Lokalsport Alles fertig !

Kleve · Seit 2011 gibt es für Kleve einen Sportentwicklungs-plan, von dem nahezu nichts umgesetzt wurde. Der Sport spielt in der 50.000 Einwohnerstadt eine eher untergeordnete Rolle, wie auch die Situation an Schulen und der Zustand der Turnhallen zeigt.

 Der Charme der 60er Jahre: Gerd-Udo Neuenfeldt, Vorsitzender des BV/DJK Kellen, in einer Nasszelle mit Stockflecken an der Decke.

Der Charme der 60er Jahre: Gerd-Udo Neuenfeldt, Vorsitzender des BV/DJK Kellen, in einer Nasszelle mit Stockflecken an der Decke.

Foto: Markus van Offern

Es war ein Tag im Mai, an dem Gerd-Udo Neuenfeldt (69) fassungslos auf die Zeitung starrte. In der Rheinischen Post hatte er den Satz "...Nachdem bislang nur die Sportanlage vom BV/DJK Kellen umgesetzt wurde..." gelesen. "Umgesetzt ist hier gar nichts", sagt der 69-Jährige. Neuenfeldt muss es wissen. Seit drei Jahren ist er Vorsitzender des Vereins. Es war Kleves Kämmerer Willibrord Haas, der im Rahmen einer RP-Veranstaltung die für das Sportzentrum "Unterstadt" existierenden Pläne als verwirklicht ansieht.

Die Sportanlage "Unterstadt" auf dem Gelände des BV/DJK Kellen ist Teil des 2011 veröffentlichten Sportentwicklungsplans der Stadt Kleve, der von Wissenschaftlern des Instituts für Sportsoziologie der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) erstellt wurde. Die Fachleute hatten empfohlen, vier Sportzentren zu bilden. Eines davon in Kellen an der van-den-Bergh-Straße. In einer Handlungsempfehlung werden von den Kölnern die dazu notwendigen Maßnahmen genannt.

"Nichts von dem, was in dem Konzept steht, ist bislang realisiert worden", sagt Neuenfeldt. In einem ersten Schritt sollte der Tennen- in einen Kunststoffrasenplatz umgewandelt werden. "Nicht einmal Planungen, die zumindest auf einen möglichen Beginn der Arbeiten hinweisen, gibt es", so der Vorsitzende. Im Gegenteil, Hoffnungen auf einen baldigen Start hat er keine. Es dürfte noch Jahre dauern, bis aus Asche Kunstrasen wird. Im vergangenen Jahr wurde der Tennenplatz für 20.000 Euro von der Stadt ausgebessert, weil das Wasser nicht mehr abfloss. Die ernüchternde Bilanz des Vorsitzenden: "Das hätte man sich schenken können. Das Wasser bleibt wieder genauso stehen wie vorher." Geld, das versenkt wurde.

Das alte Platzhaus des BV/DJK Kellen ist in einem erbärmlichen Zustand. Kabinen mussten geschlossen werden. Schimmelbefall gefährdet die Gesundheit. Im Konzept steht: "Neubau eines Umkleidegebäudes".

Was auf dem Gelände des Vereins zuletzt entstanden ist, sind vier Soccer-Courts. Alle mit Kunstrasen ausgestattet. 190.000 Euro musste der Ballspielverein selbst stemmen. "Über einen Kredit haben wir die Maßnahme finanziert", sagt Neuenfeldt. Die Felder wurden dringend benötigt und sind durch die zahlreichen Jugendteams des BV/DJK belegt. Im Rahmen der Sportförderung hat die Stadt die Hälfte der Kosten übernommen. Der Vorsitzende legt Wert auf die Feststellung, dass die Initiative vom Verein ausging und die Maßnahme nichts mit der Handlungsempfehlung der Fachleute von der DSHS zu tun hat.

Gerd-Udo Neuenfeldt sieht weitere Probleme auf seinen Club zukommen. Seit einigen Jahren wird über einen Zusammenschluss des BV/DJK Kellen, SV Griethausen und VfR Warbeyen verhandelt. Die Pläne sind derzeit so weit fortgeschritten wie noch nie. Es würde der größte Verein Kleves entstehen. Mit Soccer-Courts, einem Naturrasenplatz ohne Licht, einer Wiese und einem Ascheplatz, der solide Wasser hält.

Es ist wahrlich nicht so, dass sich der Sport vor Zuwendungen seitens der Stadt kaum retten kann. Das wird auch an anderen Stellen deutlich. Die Situation im Schulsport ist nicht besser. Als Schulträger ist die Kommune für Ausstattung und Instandhaltung verantwortlich. Auf der Homepage der Verwaltung heißt es dazu unter "Richtlinien zur Förderung des Sport": "...Die Unterstützung des Schulsports und des Breitensports hat naturgemäß besondere Bedeutung...".

Zwei Gymnasiallehrer, die ihre Namen nicht nennen wollen, beschreiben, wie diese besondere Bedeutung aussieht. Sie äußern sich über den Zustand der Hallen und deren Inhalt. Einer der Pädagogen unterrichtet seit mehr als einem Jahrzehnt Sport am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. "Ohne das Geld vom Förderverein und aus den Einnahmen der Cafeteria, wäre ein ordnungsgemäßer Sportunterricht kaum möglich", sagt er. Mängel würden meistens, wenn überhaupt, nur provisorisch behoben. Eigeninitiative sei stets gefragt. "Trotz Anfragen und Hinweisen - von der Stadt kommt selten etwas", berichtet der Studienrat. Von alleine käme niemand gucken, ob alles in Ordnung ist. Höhepunkt war, als ein Sportlehrer gemeinsam mit dem Hausmeister etliche heruntergekommene Umkleidekabinen und Flure in der Sporthalle während der Freizeit gestrichen hat. Die Stadt überweist dem Gymnasium jährlich einen Betrag. Der Fachschaft "Sport" bleiben davon um die 200 Euro oder umgerechnet neue Leibchen und ein paar Bälle pro Schuljahr.

Für einen Studienrat des Konrad-Adenauer-Gymnasiums (KAG) ist unter anderem der Zustand der Geräte ein Grund, sich über die Situation zu beklagen. "Wir hatten drei Trampoline, aber es war zu gefährlich, darauf zu springen", sagt er. Mehrere Nachfragen beim zuständigen Amt hätten schließlich zu der Erkenntnis geführt, das Problem in Eigenregie zu beheben. Zunächst wurden die Geräte von den Pädagogen selbst entsorgt. Dann nahm man Kontakt mit dem "Stein" auf. Die Schule besitzt zwei Trampoline, die den Anforderungen noch genügen. Jetzt versucht man auf dem kleinen Dienstweg den Mangel zu beseitigen und wäre froh, wenn das Freiherr-vom-Stein ein Trampolin abgäbe.

Eine besondere Bedeutung besitzt die Kellener Sporthalle, da sie im Stadtgebiet die einzige Dreifachhalle mit Tribüne ist. "Wenn die auf ihre Sicherheit hin kontrolliert würde, dürfte sie in dem Zustand nie mehr ausgezogen werden", sagt der Pädagoge.

Eine Lehrerumkleide gibt es in der Halle nicht. Am KAG ist deshalb ein gutes Klima zwischen den Sportlehrerinnen und ihren männlichen Kollegen von besonderer Bedeutung. Angst vor Berührungspunkten darf es keine geben. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich aufgrund mangelnder Alternativen gemeinsam im Sanitätsraum umziehen. "Es stört die Kolleginnen einfach", sagt der Sportlehrer. Sollte der Sanitätsraum wirklich mal für das genutzt werden, was auf dem Schild neben der Tür steht, wird's eng. Der Notausgang kann ohne größere Probleme auch von außen geöffnet werden. In einen Geräteraum regnet es hinein. Das ist der Stadt bekannt. Die aufgestellten Eimer sind schnell gefüllt und Sportgeräte wie Eisenständer sind durch das Wasser angerostet. Aber die Halle muss noch irgendwie halten.

Das Thema Sporthallen nimmt in dem Projektbericht der Sporthochschule einen breiten Raum ein. Im Durchschnitt sind die Klever Hallen 40 Jahre alt. Die älteste ist von 1949. Mit knapp 20 Jahren steht die jüngste an der Karl-Kisters-Realschule.

Mehr als 1000 Mitglieder hat der VfL Merkur Kleve. Er ist der größte Sportverein. Etliche Übungsleiter engagieren sich ehrenamtlich beim VfL, übernehmen für die Gesellschaft wichtige Aufgaben. Seit Jahren müssen die Trainer und Kinder in der abbruchreifen Turnhalle Sport treiben (die RP berichtete mehrmals). Merkur soll seit einem Jahrzehnt eine neue Heimat neben dem Gustav-Hoffmann-Stadion erhalten. Auf der jüngsten Sportausschusssitzung im April dieses Jahres vermisste ein Mitglied des Gremiums den Sachstand zum Thema VfL Merkur. Haas wollte aktuell dazu nichts sagen und bat um Geduld.

Am 3. Juni 2009 hatte die Verwaltung im Ausschuss erklärt, dass die Prüfungen hinsichtlich einer möglichen Auslagerung des VfL Merkur an einen anderen Standort nahezu abgeschlossen seien. Jetzt, acht Jahre später, räumte der Kämmerer ein, wenn der Verein Probleme mit der Dauer der Umsetzung habe, so könne er dies nachvollziehen.

Dietmar Eisel, Vorsitzender des VfL Merkur Kleve, betonte jetzt erneut, dass der Verein auf Fragen und Vorschläge, die aus dem Rathaus kamen, stets geantwortet habe. "Im November habe ich zum zweiten Mal Stellung zu den Plänen bezogen. Es ist alles besprochen und geklärt. Seitdem gab es keinen Kontakt. Wir warten weiter darauf, dass es endlich los geht", sagt Eisel. Dabei beschloss der Rat 2012 einstimmig mit einer Enthaltung folgende Prioritäten aus dem Sportentwicklungsplan festzulegen:

a) Bildung von vier Sportzentren

aa) Als erster Schritt Verlagerung des VfL Merkur zum Gustav-Hoffmann-Stadion durch Bau einer Sporthalle mit Kraftraum im Jahr 2013.

Ebenfalls entschieden wurde in der Ratssitzung: Durchführung einer differenzierten Bestandsaufnahme zum Zustand der städtischen Sporthallen und darauf aufbauend eine konkrete Sanierungsplanung mit Priorisierung.

Zwei Jahre nachdem der Bericht aus dem Hause der Sporthochschule veröffentlicht wurde, erklärte ein Mitarbeiter der Verwaltung, dass das Sportstättenangebot gut und ausreichend sei, die Hallen in Ordnung wären und man im Vergleich zu anderen Städten, etwa im Ruhrgebiet, sehr gut dastehe.

Aktuell erklärt die Verwaltung zu dem Thema: Der vom Rat am 4. Juli 2012 beschlossene Sportentwicklungsplan bescheinigt den Klever Turn- und Sporthallen einen insgesamt befriedigenden bis guten Zustand.

Das sehen die Autoren der Studie grundlegend anders. "In unserem Bericht steht eindeutig, dass es bei den Hallen einen hohen Sanierungsbedarf gibt", sagt Dr. Holger Fuhrmann unserer Redaktion. Bereits 2011, also zum Zeitpunkt der Untersuchung, hätte es einen hohen Sanierungsstau gegeben. "Man darf nicht den Fehler machen und glauben, dass, wenn eine Halle mit der Note 2,5 bewertet wird, dort keine Instandsetzungsarbeiten notwendig sind", erklärt der promovierte Soziologe. Er betont, dass es sich mit alten Sporthallen nicht so verhalte wie mit Wein: "Die werden im Laufe der Jahre nicht besser."

Die Stadt führt in ihrem Sportentwicklungsplan auf, welche Hallen in puncto Sanierung die höchste Priorität besitzen. Ganz oben auf der Liste rangieren die beiden Turnhallen am Mittelweg, die hauptsächlich von den Schülern der Sekundarschule und dem Tischtennisverein WRW Kleve genutzt wird. Nach Angaben eines WRW-Vereinsmitglieds ist hier in den vergangenen Jahren nichts investiert worden. Ebenso auch nicht in der Hall der Grundschule "An den Linden" an der Römerstraße. Hier hatten die Gutachter auf Verletzungsgefahren hingewiesen.

In dem Konzept wurden die Sanitärbereiche der Turnhallen als Orte ausgemacht, wo akuter Handlungsbedarf besteht. Beschwerden aus Reihen der Sportvereine unterstreichen das. So wurde von Vereinsvertretern auf die Turnhalle am Konrad-Adenauer-Schulzentrum hingewiesen. Sportler, die abends in der KAG-Halle trainieren, gehen lieber nach Hause Duschen - wegen der extremen Geruchsbelastung in Duschräumen und Toiletten. Die Frage ist: Warum sind sie bloß so ruiniert?

(jan)
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