Lokalsport Die Handicap-Kids leben die Inklusion

Kleve · Alemannia Pfalzdorf führt seit sechs Jahren erfolgreich eine Behindertensportabteilung. Innerhalb dieser spielen die Handicap-Kids zusammen Fußball. Für das Engagement wurde der Verein mit einem "Stern des Sports" ausgezeichnet.

 Der Spaß am Spiel steht im Vordergrund. Um die Muskeln auf Betriebstemperatur zu bringen, wird im Training zunächst Basketball gespielt.

Der Spaß am Spiel steht im Vordergrund. Um die Muskeln auf Betriebstemperatur zu bringen, wird im Training zunächst Basketball gespielt.

Foto: Gottfried Evers

Hendric ist an diesem Freitagabend scheinbar besonders gut drauf. Beim Basketball zum Warmmachen erzielt er nicht nur den entscheidenden und einzigen Korb für sein Team, sondern auch das erste Tor im anschließenden Fußballturnier. Stolz ballt er eine Faust in Richtung Bank und lässt sich kurz feiern. Dass er überhaupt einen Mannschaftssport ausüben kann, hat er vor allem Achim Hahn zu verdanken. Hahn ist Trainer und Gründer der Pfalzdorfer Handicap-Kids, die vor einigen Wochen bei den Sternen des Sports für ihr beispielhaftes gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet wurden.

Hahn und sein Trainerkollege Uwe Peters geben Kindern die Möglichkeit trotz einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder Beeinträchtigung Fußball zu spielen. In einem normalen Fußballverein könnten die meisten nicht aktiv mitmachen. "Es gab welche, die schon mal Fußball gespielt haben. Aber die saßen dann meistens auf der Bank", erklärt Hahn, der immer wieder gerne betont: "Alle sprechen von Inklusion. Wir aber leben Inklusion." Neben geistig oder körperlich beeinträchtigten Kindern und sogar Autisten sind auch Jugendliche dabei, die einfach nur verhaltensauffällig geworden sind. Organisationen wie das SOS Kinderdorf oder das HPH-Netz Niederrhein vermitteln die Kinder. Aber auch Eltern wenden sich an die Pfalzdorfer Behindertensportabteilung.

Mittlerweile betreuen die beiden ausgebildeten Trainer zwischen 31 und 36 Teilnehmern, die zwischen sieben und 32 Jahren alt sein dürfen. In den vergangenen sieben Jahren haben die Handicap-Kids eine rasante Entwicklung durchgemacht. Daran war im Jahr 2007, als sie mit sieben Kindern anfingen, nicht zu denken. Hahn, dessen Sohn Phillip selbst in der Gruppe mitmacht, hatte damals die Idee zu der Gruppe nur für Kinder mit Behinderungen. Mit dieser ging er auf insgesamt zwölf Fußballvereine im Kreisgebiet zu. Doch nur ein Verein meldete sich: die Alemannia aus Pfalzdorf. Dabei war der Bedarf bereits im Jahr 2007 groß. "Es kamen viele Eltern auf mich zu, die gerne ihre Kinder in ein Fußballteam schicken wollten, in dem sich ihre Kinder wohl fühlen und wo sie so akzeptiert werden, wie sie sind", erläutert Hahn, der 2008 die Handicap-Kids bei der Alemannia Pfalzdorf gründete.

Vereine in Rees und Wesel haben nachgezogen. Doch im Linksrheinischen ist die Alemannia bislang der einzige Fußballverein, der diesen Kindern eine solche Chance gibt. Dabei würde Hahn gerne weitere Vereine dazu bewegen, auch Handicap-Kids-Mannschaften zu gründen. "Zum einen können wir ja nicht alle aufnehmen. Dafür reicht ein Verein nicht. Zum anderen würden wir gerne gegen Mannschaften aus den Nachbarklubs spielen und nicht immer so weit fahren müssen", erklärt Hahn. Bislang können sie nur Freundschaftsspiele gegen normale Juniorenmannschaften bestreiten. "Wir haben schon gegen Pfalzdorf und Concordia Goch gespielt", berichtet Hahn.

In diesem Jahr ist noch ein weiterer Meilenstein hinzugekommen. Der Fußballverband Niederrhein gründete vor einigen Wochen eine Handicap-Liga, zu der die Alemannia nun auch gehört. Diese Liga gleicht im Prinzip einer normalen Meisterschaft, in der Teams bestehend aus Kindern mit und ohne Behinderung jeweils um den Titel kämpfen. Einmal im Monat treffen sich die Mannschaften der Ü16-Gruppe auf den jeweiligen Sportplätzen mit Hin- und Rückspielen. Gespielt werden dann zwei mal 30 Minuten mit allerdings veränderten Regeln.

"So gibt es bei uns kein Abseits, da das nicht alle verstehen würden. Außerdem spielen wir mit den Regeln der Fairplay-Liga. Das heißt, bei uns gibt es keinen Schiedsrichter - das übernehmen in strittigen Situationen die Trainer. Ansonsten einigen sich die Spieler selbst. Außerdem darf nicht gegrätscht werden. Selbst dann nicht, wenn der Ball gespielt wird. Da ist die Verletzungsgefahr zu groß für", so Hahn. Das funktioniere auch sehr gut.

Bei der zweiten Gruppe der U16 gibt es die gleichen Regeln. Jedoch spielen sie im Turnier-Modus. Dazu treffen sie sich einmal im Monat im Wechsel bei einem Verein. Alle Mannschaften spielen dann je 15 Minuten im Modus Jeder gegen Jeden. Die Meisterschaft ist aber nur ein weiterer Baustein im Grundgedanken, auch behinderten Kindern die Möglichkeit zu geben, sich beim Fußball zu entfalten. Der Kern liegt im Training. Um möglichst allen gerecht zu werden und vielen Kindern die Möglichkeit der Teilnahme an einer solchen Gruppe zu geben, bieten die Handicap-Kids bald zwei Trainingstermine in der Woche an, an denen der Fußball für die Meisterschaft geübt wird.

"Aber wir unternehmen auch sonst sehr viel. Wir zelten zum Beispiel im Sommer immer auf unserer Sportanlage", sagt Hahn, der von seinem eigenen Sohn weiß, dass es den Kindern und Jugendlichen gut tut. "Sie werden ruhiger und fühlen sich bei uns wohl", so Hahn voller Stolz. Die Pfalzdorfer sind damit zu Recht ein Stern im Sport

(RP)
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