Kleve Viele Vollzeitarbeiter mit Niedriglohn

Kleve · Eine neue DGB-Statistik besagt: 15 561 Vollzeitkräfte im Kreis Kleve sind im Niedriglohnbereich tätig. Besonders hoch ist der Anteil von Frauen. Den Betroffenen droht laut Einschätzung der Gewerkschaft verstärkt die Altersarmut.

Erstmals hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) regionale Daten zum Niedriglohnsektor vorgelegt. Die Niedriglohnschwelle lag in allen westdeutschen Ländern 2010 bei einem Monatsbrutto von 1890 Euro. Im Kreis Kleve arbeiteten 2010 laut DGB bereits 27,8 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor — Auszubildende wurden dabei nicht mitgezählt.

Was die Vollzeitbeschäftigten mit Berufsabschluss betrifft, so zählt laut der Statistik jeder Fünfte von ihnen zu den Niedrigverdienern. Noch deutlich schlechter sei die Entlohnung für viele ohne Berufsabschluss. Fast jeder Dritte der Geringqualifizierten im Kreis zählte zu den Geringverdienern.

"Differenziert nach Geschlechtern fällt der Kreis Kleve besonders negativ auf. Bei vollzeitbeschäftigten Frauen mit Berufsausbildung sind 37 Prozent im Niedriglohnsektor tätig", sagt Angelika Wagner, Vorsitzende des DGB-Niederrhein. Bei den Frauen ohne Berufsausbildung seien es gar 62 Prozent — eine der höchsten Quoten bundesweit.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt betont in diesem Zusammenhang die Problematik der Mini-Jobs. "Im Kreis Kleve sind diese Jobs zu einem zweifelhaften Niedriglohn-Beschäftigungsmodell für Arbeitgeber geworden — insbesondere in der Gebäudereinigung", kritisiert der Bezirksvorsitzende der IG Bau Duisburg-Niederrhein, Friedhelm Bierkant. Insgesamt hatten seinen Angaben zufolge im Kreis Kleve rund 25 700 Menschen Mitte des Jahres einen Mini-Job — mit fatalen Folgen für sie. Fehlende Einzahlungen in die Renten- und Arbeitslosenkasse, in der Regel kein Urlaubs sowie Weihnachtsgeld und keine Entgeltzahlung im Krankheitsfall — Mini-Jobber würden als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt. Zudem öffneten Mini-Jobs Dumpinglöhnen Tür und Tor: "Da es keine Stundenlimits gibt, können beispielweise die Mindestlöhne durch unbezahlte Mehrarbeit leicht unterlaufen werden", sagt der IG BAU-Bezirksvorsitzende. Vor allem für Frauen seien die Jobs zur Niedriglohnfalle geworden — der Weg in Altersarmut sei damit programmiert. Wer über eine längere Zeit wenig verdient, wird künftig auch nach Einschätzung des DGB verstärkt von Altersarmut bedroht sein. Hinzu komme, dass private Altersrücklagen bei niedrigem Einkommen so selten sind, dass das soziale Problem der Altersarmut dadurch kaum gemindert werden kann.

Warum im Kreis Kleve so viele Menschen im Niedriglohnbereich tätig sind, sagt die DGB-Statistik nicht unmittelbar aus. Eine Ursache dürfte in der wirtschaftlichen Struktur der Region liegen, vermutet der Duisburger DGB-Organisationssekretär, Mark Rosendahl. Niedriglöhne würden vor allem in den Bereichen Gastronomie, Pflege und Bauindustrie gezahlt. Diese Branchen seien im Kreis Kleve stärker vertreten als die Großindustrie oder der öffentliche Dienst, in denen seltener Niedriglöhne gezahlt würden.

Die Arbeitsagentur in Wesel bestätigt die Daten der DGB-Studie im Grundsatz. Ihr Leiter, Peter Glück, sieht den Hauptgrund für den hohen Anteil von Personen im Kreis Kleve, die im Niedriglohn-Sektor beschäftigt sind, darin, dass der Anteil an Teilzeitbeschäftigten in dieser Region vergleichsweise hoch ist. "Wer in Teilzeit arbeitet, der kommt auch relativ schnell — auch mit guter Qualifikation — in den Niedriglohnbereich", meint Peter Glück.

"Insbesondere im Dienstleistungsgewerbe ist das Risiko einer schlechten Bezahlung für Qualifizierte wie für Beschäftigte ohne Berufsabschluss überdurchschnittlich hoch. Nach unserer Einschätzung haben Menschen, die wenig verdienen, oftmals auch ein instabiles Arbeitsverhältnis und ein hohes Entlassungsrisiko", sagt Angelika Wagner vom DGB. "Zusätzlich sind die beruflichen Aufstiegschancen für Niedriglohnverdiener ungünstig. Viel häufiger als der Einstieg in besser bezahlte Tätigkeiten ist eine Verfestigung der Niedriglohnfalle."

(RP)
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