Leichtathletik Nippoldt: Heute sind die Bäume meine Zuschauer

Kleve · Mehr als 30 Jahre lang war Rolf Nippoldt aktiver Läufer und hat an ungefähr 1200 Rennen teilgenommen. 2009 beendete der ehemalige Richter am Klever Landgericht seine Wettkampfkarriere. Das tägliche Training ist geblieben - allein mit sich und den Bäumen.

 Die Urkunden seiner langen aktiven Zeit hat Rolf Nippoldt fein säuberlich archiviert.

Die Urkunden seiner langen aktiven Zeit hat Rolf Nippoldt fein säuberlich archiviert.

Foto: Gottfried Evers

Rolf Nippoldt blättert in seinen Bildbänden. Fast jeden Wettkampf hat der passionierte Läufer mit Fotos und handschriftlichen Notizen archiviert. An viele seiner Wettkämpfe kann er sich aber auch ohne die Gedächtnisstütze erinnern. Bei den anderen genügt ein Bild, um die Einzelheiten sofort wieder vor Augen zu haben. Erstaunlich. Denn bei ungefähr 40 Wettkämpfen pro Jahr sind das bei 30 Jahren aktiver Läuferzeit hochgerechnet immerhin 1200 Läufe. Manch anderer würde da durcheinander kommen. Nicht aber Nippoldt. Denn Laufen wurde zu seiner Leidenschaft.

Im Jahr 1975, ein Jahr bevor er nach Kleve kam, hat er einmal 6000 Kilometer in 365 Tagen zurückgelegt. Das machte pro Woche eine Distanz von 170 Kilometern. Läufer Theo Aymanns ist dafür vor einiger Zeit mal geehrt worden. Nippoldt nie. Heute macht ihm das nichts mehr aus. Damals ärgerte es ihn schon, immer im Schatten von Gerd Mölders oder Manfred Nellesen zu stehen. "Wenn sie einen schlechten Tag hatten, hab' ich auch mal gewonnen. Ansonsten waren sie einfach besser", gesteht Nippoldt und erinnert sich dabei gern an eine Überschrift aus der Rheinischen Post: "Nippoldt schneller als Mölders".

Den Sieg hat er seinen Kontrahenten gegönnt. "Doch egal wie stark die Konkurrenz war, ich wollte jedes Rennen gewinnen", betont der pensionierte Richter am Klever Landgericht. Doch damals sei die Konkurrenz stärker gewesen als heute. Mit seinen damaligen Zeiten wäre er heute im Kreis Kleve ein Aushängeschild. Damals war er nur einer von vielen. Anders als viele andere Läufer habe er seine Wettkämpfe jedoch nie als Trainingsläufe gesehen. "Ich habe immer 100 Prozent gegeben", so Nippoldt, der noch heute fast jeden Tag trainiert.

Seine sportlich besten Jahre hatte Nippoldt von 1973 bis 1978. In dieser Zeit feierte er seine größten Erfolge. "Als ich in die Altersklassen aufstieg, kamen die Siege", erinnert sich Nippoldt, der vor wenigen Tagen 70 Jahre alt wurde. 1976 wurde er in der Altersklasse I (32 bis 35 Jahre) Hessischer Meister, ein Jahr später holte er sich in derselben Klasse den Titel des Nordrhein-Meisters. Beides waren Waldläufe. Die machte er zusammen mit Crossläufen am liebsten. Zudem lief er gerne auf Kunststoffbahnen im Stadion. "Da war ich stärker als andere", sagt Nippoldt, der 2009 seine aktive Wettkampfkarriere beendete.

Seine Bestzeit über 10 000 Meter, seine Lieblingsstrecke, stammt aus dem Jahr 1975. 30:58,8 Minuten war Nippoldt schnell. Die lief er für seinen ersten Verein ACT Kassel, bei dem er mit 16 Jahren seine Leidenschaft fürs Laufen entdeckte. "Mein Vater wollte, dass ich einem Verein beitrat", erklärt er. Zunächst versuchte er sich an der Mittel-, dann an der Langstrecke, ehe er sogar das Gehen ausprobierte. "Als Geher ist man viel schneller oben, da die Konkurrenz nicht so groß ist", erläutert Nippoldt. In dieser Disziplin ist er Hessischer und Deutscher Juniorenmeister geworden. Doch in den 70ern entschied er sich dann doch wieder fürs Laufen.

Als er am 1. Dezember 1976 seinen Dienst beim Klever Landgericht antrat, suchte er sich in Kleve einen neuen Verein. Es wurde der VfL Merkur Kleve, für den er auch seine Bestzeiten im Kreis Kleve lief - im Jahr 1978 die 10 000 Meter in 31:33,7 und die halb so lange Strecke in 15:09,1 Minuten. Da sich Merkur später vermehrt auf andere Sportarten konzentrierte, schloss sich Nippoldt dem SV Nütterden an und war dann auch Gründungsmitglied von Leichtathletik Nütterden. Von dort ist er nicht mehr weggegangen. "Ich war immer ein vereinstreuer Mensch. Ich wollte nicht wechseln", so Nippoldt. Er hatte auch keinen Grund dazu, so wohl, wie er sich fühlte.

Trainiert hat er trotzdem oft allein. So konnte er sich auf sich selbst konzentrieren und sein eigenes Tempo gehen. Zeitweise schloss er sich auch dem Lauftreff Nütterden an oder trainierte mit starken Laufpartnern wie Gerd Mölders oder Manfred Nellesen. Auch der Nachwuchs im eigenen Verein, den er 30 Jahre lang trainierte, forderte ihn.

Die lustigsten Geschichten, so erzählt Nippoldt, seien im Training passiert. Einmal hat ihn ein Pferd durch den halben Wald bis zu einem Zaun verfolgt. Der schnelle Läufer immer vorneweg. Ein anderes Mal, als er mit Lauffreunden unterwegs war, habe es mal eine kuriose Begegnung mit einem Wildschwein gegeben, das, wie sich herausstellte, wohl angeschossen war und auf die Läufer zustürmte, gegen einen Zaun lief und wieder wegrannte. "Einige von uns hatten Angst und sind nicht mehr zu dieser Stelle zurückgegangen", erzählt Nippoldt. Er und ein weiterer Freund sind am gleichen Abend aber noch mal hin, haben das Tier jedoch nicht wieder gesehen.

Nippoldt läuft noch heute fast jeden Tag durch den Reichswald und notiert sich seine Zeiten, "die im Vergleich zu früher natürlich langsamer sind", gibt der 70-jährige zu. Den Applaus von den Zuschauern, Ansporn in früheren Zeiten, braucht er nicht mehr. "Meine Zuschauer sind mittlerweile die Bäume", sagt er und schmunzelt. Ans Aufhören denkt der Klever noch lange nicht, obwohl er schon seit seiner frühen aktiven Zeit ein paar körperliche Gebrechen hat. Seine Füße und Gelenke sind vom Laufen stark mitgenommen. Unzählige Blasen an den Füßen haben ihn schon oft gequält. Trotzdem läuft er täglich einige Kilometer durch den Wald. Denn Laufen ist sein Leben und hat seit seinem 16. Lebensjahr sein Leben bestimmt.

(RP)
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