So lernen die Teilnehmer einige Techniken, die helfen, Gefahren von vorneherein zu minimieren. Geübt wird etwa, wie die Helfer eine Wohnung betreten sollten, in der stark alkoholisierte Feiernde mit einem Verletzten anwesend sind. Dabei stehen sogenannte "Standards" im Mittelpunkt, etwa das seitliche Stehen vor einer Wohnungstüre. "Sie wissen nicht, ob bei der Öffnung ein Stuhl entgegen kommt - oder schlimmer: eine Kugel."

Die Übung zeigt Wirkung bei den Helfern. Zwei Freiwillige gehen in den Raum mit ihrem Rucksack. Sie sehen nicht, dass der betrunkene "Verletzte", gemimt von Trainer Moßmann, ein Messer aus seiner Gesäßtasche zückt und angreift. Der Rat der beiden Trainer: Die sogenannte "L-Stellung". Dabei löst sich ein Helfer des Rettungsteams und geht vorsichtig so durch den Raum, dass er den Patienten von hinten sieht und seinen Kollegen warnen kann.

Bei den empfohlenen Techniken kommt es nicht auf körperliche Kraft an, das lernen auch die beiden zierlichen Kolleginnen von der Rettungsstelle in Kevelaer: Sie können locker mithalten bei den "Befreiungstricks", die bei einer Umklammerung oder körperlichen Attacke eingeübt werden. Auch Aktionen, die das Gegenüber erst einmal außer Gefecht setzen - etwa damit die eigene Flucht möglich ist oder einem Kollegen geholfen wird, werden besprochen. Mit beruhigendem Fazit, denn das Recht ist auch dann auf Seiten der Helfer, wenn der Angreifer dabei verletzt wird. Dann greift der Notwehrparagraph. "Das hilft echt für die Praxis - besser als jeder Powerpoint-Vortrag", mit diesem Fazit spricht Judith Rikken von der Rettungswache Kevelaer den Kollegen aus der Seele. Auch, wenn Trainer zum Schluss hoffen, "dass Sie das alles nie anwenden müssen."

Die Feuerwehr-Akademie Niederrhein (FAN) ist als Tochter des Studieninstituts eine Institution, die Feuerwehrleute ausbildet und auch Fortbildungen wie diese rund um das Thema "Retten und Helfen" anbietet. Das aktuelle Programm bietet 53 Seminare für Fachkräfte.

Ansprechpartnerin ist die Geschäftsführerin Beate Papendell-Illés, Telefon 02151 861373, Intenet: www.feuerwehr-akademie-niederrhein.de.

(RP)
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