Interview: Serie Unser Rhein (Folge 7) Traditionsreiche Gastwirtschaft am großen Strom

Kleve · Seit mehr als 100 Jahren führt die Familie Brinkmann am Rhein in Dinslaken das Restaurant "Haus Stapp". Ende 2014 schließt es.

 Der mächtige Deich verstellt den Blick auf das "Haus Stapp". Das war in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch ganz anders.

Der mächtige Deich verstellt den Blick auf das "Haus Stapp". Das war in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch ganz anders.

Foto: Martin Büttner

Man schreibt das Jahr 1877. Russland führt Krieg gegen das Osmanische Reich, Thomas Alva Edison stellt seinen Phonographen zur Aufnahme von Tönen vor, und in Dinslaken öffnet vermutlich zum ersten Mal eine Gaststätte der Familie Brinkmann am Stapp ihre Türen.

"Das sagt man zumindest. Ob die Jahreszahl zu 100 Prozent stimmt, kann ich nicht sagen", erzählt Gastwirt Erich Brinkmann und beginnt damit einen Einblick in die Chronik seines eigenen Gasthauses "Haus Stapp", die mehr als ein Jahrhundert zurückreicht.

Damals war es sein Großvater Bernhard Brinkmann, der in den Rheinwiesen mit direktem Blick auf den Fluss eine Gaststätte eröffnete. Vom Biergarten vor dem Lokal aus genossen die Gäste eine grandiose Aussicht über den Fluss, konnten die vorbeifahrenden Schiffe beobachten oder sich - über eine Treppe - hinab in die Rheinwiesen und direkt an den Fluss begeben. 1907 ließ Bernhard Brinkmann dann ein neues Gebäude planen - das heutige "Haus Stapp".

Seinerzeit hieß die Gaststätte noch "Wacht am Rhein", und die Besucher blickten auf den Fluss hinab. "Die Straße lag damals noch tiefer. Erst 1927 hat man hier Anschüttungen gemacht, um einen Schutz vor dem Hochwasser herzustellen", erklärt Erich Brinkmann. Der Biergarten war eine Terrasse, und es führten mehrere Stufen zum Haus hinauf und zur Straße herab", sagt der Wirt.

Mit dem Zweiten Weltkrieg kam dann der erste große Einschnitt für den Betrieb. Vor ihrer Überquerung des Rheins nahmen die alliierten Streitkräfte das ihnen gegenüberliegende Ufer heftig unter Beschuss. Auch das "Haus Stapp" nahm dabei Schaden. "Für einen Neubau fehlte damals das Geld. Man sorgte dafür, dass das Dach wieder dicht war, und besserte provisorisch alles aus", beschreibt Erich Brinkmann die Situation nach dem Krieg. Während von dem ganz alten Haus nur noch eine Ruine blieb, die 1989 dem neuen Küchengebäude weichen musste, erblühte das "Haus Stapp" unter diesem neugewählten Namen schnell wieder zu neuem Leben.

Von 1919 bis 1969 fand rund um Haus Stapp und die Gaststätte "Alt -Stapp" die sogenannte Hahnekirmes statt. "Kikeriki heißt die Parole, darum freut Euch, Jung und Alt", erinnert sich Erich Brinkmann an das Motto des Spektakels. "Es gab einige Buden, und an beiden Gaststätten spielten Kapellen auf", erklärt der Gastwirt. In den Nachkriegsjahren wurde auch eine neue Tradition begründet: "Wenn es am Wochenende schönes Wetter gab, lud man am Samstag und Sonntag zum Tanz im Biergarten ein", erklärt Erich Brinkmann. Bis in die Mitte der 60er Jahre wurde diese Tradition gepflegt. In der Zwischenzeit hatte Bernhard Brinkmanns Sohn gleichen Namens - der Vater von Erich Brinkmann - den Betrieb der Gaststätte übernommen.

Die größte Veränderung kam dann in den 70er Jahren. Durch den Bergbau war das ganze Umland um bis zu vier Meter abgesunken. Ein Deich wurde gebaut, um das "Haus Stapp" und seine Nachbarschaft vor den reißenden Fluten des Flusses zu Schützen. Wo die Gäste früher vom Biergarten aus direkt auf den Rhein blicken und in die Rheinwiesen hinabsteigen konnten, müssen sie heute 38 Stufen nach oben bewältigen, um einen Blick auf das Wasser zu bekommen. "Wenn man hier aufgewachsen ist und den alten Blick über den Rhein kannte, dann vermisst man ihn jeden Tag", sagt Erich Brinkmann. Die Geschäfte des Wirtshauses liefen trotzdem weiter. Denn mit den Wegen über den Deich kamen auch die Radfahrer, die gerne auf ein kühles Getränk oder eine warme Mahlzeit in der Gaststätte der Familie Brinkmann einkehrten. Und das Haus erarbeitet sich einen nahezu legendären Ruf als Hähnchenbraterei.

Die nächste große Veränderung könnte jetzt mit der Umgestaltung der Emschermündung anstehen. "Man wird sehen, was das bringt", sagt Erich Brinkmann. Als Gastwirt in dritter Generation wird er sich darüber allerdings keine Gedanken mehr machen müssen. Zum Ende des Jahres schließt die Familie ihre Gaststätte. "Das Haus ist durch den Bergbau so in Mitleidenschaft gezogen, dass sich eine Renovierung nicht mehr lohnt. Außerdem habe ich keinen Nachfolger für den Betrieb", erklärt Erich Brinkmann diesen Schritt. "Ich weiß, dass viele treue Kunden deswegen traurig sind. Viele kannten die Gaststätte noch aus ihrer Kindheit", sagt der Gastwirt.

Bis Ende des Jahres können Besucher allerdings noch den besonderen Charme des Traditions-Gasthauses direkt am Rheindeich auf sich wirken lassen.

(RP)
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